Hamburg. Der Sechser bestreitet in Düsseldorf sein 100. Pflichtspiel für die Hamburger. Im Abendblatt spricht er über einschneidende Momente.

Ausschlafen konnten die HSV-Profis am Donnerstag nicht. Der eigentlich für den späten Nachmittag geplante Flug nach Düsseldorf war dem Streik des Sicherheitspersonals zum Opfer gefallen, sodass Trainer Steffen Baumgart die ursprünglich für 13 Uhr geplante Abschlusseinheit auf 10 Uhr vorverlegte. Am Mittag brachen die Hamburger dann ganz klassisch im Mannschaftsbus in Richtung Rheinland auf, wo sie an diesem Freitag (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) bei der Fortuna antreten werden.

Ein ganz besonderes Spiel wird es für Jonas Meffert. Nicht, weil er als gebürtiger Kölner dem Gegner eine natürliche Abneigung entgegenbringen würde, sondern weil der Sechser sein 100. Pflichtspiel für den HSV bestreiten wird. „Eigentlich bedeuten mir solche Zahlen nicht so viel. In diesem Fall ist es aber wirklich etwas Besonderes, für diesen riesigen Verein 100 Pflichtspiele zu machen. Da bin ich wirklich stolz drauf“, sagt Meffert, als er für sein Jubiläumsinterview mit dem Abendblatt zusammensitzt.

HSV News: Meffert hätte auch in Kiel verlängert – es gab aber kein Angebot

Rückblick: Am 14. Juni 2021 wechselte der zentrale Mittelfeldspieler von Holstein Kiel in den Volkspark. Wenige Wochen zuvor hatte er mit Holstein in der Relegation gegen den 1. FC Köln den Bundesligaaufstieg verpasst, wie bereits 2015 mit dem Karlsruher SC („Tomorrow my friend.“). „Wenn Kiel mir zwischen Dezember und April ein Angebot gemacht hätte, hätte ich sofort verlängert. Dass der HSV an mir Interesse hat, habe ich erst nach der Relegation erfahren“, erinnert sich Meffert.

Der HSV hatte kurz zuvor wieder einmal den Aufstieg in die Bundesliga verspielt, auf der Trainerposition übernahm Tim Walter den Job von Daniel Thioune. Walter, der Meffert bereits in Kiel trainiert und geschätzt hatte, leitete einen Umbruch ein. Neben Miro Muheim, der am selben Tag wie Meffert den Medizincheck absolvierte, unterschrieben auch Robert Glatzel, Ludovit Reis und Mario Vuskovic in jenem Sommer.

Meffert hat Ex-Trainer Walter viel zu verdanken

„Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich den Medizincheck absolviert habe und dann beim Volksparkstadion vorgefahren bin. Als ich auf dieses riesige Stadion geschaut habe, war das überwältigend. Hier ist alles ein, zwei Nummern größer als bei anderen Vereinen. Das habe ich sofort gespürt“, sagt Meffert, der als Stammspieler sofort gesetzt war. „Ich habe Tim Walter beim HSV sehr viel zu verdanken. Abgesehen vom Sportlichen war sein größter Verdienst, wie er diese Einheit zwischen Mannschaft und Fans geschaffen hat. Bis zum Hannover-Spiel gab es eigentlich nie Pfiffe, obwohl die Fans ehrlicherweise schon vorher die eine oder andere Gelegenheit dazu gehabt hätten.“

Im DFB-Pokal schaffte es der HSV in Mefferts erster Saison bis ins Halbfinale, war bei der 1:3-Heimniederlage gegen den SC Freiburg dann aber chancenlos. „Das war natürlich ein trauriger Abend, weil es mit dem frühen Rückstand so schnell schon vorbei war“, erinnert sich Meffert. „Der Höhepunkt der ersten Saison war für uns das Relegationshinspiel in Berlin. Nach dem Abpfiff hatten wir alle das Gefühl, dass wir aufsteigen werden. Auch wenn die Niederlage im Rückspiel bitter war, hatte es vielleicht doch etwas Gutes für uns, weil wir dadurch noch enger zusammengewachsen sind.“

Meffert spricht emotional über die Vuskovic-Sperre

Ohnehin vermittelt der 29-Jährige den Eindruck, mit vier verlorenen Relegationen – auch im vergangenen Frühjahr hatte es gegen den VfB Stuttgart bekanntermaßen nicht gereicht – seinen Frieden gefunden zu haben. „Natürlich ist es bitter, so oft in der Relegation zu scheitern und ich hätte mir einen anderen Ausgang gewünscht. Ich bin aber auch froh, dass ich diese Spiele mit Karlsruhe, Kiel und dem HSV erleben durfte. Die Spannung vor dem Anpfiff ist immer krass – es ist einfach eine besondere Konstellation“, sagt Meffert, für den alles Negative auch Positives mitbringe. Schicksal nun mal. Mit Ausnahme eines einschneidenden Ereignisses.

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Am 10. November 2022 durchsuchten Dopingermittler nach einem positiven Epo-Test den Kabinenspind und die Wohnung von Mitspieler Vuskovic. Seitdem ist der Kroate gesperrt. „Die Sperre von Mario ist das Traurigste, was ich in meiner Karriere bisher erlebt habe. Ich hoffe einfach, dass er schnellstmöglich wieder spielen kann“, sagt Meffert, der fest an die Unschuld seines Freundes glaubt. „Ich glaube, wenn Mario gespielt hätte, wären wir in der vergangenen Saison aufgestiegen.“ Wenn der 29-Jährige über Vuskovic spricht, stockt seine Stimme, es ist ein emotionales Thema für ihn.

Vuskovic baute Meffert nach der Osnabrück-Niederlage wieder auf

Erst vor ein paar Tagen war der Innenverteidiger wieder in Hamburg zu Besuch, verfolgte unter anderem die 1:2-Niederlage gegen den VfL Osnabrück im Stadion. „Mario ist fast jede Woche in Hamburg, wir treffen uns sehr häufig. Wenn wir reden, versuchen wir eher, über andere Themen als seine Sperre zu sprechen“, sagt Meffert. „Ich habe das Gefühl, dass er mich manchmal mehr aufbaut als ich ihn. Nach der Niederlage gegen Osnabrück hat er zu mir gesagt, dass wir weitermachen und den Kopf hochnehmen sollen.“ In diesen Momenten sei es ihm fast peinlich, die aufmunternden Worte anzunehmen. Schließlich sei es doch der 22-Jährige, der eigentlich von ihm Unterstützung benötige.

Besonders in Erinnerung geblieben sind Meffert, der einen Vertrag bis Sommer 2025 hat, auch die Stadtderbys gegen den FC St. Pauli. „Was ein Derby bedeutet, habe ich erst hier in Hamburg gelernt. Das 4:3 hier zu Hause werde ich niemals vergessen, die Feier mit den Fans im Stadion und danach auf der Reeperbahn war unglaublich“, sagt der Wahl-Ottensener. Mit dem Ex-Kiezkicker Leart Paqarada ist Meffert gut befreundet, vor und nach den Derbys trafen sich die früheren Leverkusener Teamkollegen oft zusammen im Café.

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Als sich der HSV vor rund zweineinhalb Wochen von Walter trennte („Als Spieler fühlt man sich bei einer Trainerentlassung immer mitschuldig.“) und Steffen Baumgart verpflichtete, erhielt Meffert unzählige Nachrichten von Kölner Freunden und Verwandten: „Mir hat halb Köln zum neuen Trainer gratuliert. Selbst die beste Freundin meiner Mutter, die nur ab und zu Fußball guckt, hat mir eine Nachricht geschrieben: ‚Oh wie geil, ihr kriegt den Baumgart. Ich freue mich für euch‘“, berichtet Meffert und lacht. „Es haben sich taktisch Dinge verändert“, sagt er. Um alles perfekt zu beherrschen, benötige das Team logischerweise noch Zeit.

8849 Pflichtspielminuten hat Meffert bisher für den HSV absolviert, in Düsseldorf dürften weitere 90 hinzukommen. 149 Stunden wären es dann insgesamt – die paar Stunden im Mannschaftsbus waren dagegen ja nur ein Wimpernschlag.