Hamburg. Im Volkspark entsteht eine Klinik, die an Ausstattung und digitalem Komfort seinesgleichen sucht. UKE-Athleticum wird abgerissen.
Für einen Moment musste Götz Welsch einmal kräftig durchatmen und den Anblick genießen. Der Mannschaftsarzt des HSV war bei einem Rundgang durch die Baustelle des neuen Athleticums im Volkspark gerade im dritten Stock angekommen, dem „Herzstück“, wie er diesen Bereich nennt.
Welschs Augen leuchten, als er durch die Fensterfront auf das nur wenige Meter entfernte Volksparkstadion blickt. Wenn das neue medizinische Zentrum im zweiten Quartal 2024 planmäßig fertiggestellt ist, wird die komplette dritte Etage aus einem riesigen Sportraum bestehen.
HSV: Athleticum mit 35-Meter-Laufbahn
Auf einem sogenannten Speed-Court, in dem für Reha-Patienten zu erreichende Bodenplatten aufleuchten, können kognitive Übungen absolviert werden, um die Belastbarkeit durch schnelle Richtungswechsel zu überprüfen.
Direkt um die Ecke werden einmal Sportgeräte wie ein Basketballkorb platziert, ehe eines von zwei absoluten Highlights folgt. Eine 35 Meter lange Laufbahn, die nach draußen führt. 25 Meter der Strecke sind überdacht, die restlichen zehn Meter liegen auf der Dachterrasse, die mit einer für das Reha-Training nach Bein-, Knie- oder Fußverletzungen relevanten Sandkiste sowie einem Sportreck für Fitnessübungen weitere Trainingsmöglichkeiten bietet.
Athleticum: 60.000 Patienten jährlich
Allein diese Beispiele untermauern, wie modern das primär für die Allgemeinheit, aber natürlich auch für die HSV-Profis und -Nachwuchsspieler angedachte Athleticum einmal wird.
Künftig sollen hier täglich 250 Patienten von Montag bis Freitag behandelt werden – vorzugsweise privat oder bei der gesetzlichen Techniker Krankenkasse (TK) versichert, die einen Kooperationsvertrag mit dem Athleticum abgeschlossen hat. Jährlich wird ein Volumen von 60.000 Patienten anvisiert, also etwas mehr als die Anzahl der Zuschauer bei einem ausverkauften Heimspiel des HSV im Volksparkstadion (57.000).
HSV-Profis bekommen einzigartiges Becken
Die Spieler des Zweitligisten, die für Untersuchungen momentan nach Eppendorf fahren müssen, können in Zukunft auch am Wochenende in dem Neubau auf dem Parkplatz Gelb behandelt werden. Mit dem sogenannten Swim-Ex-Becken im Erdgeschoss wartet auf die Fußballprofis das zweite Highlight, das die Regenerationszeit nach Verletzungen verkürzen kann.
Dabei handelt es sich um ein innovatives Bewegungsbecken, das dank seiner Gegenstromanlage und seinem Unterwasserlaufband in Deutschland „einzigartig“ sei, wie Welsch betont. Die Idee stammt aus den USA, wo bereits viele Profivereine damit arbeiten. Vergleichbare Modelle gebe es außerhalb der Vereinigten Staaten nur in England, Österreich und der Schweiz. Für die Zulassung in Deutschland musste die Strömungsgeschwindigkeit für das Aqua-Training angepasst werden.
„Dank der geringeren Schwerkraft können Verletzte im Wasser früher mit dem Reha-Training beginnen“, erklärt Welsch, der mit Julia Schmidt die ärztliche Leitung des Athleticums übernehmen wird. Direkt neben dem momentan noch mit Baustaub gefüllten Becken wird die Radiologie einziehen. Hier können CT- und MRT-Untersuchungen durchgeführt werden. Letztere mit einer hochmodernen Magnetfeldstärke „3 Tesla“, ein „High-End-System“, wie Geschäftsführer Michael Stiefvater von Philips schwärmt.
Athleticum im UKE wird abgerissen
Der Gesundheitstechnologie-Hersteller hält 25,1 Prozent der Gesellschafteranteile am Athleticum. Das UKE ist mit 49 Prozent beteiligt, der HSV mit zehn Prozent. Philips stellt die technischen Geräte, das UKE die 70 medizinischen Fachangestellten und CTP.BIZ zieht mit einem Sanitätshaus in die neue Klinik ein, die dem HSV kurze Wege zur medizinischen Behandlung bereiten wird.
Eigentümer ist ein Zusammenschluss (Joint Venture) der Unternehmen Property Team AG und Haspa PeB, die für die Baukosten von rund 15 Millionen Euro aufkommen. Der HSV und das UKE sind als Mieter nicht an dieser Summe beteiligt. „Wir sind hoffnungsvoll, noch vor der Fußball-EM (14. Juni bis 14. Juli 2024) zu eröffnen“, sagt Stiefvater.
Wenn es so weit ist, werde das Athleticum im UKE geschlossen und später auch abgerissen. Zurzeit arbeiten dort 50 Ärzte, Physiotherapeuten und Sportwissenschaftler, die allesamt übernommen werden. In dem Neubau, in dem nicht operiert wird, werden die Wege der einzelnen Fachbereiche, zu denen sogar eine Augenabteilung gehört, noch kürzer. „Diese Zusammenarbeit ist einzigartig in Deutschland“, freut sich Welsch. In fünf Einzelzimmern besteht zudem die Möglichkeit, Patienten stationär aufzunehmen.
Athleticum plant App für Patienten
Und noch etwas wird den Komfort auf ein neues Level heben. Alle Besucher erhalten zunächst eine digitale Patientenakte, die Ende 2024 oder im Jahr 2025 durch eine App ersetzt werden soll. Mithilfe eines Programms sollen die Daten auch an den Hausarzt übertragbar sein. Ein immenser Vorteil für die Patienten, die fortan ihre Befunde und Untersuchungsberichte jederzeit aufrufen können. Zudem werde ein Avatar generiert, wie Stiefvater erklärt, um die Patienten für ihre Folgebehandlungen zu visualisieren.
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HSV setzt im Athleticum auf Prävention
Der Fokus im neuen Zentrum für Sport-, Bewegungs- und Präventionsmedizin liegt im präventiven Erkennen von Krankheiten, Problemen oder Verletzungen, um die Ausfallzeit geringer zu halten und die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen. Ein Unterschied zum UKE, in dem in erster Linie kranke Patienten behandelt werden. Für Angestellte des Athleticums sind ein großer Aufenthaltsbereich, eine Terrasse und Duschen geplant.
„Wir wollen motivierte Mitarbeiter, die sich hier wohlfühlen“, sagt HSV-Mannschaftsarzt Welsch. Deshalb sollen auch mögliche Gewinne, die anteilig unter den Gesellschaftern aufgeteilt würden, in Personal investiert werden, um dem Fachkräftemangel an Medizinern zu trotzen.
Welsch arbeitet in Zukunft nur noch ein- bis zweimal die Woche im UKE, weil sein primärer Arbeitsbereich ins Athleticum verlegt wird. Seine Augen werden dann noch häufiger leuchten.