Hamburg. Der Abwehrchef spricht über das Saisonfinale mit dem HSV, Steffen Baumgarts zweite Seite und ein Probetraining beim FC Bayern.

Sebastian Schonlau ist ein paar Minuten spät dran. Der Kapitän des HSV lässt sich am Mittwoch nach dem Hauptbelastungstag noch von den Physios behandeln, ehe er zum Interview-Termin mit dem Abendblatt erscheint. Rechtzeitig zum Saisonfinale ist der 29-Jährige körperlich wieder in richtig guter Verfassung, nachdem er in dieser Saison sowohl die Winter- als auch die Sommervorbereitung wegen einer Wadenverletzung verpasste. Nun geht es für Schonlau mit dem HSV in die Crunchtime. Ein Gespräch über Nervenspiele, Emotionen und Psychologie.

Herr Schonlau, wie oft schreiben Sie sich zur Zeit mit Ihrem Kumpel Hauke Wahl vom FC St. Pauli?

Sebastian Schonlau: Wir stehen im regelmäßigen Kontakt, sehen uns auch häufig zum Kaffee oder Essen. Gerade gestern haben wir uns wieder getroffen.

Haben Sie ihm schon zum Aufstieg in die Bundesliga gratuliert?

Nein, besser nicht, sonst würde er mir vermutlich rechts und links eine Watschn verteilen (lacht). Natürlich wissen wir beide, dass es für ihn und St. Pauli sehr gut aussieht. Aber wir haben alle schon verrückte Dinge im Fußball erlebt. Mit Kiel war er vor drei Jahren zur Halbzeit auch schon aufgestiegen und am Ende haben sie es nicht geschafft.

Glauben Sie, dass St. Pauli oder Kiel noch einmal nervös werden?

Das weiß ich nicht und wir sollten auch nicht so viel über Kiel und St. Pauli nachdenken. Was die Konstanz angeht, haben uns beide in dieser Saison etwas voraus. Diese Konstanz hatten wir, mit Ausnahme des Starts, bisher leider noch nicht.

Die Saison geht in die Crunchtime. Ist diese Phase vor allem Kopfsache?

Natürlich spielt der Kopf jetzt eine wichtige Rolle. Das ist aber auch die spannende Phase, auf die du die gesamte Saison wartest. Ich bin froh, dass es jetzt in die Crunchtime geht, in der die Entscheidungen fallen.

Mögen Sie diese Nervenspiele?

Ich mag es, wenn es spannend wird und es etwas mehr kribbelt als vorher. Ich bin aber kein Adrenalin-Junkie. Wenn wir auf dem Dom sind, werden Sie mich nicht in den schnellen und hohen Fahrgeschäften finden, sondern eher beim Kamelrennen, bei den Basketballkörben oder an den Imbissbuden (schmunzelt).

Sie strahlen grundsätzlich Gelassenheit aus. In welchen Momenten können Sie mal die Nerven verlieren?

In der Kabine kann ich schon mal emotionaler werden. Da gibt es schon mal einen Ausbruch. Sowohl nach Siegen als auch nach Niederlagen. Ich versuche aber für mich immer eine Balance zu finden, da vor allem beim HSV vieles schwarz-weiß bewertet wird. Da ist es wichtig, die Mitte zu finden, sonst wird es anstrengend.

Was würde Ihre Freundin antworten?

Die würde das bestätigen. Wahrscheinlich wünscht sie sich manchmal etwas mehr Emotionen und Enthusiasmus. Das nehme ich mir dann auch vor (lacht).

Was haben Sie sich früher vor wichtigen Prüfungen beruhigt, zum Beispiel beim Abitur in der Schule?

Ich habe mein Abitur in Deutsch, Englisch, Pädagogik und Biologie geschrieben. Da war ich in der Regel gut vorbereitet und hatte keine Prüfungsangst. Bei Chemie und Physik sah das etwas anders aus, das war nicht meine Welt. Aber nervös? Da erinnere ich mich eher an ein anders Ereignis.

Schonlau durfte beim FC Bayern München trainieren

Welches?

Es gab in meiner Jugend diesen Real-Cup. Da durfte ich mal als bester Spieler des Turniers zu einem Probetraining zum FC Bayern München an der Säbener Straße. Inklusive Heimspielkarten für die Allianz-Arena. Das war für mich als kleiner Warburger das Größte. Wir sind da mit meiner ganzen Familie hingefahren. Da war ich wirklich nervös und bin wie Falschgeld herumgelaufen.

Was machen Sie abseits Ihres Fernstudiums noch persönlich für Ihren Kopf?

Ich arbeite seit sechs Jahren mit einem Mentaltrainer zusammen. Das ist eine Bezugsperson, der ich vertraue und mit der ich sehr offen reden kann. Ich habe gemerkt, dass mir das gut tut, weil ich auch niemand bin, der mit seinen Gefühlen hausieren geht. Zuhause höre ich auch gerne mal einen Podcast zu verschiedenen Themen. Zuletzt gerade von dem Harvard-Professor Arthur C. Brooks, da geht es um Leadership und Happiness. Den kann ich empfehlen.

Beim HSV werden Sie in dieser Saison von der Sportpsychologin Chiara Behrens de Luna begleitet. Wie kann Sie der Mannschaft in dieser Phase helfen?

Wir sind sehr froh, dass sie dabei ist. Sie führt Einzelgespräche oder auch mal in der größeren Gruppe. Das wird aber jetzt nicht mehr, nur weil es jetzt in die Crunchtime geht. Wir arbeiten ohnehin schon das ganze Jahr mit ihr auf diese Zeit hin.

Schonlau und Baumgart stiegen zusammen in die Bundesliga auf

Sie sind persönlich ein Crunchtime-Experte. Vor fünf Jahren sind Sie in Paderborn zusammen mit Steffen Baumgart in die Bundesliga aufgestiegen. Nach der Hinrunde lagen Sie zwölf Punkte hinter dem HSV. Dann kam eine Superserie.

Das stimmt. Zunächst standen wir in der Rückrunde aber an einem Tiefpunkt nach einer Niederlage gegen Aue. Bis auf Steffen hatten wir nie die große Überzeugung, dass wir es überhaupt noch schaffen können. Plötzlich sind wir in einen Flow geraten und haben gemerkt, dass wir es wirklich schaffen können. Spätestens am 33. Spieltag nach dem 4:1 gegen den HSV.

An welche Motivationstricks von Baumgart erinnern Sie sich?

Er hat uns früh klargemacht, dass er absolut von diesem Ziel überzeugt ist und hat das auch eindrucksvoll untermauert. Dazu kam eine sehr gute Teamdynamik, die durch Steffens positive und aktive Art ins Rollen kam. Es hat einfach gepasst.

Nach außen wirkt Steffen Baumgart immer ziemlich grimmig. Wie ist er hinter verschlossener Tür?

Er kann richtig witzig sein und lacht viel. Obwohl er aus Rostock kommt, hat er diese Berliner Schnauze. Er drückt einem gerne mal einen Spruch. Da mussten sich die Jungs auch erst einmal dran gewöhnen. Er beherrscht es, einen ernsten Teil oft mit einem Lacher abzuschließen. Manchmal findet aber auch nur er die Sprüche lustig (lacht).

Warum tut sich Ihre Mannschaft mit einer Serie in dieser Saison so schwer?

Es ist schwer, den einen Grund auszumachen. Man muss die Spiele einzeln betrachten. Es ist aber ein Thema, das uns brutal fuchst. In der Hinrunde gab es viele Wechsel durch Verletzungen. Klar ist, dass wir einen Flow brauchen und ich finde da sind wir gemessen an den letzten drei Spielen auf einem guten Weg.

Vor zwei Jahren waren Sie im Flow mit fünf Siegen in den letzten fünf Spielen. Was war der Schlüssel? Der Kabinenschwur nach dem Kiel-Spiel, oder ihre Kopfballtore?

Wahrscheinlich waren die es (lacht). Aber Spaß beiseite. Natürlich sind es oft die Momente, wenn vieles gegen dich läuft, in denen du dann befreiter aufspielen kannst. Wir haben uns vor zwei Jahren gesagt, dass uns eh nichts mehr passieren kann und wir einfach unser Ding machen. Das hat funktioniert.

Schonlau brauchte lange, um die Relegation zu verarbeiten

Wie lange hat es gedauert, die zweite verlorene Relegation gegen Stuttgart im Kopf zu verarbeiten?

Bei mir persönlich hat es länger gedauert, wie man an meiner Verletzung auch gemerkt hat. Die Pause war einfach zu kurz. Mir hat die Zeit nicht gereicht. Das Erlebnis von Sandhausen war fast noch schwieriger zu verarbeiten als die Relegation gegen Stuttgart. Das brauche ich nicht noch mal.

Wäre das erneute Erreichen der Relegation für Sie in dieser Saison ein Erfolg?

Stand jetzt – Ja. Natürlich haben wir uns vor der Saison ein anderes Ziel gesetzt. Aktuell ist Platz drei aber realistischer zu erreichen. Wenn wir das schaffen, ist es ein Erfolg – denn du hast es dann wieder in der eigenen Hand. Dann geht es darum, die zwei Negativerlebnisse der beiden Relegationen abzuschütteln und vom Kopf her mit einer positiven Grundhaltung in diese Spiele zu gehen. Aber vorher sind noch sechs Spiele zu spielen, in die wir alles reinwerfen wollen und dann schauen wir, wo wir am Ende stehen.

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    Das ist leider korrekt. Gegen Osnabrück hatte ich eine Riesenchance, über die ich mich immer noch ärgere. Gegen Kaiserslautern kamen die Standards von Laci (Laszlo Benes, d. Red.) richtig gut. Er wird ja auch in Magdeburg wieder die Standards schießen und ich werde mich bemühen, diese zu veredeln (schmunzelt).