Hamburg. Der HSV reist am Donnerstag für zehn Tage nach Andalusien. Dort geht es auch um die Zukunft des Trainers.
Vor ziemlich genau einem Jahr standen sich Tim Walter und Steffen Baumgart an der Seitenlinie gegenüber. Vier Tage vor dem Abflug ins Trainingslager nach Sotogrande in Südspanien verlor der HSV in einem Testspiel beim Bundesligisten 1. FC Köln mit 0:4. Baumgarts Kölner deckten die Schwächen des HSV schonungslos auf. Dass der 51-Jährige, der mit dem FC in jener Saison noch in der europäischen Conference League spielte, nicht einmal ein Jahr später wieder auf dem Trainermarkt ist, hätte zu diesem Zeitpunkt wohl niemand prognostiziert.
Für Walter geht es unterdessen am Donnerstag wieder nach Sotogrande. Der HSV-Coach sitzt fest an Bord, wenn die Mannschaft um 6.30 Uhr mit Eurowings-Flug 7536 in Richtung Malaga abhebt. Als Trainer dagegen sitzt der 48-Jährige nicht mehr so fest im Sattel wie noch vor einem Jahr, als er vor dem Abflug nach Spanien seinen Vertrag bis 2024 verlängerte.
Zwölf Monate später wird Walter von einem Schatten nach Sotogrande begleitet: Ein Schatten namens Baumgart. Weil HSV-Sportvorstand Jonas Boldt seinen Trainer vor der Winterpause öffentlich schwächte, indem er „verschiedene Einzelmaßnahmen und konkrete Veränderungen“ einforderte, und Baumgart gleichzeitig mit einer schnellen Rückkehr auf die Trainerbank liebäugelt, werden Walter die Spekulationen über eine mögliche Ablösung im Laufe der Rückrunde nicht loslassen. Zumal Baumgart seit Kindesbeinen HSV-Fan ist und sich ein Traineramt bei seinem Lieblingsclub dem Vernehmen nach gut vorstellen könne.
Jonas Boldt saß schon einmal mit Steffen Baumgart zusammen
Genährt werden die Spekulationen durch die Tatsache, dass Boldt schon einmal mit Baumgart zusammensaß, um über einen Wechsel zum HSV zu sprechen. Nach Abendblatt-Informationen gab es 2021 ein Treffen zwischen Boldt und Baumgart. Die Hamburger hatten gerade Daniel Thioune freigestellt und waren auf der Suche nach einem neuen Trainer für die neue Saison. Baumgart, zu diesem Zeitpunkt noch beim SC Paderborn angestellt, stand aber bereits beim 1. FC Köln im Wort. Trotzdem traf er sich auch noch mit dem HSV. Dabei soll Baumgart kein Geheimnis daraus gemacht haben, dass er sich das Amt beim HSV gut vorstellen könne.
Ob es im Laufe der Rückrunde tatsächlich zu einem erneuten Treffen zwischen Boldt und Baumgart kommt, liegt alleine an Walter, der 2021 anstelle von Baumgart nach Hamburg kam. Holt der HSV-Trainer die nötigen Punkte und zeigt erkennbare Veränderungen, bleibt Baumgart für ihn nur ein Schatten. Misslingt den Hamburgern der Rückrundenstart, wird das Thema schnell wieder konkret werden.
Jatta und Katterbach beobachten Trainerdiskussion beim HSV
Wie es mit dem Trainer beim HSV weitergeht, wird auch Bakery Jatta interessiert verfolgen. Der Flügelstürmer wird sich über fehlendes Vertrauen von Walter sicher nicht beklagen. Wohl aber über das neue Angebot zur Vertragsverlängerung, das der HSV seinem Management kurz vor dem Jahreswechsel vorgelegt hat. Demnach könnte der Gambier einen neuen Kontrakt zu minimal verbesserten Bezügen unterschreiben. Doch das neue Vertragsangebot ist der Jatta-Seite nicht gut genug. Angesichts der Tatsache, dass der Flügelstürmer seit Jahren Stammspieler ist und sich bislang unter jedem Trainer und gegen jeden Konkurrenten auf seiner Position durchgesetzt hat, vermissen Jatta und sein Manager die Wertschätzung.
Boldt, der in den vergangenen Tagen durch Südafrika reiste, wird sich bis zum Rückrundenauftakt beim FC Schalke 04 am 20. Januar noch einmal mit Jattas Berater Efe Aktas zusammensetzen und über eine Lösung verhandeln. Sollten sich beide Parteien nicht auf eine Fortsetzung der seit 2016 andauernden Zusammenarbeit einigen, könnte Jatta Gespräche mit anderen Clubs aufnehmen. Am liebsten will er aber beim HSV bleiben.
Einfluss auf Jattas Zukunftsentscheidung könnte aber auch Steffen Baumgart nehmen. Der HSV-Profi soll in der Vergangenheit gegenüber Vertrauten gesagt haben, dass er gerne einmal unter Baumgart spielen und trainieren würde. Aber auch gegen eine gemeinsame Zukunft mit Tim Walter hätte Jatta sicher nichts einzuwenden. 86 Pflichtspiele (13 Tore/16 Vorlagen) hat der 25-Jährige bereits unter dem aktuellen HSV-Trainer bestritten. Auch auf Schalke wird Jatta wieder starten.
Baumgart will Ende Januar wieder arbeiten
Steffen Baumgart wird sich dieses Spiel mit Sicherheit im Fernsehen anschauen. Nach seinem Rücktritt beim 1. FC Köln kurz vor Weihnachten will der Trainer noch ein wenig durchatmen. Aber eben nicht zu lange. „Ich setze mir kein Limit für eine Auszeit. Erst mal muss ich alles sacken lassen. Ich denke, Ende Januar könnte ich mir vorstellen, wieder für etwas Neues bereit zu sein. Ich bin auf Dauer kein Typ, der nur noch zu Hause sitzt“, sagte Baumgart vor Kurzem der „Bild“.
Wie es mit Baumgart und dem HSV weitergeht, wird sich auch Noah Katterbach genau anschauen. Der Kölner Linksverteidiger, der vor einem Jahr als Neuzugang nach Sotogrande ins HSV-Trainingslager reiste, spielte zuletzt unter Baumgart keine Rolle und hätte sich daher einen erneuten Wechsel zum HSV gut vorstellen können. Das dürfte sich ändern, sollte Baumgart beim HSV wieder ein Thema werden.
- Schonlau, Reis, Transfers: Die offenen Fragen zum Neustart
- HSV reist mit zehn Spielern aus dem Nachwuchs nach Spanien
- Tim Walters To-do-Liste für den ersehnten Aufstieg
Viele Konjunktive also rund um die Hamburger und die Trainerfrage. Fakt ist: Tim Walter ist der aktuelle Chefcoach und soll das im Optimalfall auch weiterhin bleiben. Ob der Fußballlehrer nach zweieinhalb Jahren noch die richtigen Antworten findet, wird sich in den kommenden zehn Tagen in Spanien zeigen. Und spätestens dann am 20. Januar, wenn der HSV auf Schalke in das neue Jahr startet.