Hamburg. HSV-Profi Immanuel Pherai über sein Debüt für die Nationalmannschaft von Suriname, eine neue Kultur und die WM-Chancen.

Am Mittwochabend wird Immanuel Pherai 30 neue Verwandte kennenlernen. Onkel und Tanten, Nichten und Neffen. Der Mittelfeldspieler des HSV hat einen Großteil seiner Familie noch nie getroffen. Das wird sich in Paramaribo, der 240.000 Einwohner großen Hauptstadt des südamerikanischen Küstenstaats Suriname, ändern.

Zum ersten Mal ist Pherai im Heimatland seines Vaters zu Besuch. Und zum ersten Mal wird er am Mittwoch für die Nationalmannschaft Surinames auflaufen. Gegner vor 7000 Zuschauern im Dr. Ir. Franklin Essed Stadion ist der karibische Inselstaat St. Vincent und die Grenadinen. Auftakt zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko.

HSV-Profi erlebt in Suriname „ganz andere Welt“

„Es ist eine ganz andere Welt hier“, sagt Pherai am anderen Ende der Welt im Telefongespräch mit dem Abendblatt. Vor drei Tagen ist der 23-Jährige in Suriname gelandet. Mit einem Direktflug aus Amsterdam kommt man in die frühere niederländische Kolonie. Pherai ist in Amsterdam geboren. Seine Mutter ist Brasilianerin. Sein Vater kommt aus Suriname.

Im März dieses Jahres hat sich der Niederländer entschieden, für das Land seines Vaters und dessen Eltern zu spielen, die einst nach Holland kamen. „Der Präsident wollte unbedingt, dass ich für Suriname spiele. Mein Vater hat eigentlich gesagt, dass ich noch warten soll. Aber jetzt bin ich sehr froh über meine Entscheidung“, sagt Pherai.

Schon vor vier Jahren hatte der HSV-Profi, damals noch Jugendspieler bei Borussia Dortmund, die erste Anfrage vom Surinamischen Fußballbund (SVB). Doch die Zeit war noch nicht reif. Zudem bestand noch die Möglichkeit, für die U-Mannschaften der Niederlande zu spielen. Doch das Thema hat sich für den 23-Jährigen jetzt erledigt.

Nimmt Pherai an der WM teil?

Ausschlaggebend war für Pherai die sportliche Perspektive. Mit Suriname hat er in der Qualifikation eine durchaus realistische Chance, sich für die WM zu qualifizieren. Das Land spielt nicht im südamerikanischen Kontinentalverband Conmebol, sondern im nord- und mittelamerikanischen Concacaf.

In der ersten Quali-Runde spielt Suriname in einer Gruppe außerdem gegen El Salvador, Puerto Rico und Anguilla. Dort steht am Sonnabend das zweite Gruppenspiel an. Mit dem Flugzeug geht es zunächst nach Sint Maarten, dann mit dem Boot auf die Insel Anguilla. „Es ist eine ganz andere Erfahrung. So etwas würde ich woanders nie erleben“, sagt Pherai.

Suriname: Viele Profis aus Europa

Neben der WM-Qualifikation warten für den Hamburger in diesem Jahr mit der Nations League und dem Gold Cup im kommenden Jahr weitere sportliche Highlights. Pherai ist nicht der einzige prominente Spieler aus Europa, der sich für Suriname entschieden hat.

Star der Mannschaft ist Sheraldo Becker (29), der im Januar für drei Millionen Euro von Union Berlin zu Real Sociedad nach Spanien wechselte. Auch Stefano Denswil (31/Trabzonspor), 2017 ein Wunschverteidiger des HSV, Gyrano Kerk (28/Royal Antwerpen), Anfernee Dijksteel (27/FC Middlesbrough) und Ridgeciano Haps (30/FC Genua) spielen in Europa.

„Wir werden immer besser. Einige Spieler müssen noch registriert werden. Der Neuaufbau der Nationalmannschaft läuft noch“, sagt Pherai. Erst seit 2019 ist es für Niederländer mit surinamischen Wurzeln möglich, mit einem sogenannten Sportreisepass für Suriname zu spielen.

Immanuel Pherai an einer Schule in Suriname.
Immanuel Pherai an einer Schule in Suriname. © privat

Stars wie Kluivert mit surinamischen Wurzeln

Seit 1975 ist Suriname wieder unabhängig. Amtssprache ist aber immer noch niederländisch. Viele berühmte Spieler aus den Niederlanden haben Wurzeln in dem kleinsten südamerikanischen Land. Ehemalige Weltstars wie Ruud Gullit, Frank Rijkaard, Edgar Davids, Clarence Seedorf und Patrick Kluivert. Aktueller Trainer ist Stanley Menzo (60), von 1984 bis 1994 Stammtorhüter bei Ajax Amsterdam.

Obwohl die sportlichen Qualitäten hoch sind, musste sich Pherai erst einmal an die neuen Gegebenheiten gewöhnen. Training im Amazonas-Gebiet bei tropischen Temperaturen um die 30 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit ist in Suriname normal. Trinkpausen brauchen die Spieler trotzdem nicht. „Die sind alle Maschinen hier“, sagt Pherai und lacht.

Pherai holte sich das Go vom HSV

Er selbst wird künftig häufig in den Maschinen der Fluggesellschaft KLM sitzen, um nach Suriname zu fliegen. Das war auch ein Grund, warum er beim HSV vor seiner Entscheidung mit den Verantwortlichen sprach. Mit Sportdirektor Claus Costa und Co-Trainer Merlin Polzin tauschte er sich länger aus. Sie alle sagten: Mach es. So eine Chance bekommst du nie wieder.

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Nach der Enttäuschung mit dem Nichtaufstieg in seinem ersten HSV-Jahr war Pherai zudem froh, schnell wieder an etwas anderes denken zu können. „Die Saison ist blöd gelaufen. Ich war eine Woche zu Hause. Jetzt freue mich auf die Spiele.“ Nach der zweiten Partie in Anguilla hat Pherai immer noch genug Zeit für den Urlaub, ehe es Ende Juni mit der Vorbereitung beim HSV wieder losgeht.

HSV-Profi Pherai in Suriname: Essen aus dem Dschungel

Bis dahin genießt der Paradiesvogel das Abenteuer in seiner bislang unbekannten zweiten Heimat. Vor allem das Essen und die Musik. „Das Essen kommt direkt aus dem Dschungel. Das ist überragend“, sagt Pherai, der surinamische Restaurants aus Amsterdam kennt. Der Klassiker: Reis mit Hähnchen.

Im September geht es in der Nations League mit Suriname weiter. Gegner sind Guyana und Guadeloupe. Für Pherai weitere Highlights. Dann werden auch sein Vater und seine Großeltern mit dabei sein. Pherai ist glücklich. „Es ist richtig geil hier“, sagt er über seinen Start in Suriname. Dann muss er zum Training. „Viele Grüße nach Hamburg.“