Hamburg. Der polnische Profi kam im vergangenen Sommer vom französischen Vizemeister RC Lens zum HSV. Wie er die ersten Monate erlebte.

Lukasz Poreba ist in vielen Bereichen frühreif. Vor mehr als fünf Jahren debütierte der heute 23 Jahre alte HSV-Profi schon in der polnischen Ekstraklasa, in der vergangenen Saison machte er beim französischen Vizemeister RC Lens Auslandserfahrungen bei einem Topclub – und seine langjährige Partnerin Kinga ist seit vergangenem Juli nicht mehr seine Freundin, sondern seine Verlobte.

Nur in einem Punkt – für Poreba ein äußerst wichtiger – ist er noch auf Hilfe angewiesen. „Pierogi, das sind polnische Teigtaschen. Das Gericht kann ich leider nicht selbst kochen, dafür brauche ich meine Oma“, sagt der defensive Mittelfeldspieler und lacht, als er nach dem Vormittagstraining in den Katakomben des Volksparkstadions zum Gespräch mit dem Abendblatt erscheint.

HSV News: Poreba wuchs in der Nähe zur deutschen Grenze auf

Poreba ist ein ruhiger Typ, ein Familienmensch. Bis zum Sommer 2022 verbrachte er sein gesamtes Leben in Niederschlesien, einer ländlichen Region im Osten Polens, rund eine Autostunde von der deutschen Grenze entfernt. Geboren wurde er in der Kleinstadt Legnica, mit elf Jahren zog die Familie ins rund 25 Kilometer entfernte Lubin. Rund 71.000 Einwohner, eineinhalb Autostunden vom nächsten internationalen Flughafen in Breslau entfernt, bekannt als Industriestandort und für seinen Fußballclub Zaglebie Lubin.

„Die Akademie in Lubin ist eine der besten in ganz Polen. Die Plätze sind hervorragend, das Stadion ist direkt nebenan“, sagt Poreba. Sein Vater, ein Bergarbeiter, hatte in der Nähe einen Job gefunden, sodass der Umzug nach Lubin perfekt zu seiner fußballerischen Entwicklung passte. Poreba durchlief sämtliche Jugendmannschaften des Vereins, wurde polnischer Junioren-Nationalspieler, debütierte früh in der Ersten Liga. „Das war eine aufregende Zeit, weil ich erst 18 Jahre alt war. Ich war schon als Kind immer Fan von dem Verein, bin ganz in der Nähe aufgewachsen“, erinnert sich Poreba.

In Lubin wurde als mit 18 Jahren Profi

Schon damals gab es Parallelen zum HSV, Diskrepanzen zwischen Erwartung und Realität sind Poreba nicht neu. „Als ich in Lubin gespielt habe, waren wir immer im Tabellenmittelfeld. Die Erwartungen der Fans sind aber deutlich höher, weil sie sich noch an den Meistertitel im Jahr 2007 erinnern. Auch in Hamburg habe ich direkt gemerkt, dass die Erwartungen hoch sind. Die vielen Fans hier motivieren mich aber enorm“, sagt er.

Nach vier Jahren als Profi in Polen war Poreba an einem Punkt angelangt, die Heimat verlassen zu müssen, um Größeres zu erreichen. Er träumt davon, irgendwann in der polnischen A-Nationalmannschaft zu spielen, ohne Auslandserfahrung ist das insbesondere auf einer exponierten Position wie im zentralen Mittelfeld kaum möglich. „Ich wollte zu einem Club mit einer höheren Qualität wechseln. Am Ende habe ich mir einen Verein ausgesucht, in dem die Qualität nicht nur ein bisschen, sondern sehr viel höher war. Der Schritt war groß für mich, das habe ich gleich im ersten Training gemerkt“, erinnert er sich.

Der Schritt nach Lens war eine Herausforderung

Beim RC Lens, wieder eine Kleinstadt (32.000 Einwohner), wollte Poreba den nächsten Schritt gehen. Erst 2020 war der frühere Erfolgsclub, der zeitweise zu einer Fahrstuhlmannschaft verkommen war, wieder in die französische Ligue 1 aufgestiegen, in den folgenden zwei Jahren jeweils Siebter geworden. „Der erste Monat in Lens war schwierig für mich, im Training ging alles so viel schneller als ich es gewohnt war. Geholfen hat mir, dass meine Freundin mit mir dort war. Außerdem gab es zwei polnische Spieler im Team, mit denen ich reden konnte“, berichtet Poreba.

Abgesehen von drei Spielen zu Saisonbeginn, als er den verletzten Kapitän Seko Fofana vertreten durfte, sowie ein paar Kurzeinsätzen, saß er nur auf der Bank. „Die Saison in Lens war gut für mich, obwohl ich kein Stammspieler war. Ich habe viel gelernt und mir von anderen Spielern abgeschaut“, sagt Poreba, dessen Anteil an der Vizemeisterschaft und Champions-League-Qualifikation in der vergangenen Saison überschaubar war. Der Kader war einfach eine Nummer zu groß für ihn, Kapitän Fofana wechselte nach der Saison für 25 Millionen Euro zu Al-Nassr und Cristiano Ronaldo nach Saudi-Arabien, Stürmer Lois Openda ging für 38,5 Millionen Euro zu RB Leipzig.

Der HSV wollte zuerst Elfadli als Meffert-Ersatz

„Während der vergangenen Saison habe ich noch nicht darüber nachgedacht, mich verleihen zu lassen. Im Sommer habe ich mich dann beim ersten Training der Vorbereitung verletzt. In dieser Zeit hatte ich ein Gespräch mit dem Trainer, der mir zu einer Leihe geraten hat, weil ich als junger Spieler Spielzeit brauche“, erzählt er. Nachdem sich beim HSV der Transfer von Magdeburgs Daniel Elfadli zerschlagen hatte, klopften die Hamburger knapp eine Woche vor Ende der Transferperiode bei Poreba an. „Der HSV ist ein großer Verein. Nach den Gesprächen mit Sportdirektor Claus Costa und Trainer Tim Walter war für mich schnell klar, dass ich herkommen werde“, sagt er.

podcast-image

Am 30. August unterschrieb Poreba den Leihvertrag beim HSV, am 31. August zog er sich bei seiner ersten Trainingseinheit einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu. Wie schon knapp zwei Monate zuvor in Lens musste er erneut wochenlang pausieren. „Das war sehr schwierig für mich zu akzeptieren. Ich war neu hier, hatte aber keine Chance, mich im Training zu beweisen oder in das Team zu integrieren. Das war eine der schwierigsten Phasen in meiner Karriere, ich habe viel mit meiner Freundin und meinen Eltern gesprochen“, sagt der 23-Jährige, der erst am 31. Oktober im DFB-Pokalspiel bei Arminia Bielefeld sein Pflichtspieldebüt feierte und zuletzt gegen Magdeburg und Holstein Kiel auch in der Liga eingewechselt wurde. „Mittlerweile fühle ich mich hier richtig angekommen, ich kann endlich auch in den Spielen zeigen, was ich kann.“

Poreba hofft auf mehr Spielzeit beim HSV

Poreba ist in Hamburg, um zu spielen. Auch Trainer Walter weiß das, machte zuletzt aber mehrfach deutlich, dass er den Polen in erster Linie als Ersatz für Jonas Meffert sieht. „Ich konzentriere mich nur auf meine Leistungen und glaube, dass ich meine Qualität mittlerweile zeigen konnte. Gegen Magdeburg und Kiel hat man gesehen, dass ich auch gemeinsam mit Meffo auf dem Platz stehen kann“, sagt Poreba. Auch weil noch nicht absehbar ist, wie sportlich wertvoll er noch in dieser Saison für den HSV werden kann, ist die Zukunft völlig offen. „Lukasz ist ein Arbeiter, der sich voll in die Mannschaft einbringt. Er ist ein Teamplayer, was wichtig ist, weil wir nur als Kollektiv funktionieren“, sagt Walter. In Lens hat Poreba einen langfristigen Vertrag bis Sommer 2027, mit einer Kaufoption in Höhe von 1,5 Millionen Euro befindet sich aber auch der HSV in einer komfortablen Situation.

Mehr zum Thema

Am Freitag (18.30 Uhr/Sky) gegen Eintracht Braunschweig ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Poreba zunächst wieder auf der Bank Platz nehmen muss. Weil Spielmacher Immanuel Pherai derzeit aber in einem Leistungsloch steckt, könnte Walter auch überlegen, Poreba und Meffert zu bringen – auch, um dem Mittelfeld mehr Stabilität zu verleihen. „Ich bin keine Nummer zehn, sondern eher ein Achter oder Sechser. Ich habe eine gute Passqualität und ein taktisches Verständnis. Ich würde mich als zuverlässigen Spieler bezeichnen, ich setze das um, was der Trainer sehen will und mache keine verrückten Sachen“, sagt Poreba, ehe er sich zum Mittagessen verabschiedet. Das Essen der HSV-Köche soll zwar lecker sein, Pierogi gab es aber wohl eher nicht.