Hamburg. HSV-Torwart Raab steht vor einem emotionalen Duell gegen seinen Ex-Club Kaiserslautern. Gerry Ehrmann erinnert sich.

Der Moment, wenn die Spieler am Sonnabend ins Volksparkstadion einlaufen, dürfte emotional werden für Matheo Raab. Der Torwart trifft mit dem HSV auf seinen Ex-Club 1. FC Kaiserslautern. Es ist der Verein, bei dem seine Karriere erst Fahrt aufnahm, dann fast geendet wäre und ihn schließlich zum HSV brachte.

Seit knapp zwei Monaten ist Raab nun die neue Nummer eins der Hamburger. Weil Ex-Trainer Tim Walter unzufrieden mit den Leistungen des bisherigen Stammtorwarts Daniel Heuer Fernandes war, wurde Raab befördert. Weder Interimstrainer Merlin Polzin noch der aktuelle Coach Steffen Baumgart sahen einen Anlass, an dieser Entscheidung etwas zu verändern.

Gegen Kaiserslautern wird Raab daher bereits zum achten Mal in Folge zwischen den Pfosten stehen. Viele fragen sich: Hat hier bereits eine dauerhafte Wachablösung im Tor stattgefunden?

HSV-Torwart Raab: Lob von Gerry Ehrmann

„Von der Psyche her traue ich ihm zu, die Nummer eins zu bleiben“, sagt Gerry Ehrmann, der Raab in Kaiserslautern ausgebildet hatte, im Gespräch mit dem Abendblatt. „Matheo hat es selbst in der Hand. Ich habe meinen Torhütern immer mitgegeben, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Diese Siegermentalität trägt er in sich.“

Ehrmann ist so etwas wie der Torhüterpapst im deutschen Fußball. Er hatte Tim Wiese unter seinen Fittichen, Roman Weidenfeller, Kevin Trapp, Julian Pollersbeck. Und natürlich hat er auch einen großen Anteil an der Karriere von HSV-Keeper Raab. Ehrmann entdeckte den damals 18 Jahre alten Raab im Nachwuchs von Regionalliga-Absteiger Eintracht Trier. „Ich holte ihn nach Kaiserslautern, weil ich ihm zutraute, höherklassig zu spielen.“

Als Ehrmann Raabs Karriere rettete

Raab war vorerst für die in der Oberliga spielende zweite Mannschaft der Pfälzer vorgesehen, um sich zu entwickeln. Doch nach gerade einmal fünf Partien zog er sich einen komplexen Schienbeinbruch zu, der beinahe sein Karriereende bedeutet hätte. Ehrmann erinnert sich, dass es sich um einen offenen Bruch gehandelt und es später Komplikation bei der Durchblutung gegeben habe.

Ein Jahr lang konnte Raab keinen Fußball spielen. Als er zurückkam, war sein Stammplatz verloren und die Clubverantwortlichen planten nicht mehr mit ihm. Raab sollte eigentlich keinen Vertrag mehr bekommen.

„Dann habe ich mich aber erfolgreich für ihn eingesetzt und er durfte bleiben“, schildert Ehrmann, der heute als Torwarttrainer in der Jugend des 1. FC Kaiserslautern tätig ist. „Es war im Nachhinein die richtige Entscheidung für beide Seiten. Matheo hat sich immer gequält, eine vorbildliche Einstellung zum Beruf gezeigt und sich nach seiner schweren Verletzung zurückgekämpft.“

Gerry Ehrmann war langjähriger Torwarttrainer der Profis des 1. FC Kaiserslautern. Einen Tag die Woche schaute er sich das Training der Nachwuchstorhüter an, zu denen einst auch Matheo Raab zählte.
Gerry Ehrmann war langjähriger Torwarttrainer der Profis des 1. FC Kaiserslautern. Einen Tag die Woche schaute er sich das Training der Nachwuchstorhüter an, zu denen einst auch Matheo Raab zählte. © Imago / Jan Huebner

Ehrmann fiebert noch heute mit Raab mit

2020 debütierte Raab bei den Profis, die er in der Saison 2021/22 als Stammkeeper zum Aufstieg in die Zweite Liga führte. Als bester Torwart der Dritten Liga hatte er sich längst auch in das Notizbuch der HSV-Scouts pariert. Weil sein Vertrag in Kaiserslautern auslief, wechselte Raab ablösefrei nach Hamburg, wo er sich erneut auf die Bank setzen musste.

„Ich hätte ihm geraten, in Kaiserslautern zu bleiben. Dort wäre er die Nummer eins geblieben“, sagt Ehrmann, nach dessen Rat sich allerdings damals nicht erkundigt wurde. „Matheo hat sich für die schwierigere Herausforderung beim HSV entschieden. Ein Torwart wächst mit seinen Aufgaben. Jetzt muss er sich auch dauerhaft durchsetzen.“

Und genau das traut Ehrmann seinem ehemaligen Schützling auch zu. Auch wenn der Kontakt der beiden im Laufe der Jahre abgebrochen sei, verfolgt der 65-Jährige noch heute den Werdegang Raabs. Zumal er „einen kleinen Anteil am positiven Verlauf seiner Karriere“ habe. „Ich leide heute noch mit, wenn meine ehemaligen Torhüter einen Fehler machen.“

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Ein solcher Fehler unterlaufe Raab wenn überhaupt in der Strafraumbeherrschung. Der gebürtige Hesse hat seine Stärken bei Reflexen, auf der Torlinie und in Eins-gegen-eins-Duellen. Beim Verlassen seines Gehäuses hat er dagegen noch Entwicklungspotenzial. „Er kann sich in der Entschlossenheit im Herauskommen und in puncto Durchsetzungsvermögen noch verbessern“, sagt Ehrmann. „Das Problem haben aber viele Torhüter.“

Die Ursache liege darin, dass in der täglichen Arbeit weniger auf die Grundelemente des Torwartspiels geachtet werde. „Mittlerweile wird der Schwerpunkt häufig auf fußballerische Fähigkeiten gelegt, dadurch bleibt manchmal das Wesentliche auf der Strecke“, moniert Ehrmann. „Die Priorität sollte sein, Tore zu verhindern. Das kann Matheo sehr gut.“

Einen weiteren Beleg, wie gut er Tore verhindern kann, soll Raab am Sonnabend im Volkspark liefert. Ehrmann wird genau hinsehen, er hat mitbekommen, dass der HSV die Partie gewinnen muss, um im Aufstiegsrennen zu bleiben. So ein kleines bisschen wird er Raab deshalb die Daumen drücken, auch wenn es gegen seinen 1. FC Kaiserslautern geht. „Der Aufstieg wäre ein Karrieresprung, den ich Matheo gönnen würde“, sagt Ehrmann.