Hamburg. Bei der Hauptversammlung löst die Versicherer den bisherigen Gesellschafter ab. Ex-Vorstand denkt an Rückkehr.
Als sich die Anteilseigner des HSV Anfang Februar das bislang letzte Mal im VIP-Bereich der Westtribüne im Volksparkstadion zur Hauptversammlung trafen, krachte es gewaltig. Streitpunkt zwischen Aktionären, Präsidium und Aufsichtsrat war die Besetzung des Kontrollgremiums. Zehn Monate später kommt es am Mittwoch um 9 Uhr am selben Ort zur Neuauflage.
Dann geht es auch um die sportliche Situation und die Zukunft von Trainer Tim Walter. Am Dienstag wurde kolportiert, dass sich neben Teilen des Aufsichtsrats auch Gesellschafter Klaus-Michael Kühne eine Ablösung Walters wünscht. Nach Abendblatt-Informationen ist diese Meldung nicht zutreffend. Sie zeigt aber deutlich, wie verschiedene Lager erneut versuchen, Stimmung und Politik zu machen.
HanseMerkur wird drittgrößter Gesellschafter
Ob es am Mittwoch wieder hoch hergeht, ist noch offen. Klar ist bislang nur, dass ein Kapitel endet, das für den HSV vielversprechend begonnen hatte. Auf der Sitzung werden die Gesellschafter den Übertrag der Anteile von Thomas Wüstefeld an die HanseMerkur genehmigen. Die Versicherungsgruppe übernimmt nicht nur die 5,07 Prozent, die Wüstefeld mit seiner CaLeJo GmbH vor zwei Jahren für 14 Millionen Euro von Kühne gekauft hatte, sondern auch die weiteren 1,7 Prozent, die Wüstefeld zuletzt noch durch eine Vereinbarung im Vertrag mit der Kühne Holding kaufen musste.
Während die HanseMerkur am Mittwoch mit dann 6,77 Prozent Anteilen nach dem HSV e.V. (75,1) und der Kühne Holding (13,51) zum drittgrößten Gesellschafter der HSV Fußball AG aufsteigt, ist die Ära Wüstefeld im Volkspark endgültig vorbei. Der 54-Jährige war im Oktober 2021 beim HSV mit großen Hoffnungen als Gesellschafter eingestiegen. Kühne war mit dem Teilverkauf seiner Anteile seinem Wunsch nähergekommen, die Kapitalbasis auf breitere Beine zu stellen.
Aufstieg und Sturz des Thomas Wüstefeld
Wüstefeld, der erstmals in der Corona-Pandemie durch seine mobile Teststation im Brotboxformat auf sich aufmerksam gemacht und unter anderem das Heimspiel gegen die Würzburger Kickers im Oktober 2020 gerettet hatte, erlebte beim HSV einen rasanten Aufstieg. Nach dem Einstieg als Investor überzeugte er zunächst den Beirat, um in den Aufsichtsrat einzuziehen. Im Kontrollgremium schaffte er es, innerhalb von zwei Monaten die Räte mehrheitlich davon zu überzeugen, dass er nicht nur der richtige Vorsitzende für das Gremium sei, sondern auch der optimale Nachfolger für Frank Wettstein im operativ tätigen Vorstand.
Es folgte das wohl turbulenteste Jahr in der jüngeren Clubgeschichte des HSV. Wüstefeld verkrachte sich schnell mit seinem Vorstandskollegen Jonas Boldt, legte sich mit Kühne an, forderte intern seinen Aufstieg zum CEO und stolperte schließlich im Oktober 2022 über die Affäre um seine Titel als Doktor und Professor.
Obwohl er vom aktuellen Vorstand im Volkspark zur unerwünschten Person erklärt wurde, nachdem er dem HSV nachträglich die Nutzung seiner Corona-Tests in Rechnung gestellt hatte, sitzt er nun wieder regelmäßig im Volksparkstadion.
Gegen Wüstefeld läuft noch ein Gerichtsverfahren
Doch auch vor Gericht musste Wüstefeld zuletzt Platz nehmen. Aktuell läuft vor dem Hamburger Landgericht noch ein Zivilverfahren der Bioexsen GmbH gegen Wüstefelds CaLeJo GmbH, in dem es um acht Millionen Euro geht. Der ehemalige HSV-Vorstand hatte vor der Urteilsverkündung vor zwei Wochen allerdings einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt, sodass sich die Urteilsverkündung weiter verzögert. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg weiterhin gegen Wüstefeld wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs.
Bei all diesen Verfahren und Vorwürfen dürften die Verantwortlichen beim HSV daher drei Kreuze machen, dass das Kapitel Wüstefeld beim HSV nun endgültig ein Ende findet. Der Unternehmer selbst spricht allerdings nur von einem „vorläufigen Ende“, wie er dem Abendblatt sagte. Wüstefeld will sich eine mögliche Rückkehr offen lassen, nach einer Rechtsformänderung und einer veränderten Vorstandskonstellation künftig noch einmal als Investor einzusteigen. „Wir werden die sportliche und gesellschaftsrechtliche Entwicklung des HSV weiterhin beobachten“, kündigt Wüstefeld an.
HanseMerkur bereits jahrelanger HSV-Partner
Vorerst aber endet die Zeit des umstrittenen Unternehmers. Mit der HanseMerkur als Partner beginnt dagegen eine neue Zeitrechnung. Die Versicherungsgruppe hat bereits ihre eigene Geschichte beim HSV geschrieben. 2018 stieg das Unternehmen als Exklusivpartner ein. Seit 2022 ist die HanseMerkur Hauptsponsor sowohl bei den Profis als auch den HSV-Frauen und im Nachwuchs.
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„Als Hamburger Traditionsversicherer haben wir in den vergangenen Jahren unsere Beziehung mit dem HSV aus einer großen Überzeugung heraus kontinuierlich intensiviert“, sagte Vorstand Eric Bussert dem Abendblatt. „Mit der Beteiligung an der HSV Fußball AG soll das bisherige Engagement ausgebaut und der HSV in seiner weiteren Entwicklung unterstützt werden – aus Hamburg und für Hamburg.“