Hamburg. Der Niederländer steht nach seiner erneuten Schulterverletzung vor der Frage, ob er sich einer Operation unterzieht.
Tim Walter legte eine Vollbremsung hin, als er am Sonntagvormittag mit seinem Mountainbike freihändig fahrend an der Seite seiner joggenden Mannschaft vom Waldlauf im Volkspark zurückkehrte. Der HSV-Trainer stieg vor dem Campus vom Rad und schaute anschließend für einige Minuten beim Spiel der U17 gegen den Chemnitzer FC zu, während seine bestens gelaunten Spieler am Tag nach dem 2:0 (2:0)-Sieg gegen Greuther Fürth regenerieren durften.
Nur einer hatte alles andere als gute Laune: Ludovit Reis. Der Niederländer konnte am Sonnabend nicht mehr bremsen, als er von Damian Michalski an der Seitenlinie im Laufduell gefoult wurde und in die Fürther Ersatzbank stürzte. Dabei landete Reis so unglücklich, dass er sich die linke Schulter auskugelte. Schon wieder. Bereits vor drei Monaten war ihm das im Testspiel bei den Glasgow Rangers passiert. Wie in Glasgow mussten ihm die Mediziner des HSV die Schulter einrenken. Wie in Glasgow spielte Reis zunächst mit Schmerzen weiter. Doch wie in Glasgow ging es für ihn nicht mehr weiter.
Am Montag soll die Schulter von Reis im Athleticum des UKE noch einmal genauer untersucht werden. Danach wird der 23-Jährige aller Voraussicht nach gemeinsam mit den Ärzten eine Entscheidung treffen müssen. Lässt er die Schulter erneut konservativ behandeln und geht das Risiko ein, dass sie beim nächsten Sturz erneut herausspringt? Oder lässt er sich operieren mit der Hoffnung, dass sich das Problem dauerhaft beheben lässt?
Reis muss Entscheidung über Operation treffen
Von dieser Entscheidung wird auch die Ausfallzeit des Vizekapitäns abhängen. Eine Operation könnte eine mehrmonatige Pause bedeuten. Eine Garantie, dass ihm die Verletzung danach nicht wieder passieren wird, hätte er dann trotzdem nicht. Das wissen die HSV-Mediziner noch von Jeremy Dudziak. Schon in seiner Zeit beim FC St. Pauli kugelte dieser sich seine Schulter auch nach einer OP noch zehnmal aus. Eine erneute Operation machte es nicht viel besser. In seiner Zeit beim HSV passierte Dudziak das Missgeschick erneut mehrfach.
Der Reis-Schock war nicht die einzige schlechte Nachricht. Auch Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt verletzte sich schon in der Anfangsphase. Der Belgier musste mit Verdacht auf Muskelfaserriss im Oberschenkel schon nach zehn Minuten raus. Auch er dürfte in den kommenden drei Spielen in Kaiserslautern, Bielefeld (DFB-Pokal) und gegen den FC Magdeburg fehlen. „Es ist heute sehr negativ, dass wir zwei wichtige Spieler verloren haben. Bei beiden hat das nicht gut ausgesehen“, sagte 1:0-Vorbereiter Laszlo Benes. Und 1:0-Verwerter Jonas Meffert meinte: „Die Verletzungen trüben die Freude über den Sieg. Nach dem Spiel war direkt klar, dass wir zwei wichtige Leute für unbestimmte Zeit verloren haben.“
HSV profitiert vom breiten Kader
Dass der HSV am Ende trotz der Ausfälle seinen fünften Heimsieg im fünften Spiel feiern konnte, lag auch daran, dass die Hamburger den in der Breite wohl besten Kader der Zweiten Liga haben. Für Van der Brempt übernahm Moritz Heyer rechts hinten und war rechts vorne mit dem vorletzten Pass direkt am 2:0 durch Robert Glatzel beteiligt.
Den letzten Pass gab der für Reis eingewechselte Immanuel Pherai, der in allen anderen Zweitligateams ein Unterschiedsspieler sein könnte. Hinter seinem Landsmann Reis und dem gegen Fürth erneut überragenden Benes kam der Zehner zuletzt aber nur zu Jokereinsätzen. Nun kann er sich in Abwesenheit von Reis unverzichtbar machen. Auch wenn Pherai sagte: „So will man eigentlich nicht reinkommen.“
Hadzikadunic und Ramos harmonieren immer besser
Gegen Fürth half neben dem breiten Kader auch die Heimstärke. Mittlerweile ist der HSV zu Hause in Punktspielen seit einem Jahr unbesiegt. Das gab es zuletzt vor 27 Jahren. „Es wie im Kolosseum, hier einzulaufen und zu spielen“, sagte Verteidiger Dennis Hadzikadunic, der im Abwehrzentrum mit Guilherme Ramos immer besser harmoniert. „Die Verbindung zu Gui wird jede Woche besser“, sagte der Bosnier, der gegen Fürth im Schatten seines starken Nebenmanns stand. „Die Energie von Gui bringt eine große Überzeugung in die Mannschaft“, sagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der die Zweikampfbereitschaft des Portugiesen lobte.
Dabei war es vor allem der Halbportugiese Heuer Fernandes, der dafür sorgte, dass am Ende weniger über die mangelhafte Chancenverwertung in der zweiten Halbzeit gesprochen wurde, sondern über die Punkte 18, 19 und 20, mit denen der HSV nun punktgleich hinter dem FC St. Pauli an der Spitze steht. Der Torhüter hielt einen Elfmeter gegen Branimir Hrgota (72.) in einer Phase, in der das Spiel auch hätte kippen können. Kurz vorher hatte der unglückliche Jean-Luc Dompé das sichere 3:0 liegen lassen (68.).
HSV präsentierte sich als willensstarkes Team
„Wenn wir die Konter besser ausspielen, hätten wir heute fünf bis sieben Tore mehr machen können“, sagte Meffert und hatte nicht unrecht. Doch Jatta, Dompé und Glatzel trafen bei den zahlreichen Möglichkeiten immer wieder falsche Entscheidungen. So konnte sich der HSV am Ende bei Heuer Fernandes bedanken.
Fürths Trainer Alexander Zorniger fragte folgerichtig in der Pressekonferenz, ob Meffert auch gesagt habe, wie viele Tore Fürth hätte schießen können? Zu zwei Toren hätten die Großchancen von Simon Asta (45.+4), Hrgota (72.) oder Michalski (75.) durchaus sorgen können. Am Ende war es aber ein verdienter Sieg für den HSV, der zwischenzeitlich richtig schön kombinierte und als Team willensstark verteidigte. „Es ist schön, wieder bei meiner Hamburg-Familie zu sein. Hier zu Hause zu gewinnen, ist das schönste Gefühl“, sagte Hadzikadunic.
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Nun geht es darum, auch auswärts so aufzutreten wie im Volkspark. Zum Beispiel am kommenden Sonnabend beim 1. FC Kaiserslautern, wo der HSV im April wichtige Punkte verlor. Die wichtigste Erkenntnis des Wochenendes vor dem Spiel auf dem Betzenberg ist daher passend: Der HSV hat noch viel Luft nach oben.