Hamburg. Ex-HSV-Star spricht über neuen Job als Nationaltrainer, seine Zeit als Aufsichtsrat und die Diskussion um Jonas Boldt.

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Als Sergej Barbarez sich in der 90. Minute das rote Trikot vom Leib riss, versank Hasan Salihamidzic in seinem hellblauen Hemd auf der Bank des FC Bayern in seinem Stuhl. Es war einer der berühmtesten Momente in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Barbarez hatte an diesem 19. Mai 2001 soeben das 1:0 für den HSV geköpft und somit den FC Schalke 04 zum kurzzeitigen Deutschen Meister gemacht.

Der Gelb-gesperrte Salihamidzic konnte in seiner alten Heimat im Volksparkstadion nur draußen mitleiden, als Barbarez sein 22. Saisontor erzielte. Die beiden Bosnier erlebten Minuten zwischen Himmel und Hölle. Am Ende hatten aber beide etwas zu feiern. Barbarez wurde Torschützenkönig – und Salihamidzic doch noch Meister, weil Patrick Andersson in der vierten Minute der Nachspielzeit doch noch die Lücke in der Hamburger Freistoßmauer fand.

Für Bosnien vereint, in der Bundesliga Gegner: Sergej Barbarez (l.) als HSV-Stürmer im Duell mit dem damaligen Bayern-Profi Hasan Salihamidzic.
Für Bosnien vereint, in der Bundesliga Gegner: Sergej Barbarez (l.) als HSV-Stürmer im Duell mit dem damaligen Bayern-Profi Hasan Salihamidzic. © Witters

Am 19. Mai 2024 steht mal wieder der letzte Spieltag für den HSV im Volksparkstadion an. Gegen den 1. FC Nürnberg geht es allerdings nur noch darum, Platz vier zu sichern und möglicherweise den Zuschauerrekord aus der Saison 2006/07 zu knacken. Die Namen Barbarez und Salihamidzic sind beim HSV aber auch 23 Jahre danach noch in aller Munde. Barbarez hat sich vor wenigen Wochen einen Traum erfüllt und einen Vierjahresvertrag als Nationaltrainer von Bosnien unterschrieben.

Salihamidzic würde zum HSV zurückkommen

Salihamidzic würde sich gerne einen Traum erfüllen und nach 26 Jahren zum HSV zurückkehren. Der vor einem Jahr als Sportvorstand beim FC Bayern München entlassene Salihamidzic soll bereit sein, bei seinem ersten Club in Deutschland (1992-1998) die Rolle von Jonas Boldt als Sportvorstand beim HSV zu übernehmen. Es gab auch bereits Kontakt zum Aufsichtsrat.

Der frühere HSV-Stürmer und ehemalige Aufsichtsrat Barbarez könnte sich eine Rückkehr seines Landsmanns in den Volkspark gut vorstellen. „Hasan ist ein großartiger Manager. Für mich wäre das sensationell“, sagte Barbarez am Freitag in der 205. Folge des Abendblatt-Podcasts „HSV – wir müssen reden“. Aus Respekt vor Boldt, den Barbarez noch aus Leverkusen kennt, will er Salihamidzic aber nicht in die Position hineinreden. „Das wäre nicht korrekt. Das macht man nicht“, sagt Barbarez, der trotzdem glaubt, dass Salihamidzic irgendwann einen Posten beim HSV übernehmen wird. „Er hat bei Bayern bewiesen, dass er gegen viele Widerstände ankämpfen kann. Ich bin mir sicher, dass sich der Kreis schließt und er irgendwann wieder beim HSV landet.“

Auch für Barbarez hat sich vor wenigen Wochen ein Kreis geschlossen. 18 Jahre nach seinem letzten Länderspiel für Bosnien wurde Barbarez Nationaltrainer. In zwei Wochen im englischen Wembley-Stadion steht sein Debüt an, sechs Tage später geht es nach Italien. Im Herbst trifft er mit Bosnien dann in der Nations League zweimal auf Deutschland. „Diese Spiele haben 30 Prozent meiner Entscheidung ausgemacht. Deswegen bin ich Fußballer und jetzt Trainer geworden. Von solchen Spielen habe ich immer geträumt“, sagt Barbarez mit großen Augen.

Barbarez in Bosnien wieder mit Bajramovic und Spahic vereint

Schon vor ein paar Jahren hatte er mit dem bosnischen Verband verhandelt. Nun hat es im zweiten Anlauf geklappt. Barbarez konnte sich sein Team zusammenstellen. Der frühere HSV-Co-Trainer Zlatan Bajramovic wird sein Assistent, der ehemalige HSV-Verteidiger Emir Spahic ist Sportdirektor. „Das war mir sehr wichtig. Er ist mein Beschützer“, sagt Barbarez und lacht. Mit Spahic hat er schon als Spieler zusammen für Bosnien gespielt, genau wie mit Salihamidzic. Nun wollen Barbarez, Spahic und Bajramovic „das Image der Nationalmannschaft aufbessern und den Stolz wieder nach vorne bringen“, sagt Barbarez.

Sergej Barbarez (Nummer 9) spielte 2005 für Bosnien mit den Ex-Hamburgern Hasan Salihamidzic (10), Emir Spahic (4) und Zlatan Bajramovic (5) zusammen.
Sergej Barbarez (Nummer 9) spielte 2005 für Bosnien mit den Ex-Hamburgern Hasan Salihamidzic (10), Emir Spahic (4) und Zlatan Bajramovic (5) zusammen. © imago | imago

Stolz ist Barbarez auch immer noch auf seine Zeit beim HSV. Auch seine eineinhalbjährige Zeit als Aufsichtsrat zwischen 2009 und 2010 hat er nicht vergessen. „Für mich war es großartig. Eine tolle Erfahrung, auch wenn es nicht so einfach ist bei einem so großen Verein wie dem HSV.“ Barbarez erinnert sich, wie der Club einen Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer suchte. Und am Ende den Ex-Profi und Praktikanten auf der Geschäftsstelle, Bastian Reinhard, zum Sportchef machte.

Dabei war auch Barbarez selbst ein Kandidat. „Nico Hoogma, Stefan Beinlich und ich haben alle gleichzeitig verhandelt“, erzählt Barbarez. Am Ende fiel die Wahl überraschend auf Reinhardt. „Die Art und Weise hat mir damals nicht gefallen, deswegen bin ich auch als Aufsichtsrat zurückgetreten“, sagt Barbarez heute.

Die Suche des aktuellen Aufsichtsrats nach einem möglichen Nachfolger von Boldt dürfte Barbarez an seine eigene Zeit im Kontrollgremium erinnert haben. Weder Ralf Rangnick, Jörg Schmadtke, Fabian Wohlgemuth noch Oliver Bierhoff wollten den Job übernehmen. Felix Magath würde gerne, soll aber nicht.

Barbarez hat Verständnis für aktuellen Aufsichtsrat

Dass die Gespräche öffentlich wurden, hat auch Boldt geschadet, der womöglich nun doch noch beim HSV bleibt. „Es kommt immer etwas raus“, sagt Barbarez über die Gespräche des Aufsichtsrates und die Problematik bei der Suche. „Jeder will seinen Kandidaten durchsetzen. Jetzt kommt dazu, dass das Image des HSV gelitten hat. Deswegen springen viele ab. Vielleicht muss man kleinere Brötchen backen.“

Barbarez wünscht sich, dass sein früherer Sturmpartner Steffen Baumgart bleiben darf. Mit dem HSV-Trainer hat er einst bei Hansa Rostock zwei Jahre zusammengespielt. „Ich drücke Steffen alle Daumen. Wir haben uns zuletzt nach dem Stadtderby gegen St. Pauli gesehen.“

Barbarez hofft auf erneute Hadzikadunic-Leihe

Barbarez war beim bislang letzten Heimspiel im Stadion und schaute sich seine Nationalspieler Nikola Vasilj (St. Pauli) und Dennis Hadzikadunic (HSV) an. Vasilj macht Barbarez nun zur neuen Nummer eins, auch Hadzikadunic soll beim Umbruch der bosnischen Nationalmannschaft eine wichtige Rolle spielen. „Ich glaube, der kann noch mehr. Er ist noch nicht hundertprozentig angekommen beim HSV. Man braucht hier Zeit, um Fuß zu fassen.“

Barbarez würde sich freuen, wenn Hadzikadunic noch ein weiteres Jahr vom russischen Erstligisten FK Rostow ausgeliehen wird. „Das Drumherum beim HSV ist wie Bundesliga. Da kann man er viel Erfahrung sammeln.“

Barbarez hofft aber vor allem, dass der HSV so schnell wie möglich wieder in der Bundesliga spielt, wenn er in den kommenden Jahren als Nationaltrainer im Volksparkstadion zu Besuch ist. Damit er dort wieder Spiele wie 2001 gegen Bayern München erleben kann.

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