Hamburg. Der langjährige Manager der Nationalmannschaft wird als möglicher Nachfolger von Jonas Boldt beim HSV gehandelt. Was an dem Gerücht dran ist.
Am Dienstag hatte Oliver Bierhoff einen Termin in Hamburg. Der ehemalige Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft saß vor Tausenden Zuschauern auf der Red Stage des Digitalfestivals Online Marketing Rockstars (OMR) und sprach über sein neues Leben als Unternehmer. „Fußball, Football, Finanzen: Wie gelingt das Golden Goal im Sportbusiness?“, lautete das Thema, zu dem der Sportbusiness-Experte Philipp Klotz den Finaltorschützen des bislang letzten deutschen EM-Titels 1996 befragte. „Es ist beeindruckend, was hier in dieser kleinen Stadt gerade passiert“, sagte Bierhoff gleich zu Beginn des Gesprächs über das große Event.
Der 56-Jährige müsste aus seiner Zeit als Spieler beim HSV von 1988 bis 1990 eigentlich wissen, dass man Hamburg durchaus als Großstadt bezeichnen darf. Auch später besuchte Bierhoff immer wieder die Hansestadt, da er mit dem früheren Aufsichtsratsvorsitzenden des HSV, Udo Bandow, ein freundschaftliches Verhältnis pflegte. Zudem gab es beim HSV auch mehrfach die Idee, Bierhoff als Manager in den Volkspark zu holen.
Bierhoff als Boldt-Nachfolger? Das ist dran
Nun berichtet die „Sportbild“, dass Bierhoff ein Kandidat sei für die Nachfolge von Jonas Boldt als Sportvorstand beim HSV. Es habe bereits einen Austausch gegeben, schreibt das Magazin. Nach Abendblatt-Informationen hat der Aufsichtsrat tatsächlich über Bierhoff nachgedacht. Mehr aber auch nicht. Der frühere Stürmer, der nach seiner Karriere 18 Jahre beim Deutschen Fußball-Bund arbeitete und sich mit dem DFB nach der WM 2022 in Katar auf eine Vertragsauflösung geeinigt hatte, ist im Volkspark kein konkreter Kandidat.
Dass Bierhoff aktuell ohnehin andere Pläne hat, wurde am Dienstag bei seinen Aussagen auf der OMR-Bühne deutlich. Derzeit ist er als Berater für das NFL-Franchise New England Patriots tätig, hat zudem kürzlich das Unternehmen Finvia Sports mitgegründet. Dabei geht es um Investitionen in den Sport. „Es geht nicht nur um Sportler. Wir wollen auch Investitionen in den Sport ermöglichen“, sagte Bierhoff und verwies auf die „unglaubliche Wachstumsphase“ der Franchise-Clubs in den USA.
Bierhoff vermisst Offenheit für Investorenmodelle
Aber auch in Europa gehe es immer mehr um Investorenmodelle. „40 Prozent der italienischen Erstligisten sind in amerikanischer Hand“, sagte Bierhoff und kritisierte den Zustand im deutschen Fußball. „Deutschland verschließt sich leider mit 50+1“, sagte Bierhoff und erklärte, was gut und schlecht laufe. „Wir haben eine sehr gute Infrastruktur im deutschen Fußball mit den Stadien und den Leistungszentren. Was schlecht läuft, ist die Verschlossenheit gegenüber neuen Wegen. Tradition ist ein Wert, den wir pflegen müssen. Aber wenn wir nur an Tradition denken, werden wir nicht weiterkommen“, sagte Bierhoff.
Er vermisse „dieses mutige, progressive Denken“, dass er aus den USA kennt. „Vieles, was da passiert, ist nicht besser als hier. Aber sie erzählen es einfach geil. 50+1 führt hier dazu, dass wir eher populistische Entscheidungen tätigen, anstatt die Dinge so anzugehen, wie sie für das Geschäftsmodell wichtig wären. Im deutschen Fußball kämpft jeder gegen jeden, das ist in den USA anders.“
Bierhoff kritisiert Entwicklung im deutschen Fußball
Bierhoff bemängelt die fehlende Entwicklung bei den deutschen Clubs im Bereich Digitalisierung und Unterhaltung. „Wenn in der NFL gemerkt wird, dass die Fans gelangweilt sind durch bestimmte Regeln, dann werden die Regeln verändert“, erzählte Bierhoff und fragte: „Wieso gibt es hier noch keine großen Screens in den Stadien? Warum öffnet sich der Fußball nicht für Live-Übertragungen von bestimmten Szenen in den Stadien?“
Klingt also nicht so, als ob Bierhoff nach 18 Jahren beim DFB gerade Lust hätte, einen deutschen Traditionsverein zu übernehmen. Dass ihn der HSV grundsätzlich reize, hat er aber immer betont. „Der HSV ist ein einzigartiger Traditionsverein, dem ich natürlich wünsche, dass er bald wieder erstklassig wird“, sagte er vor zwei Jahren im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“.
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Dabei bestätigte Bierhoff das mehrfache Interesse des HSV. „Es gab im Laufe der Jahre einige Anfragen, und wenn einer der Topvereine Deutschlands dabei ist, ist es verständlich und legitim, dass man darüber nachdenkt“, sagte Bierhoff. Aktuell hat er aber andere Pläne. Und das wissen auch die Entscheider beim HSV.