Sotogrande. HSV-Coach hat einige Änderungen vorgenommen. Oder doch nicht? Warum Walter mit einer neuen Trainerdebatte rechnet.
Wer genau hinsieht, dem fällt im Trainingslager des HSV ein gelegentlich humpelnder Gang bei Tim Walter auf. Der 48-Jährige plagt sich mit Meniskusproblemen herum, weshalb er am Montag beim Padel-Tennis nicht aktiv teilnehmen konnte. Bevor der Coach zur alternativen Einheit aufbrach, nahm er sich Zeit, um über die um seine Person entstandene Trainerdebatte sowie seine Pläne für die Rückrunde zu sprechen, in der das große Ziel nun endlich erreicht werden soll. Der Aufstieg in die Bundesliga.
„Ich bin mir sicher, dass wir am Ende der Saison die Nase vorn haben werden“, machte Tim Walter eine klare Ansage, an der er sich fortan messen lassen muss.
HSV-Trainer Tim Walter vom Aufstieg überzeugt
Schon in der vergangenen Saison hatte der HSV-Trainer mehrfach die Rückkehr ins Fußballoberhaus angekündigt, seinen Worten allerdings keine Taten folgen lassen. Und trotzdem versprüht Walter, für den das Glas eher halb voll als halb leer ist, nahezu bedingungslosen Optimismus, dass in dieser Saison alles anders sein werde.
Seine Begründung? „Weil wir schon so viele Dinge richtig gut machen und die Jungs gewillt sind, die Dinge noch besser zu machen“, sagt der Coach. „Wir müssen daran arbeiten, die individuellen Fehler einzugrenzen, aber das wird uns nie komplett gelingen. Fehler sind menschlich, sie passieren einfach.“
Ganz so einfach hatte die sportliche Führung um Vorstand Jonas Boldt und Profifußballdirektor Claus Costa die auf einem unbefriedigenden dritten Platz abgeschlossene Hinrunde allerdings nicht abgehakt. Kurz vor Weihnachten gab es eine intensive Analyse im Volkspark, in der Walter Anpassungen seines bisweilen zu risikofreudigen Spielstils sowie seiner täglichen Arbeit nahegelegt wurden.
Walters neue Maßnahmen beim HSV
Boldt und Costa sehen im Trainingslager genau hin, inwiefern der Trainer auch bereit ist, die Verbesserungsvorschläge anzunehmen. Und tatsächlich sind bereits kleinere neue Maßnahmen zu beobachten. Walter separiert häufig Abwehr- und Offensivspieler, um eine individuellere Trainingsarbeit zu ermöglichen. Zudem lobt der Coach seine Spieler auffallend häufig und tritt insgesamt mit einer motivierenderen Ansprache auf. Diese Änderungen soll auch Boldt bereits positiv zur Kenntnis genommen haben.
Das einzige Kuriose an der Geschichte: Laut Walter sei überhaupt nichts neu. Beziehungsweise kaum etwas. „Ich werde mich nicht verändern, bloß weil alle sagen, wir müssten etwas verändern. Wir machen viele Dinge gut und müssen das Rad nicht neu erfinden“, sagt er und gibt das Motto für die Rückrunde vor: „Wir wollen die Dinge noch besser machen.“
Eine aus psychologischer Sicht wertvolle Einordnung, die aber im Kern das Gleiche bedeutet, auch wenn die Wortwahl eine andere ist. Konkret verbessern soll Walter die defensive Stabilität sowie die Effizienz nach eigenen Kontern und Ecken (nur ein Tor in 100 Versuchen). Denn bei den sogenannten expected goals, einem Indikator für die Chancenqualität, stellt der HSV (1,96 pro Spiel) den Bestwert vor dem Stadtrivalen FC St. Pauli (1,8). In der Chancenverwertung ist der HSV dagegen nur Zehnter.
„Wir haben nicht die Effizienz, um unsere individuellen Fehler in der Defensive auszugleichen“, klagt Walter, der sich mehr Zielstrebigkeit erhofft. „Wir wollen zum Abschluss bringen, was wir uns seit zweieinhalb Jahren vornehmen.“
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HSV: Tim Walter rechnet mit neuer Trainerdebatte
Wie der HSV in der Rückrunde defensiv stabiler agieren und nach einer Ecke treffen kann, war bei den beiden Testspielen am Sonntag gegen den Champions-League-Achtelfinalisten PSV Eindhoven (2:2 und 0:0) zu sehen. Weil das in der Hinrunde gerade auswärts häufig anders aussah, war im Dezember eine öffentlich geführte Trainerdebatte entstanden.
In dieser Phase habe Walter aber „immer das Vertrauen“ seiner Vorgesetzten gespürt. Auch Angst um seinen Job habe er nie gehabt. Und dennoch sei es für ihn „ganz normal“, dass das Thema wieder aufkommen werde, sobald der Erfolg ausbleiben sollte.
„Wenn hier keine Debatte aufkäme, wäre ich nicht in Hamburg, sondern woanders – zum Beispiel in Kiel oder Paderborn, ohne das despektierlich zu meinen. In Hamburg weht der Wind etwas rauer. Darum bin ich aber auch froh und stolz, Trainer des HSV zu sein“, sagt Walter, den nur eine Sache noch stolzer machen würde: der Aufstieg.