Hamburg. HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes spricht über den Vertragspoker, seine Zukunftspläne und das Sandhausen-Drama.
Am Dienstagvormittag musste Daniel Heuer Fernandes mal wieder auf seine Kollegen warten. So wie jede Woche vor dem ersten Training. Bevor im Volksparkstadion die wöchentliche Analysebesprechung der HSV-Torhüter ansteht, gibt es immer eine Runde Espresso für alle. Einzig Heuer Fernandes verzichtet auf die Tasse, wenn Torwarttrainer Sven Höh seine Siebträgermaschine in der Kabine bedient.
„Da halte ich mich raus. Ich trinke lieber Kaffee mit viel Milch“, sagt der Deutsch-Portugiese, dem sogar der im Hamburger Schanzenviertel beliebte Galão zu stark ist.
Heuer Fernandes hält sich ohnehin lieber auf der Ostseite der Außenalster auf und trinkt dort an freien Tagen gerne seinen Cappuccino. Daher hatte er es am Dienstagmorgen auch nicht weit, als er mit seinem Smart beim Abendblatt vorfuhr, um in der 178. Folge des Podcasts HSV – wir müssen reden über sein Leben in Hamburg und seine Zukunft im Volkspark zu sprechen.
HSV: Hohes Standing für Heuer Fernandes
„Hamburg ist eine Stadt, in der man sich sehr wohlfühlen kann. Natürlich kann das eine Option sein, noch lange hier zu bleiben und vielleicht auch nach der Karriere“, sagt Heuer Fernandes, der im Volkspark der erste HSV-Torhüter seit vielen Jahren werden könnte, der seinen Vertrag ein zweites Mal verlängert.
Der 30-Jährige spielt beim HSV bereits seine fünfte Saison und hat gute Chancen, eine neue Hamburgensie zu werden. Es ist eine erstaunliche Geschichte, nachdem Heuer Fernandes in seinem ersten Jahr unter Trainer Dieter Hecking nicht unumstritten war und anschließend unter Daniel Thioune eine Saison nur auf der Bank saß. Durch seine vergangenen beiden Spielzeiten unter Tim Walter, in denen er von den HSV-Fans jeweils zum Spieler der Saison gewählt wurde, hat der Torwart aktuell ein so hohes Standing wie nie.
Heuer Fernandes will zurück in die Bundesliga
Das könnte Heuer Fernandes helfen in den Vertragsverhandlungen, die bereits begonnen haben. Dabei geht es natürlich auch um finanzielle Aspekte. Vor allem aber will der Torhüter wissen, wie seine sportliche Perspektive in Hamburg aussieht. Sein großes Ziel: mit dem HSV endlich in der Bundesliga zu spielen. „Die Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt, da willst du einfach als Fußballprofi spielen“, sagt Heuer Fernandes.
Mit Darmstadt 98 hat er in der Saison 2016/17 schon mal sieben Bundesligaspiele gemacht. Doch während sein Ex-Club in der vergangenen Saison den Aufstieg schaffte, scheiterte Heuer Fernandes mit dem HSV erneut. Dabei durfte der Bochumer am letzten Spieltag für einen kurzen Moment erleben, wie sich ein Aufstieg mit dem HSV anfühlt. „Das war schon geil“, sagt Heuer Fernandes und lacht.
Heuer Fernandes gibt Emotionen preis
Dabei war es eigentlich zum Weinen, was der HSV am 28. Mai im Stadion am Hardtwald in Sandhausen erlebte. „Es war das emotionalste Spiel meiner Karriere“, sagt der Torhüter fast fünf Monate später. Rückblick: Die Hamburger hatten ihre Pflicht erfüllt und das Spiel mit 1:0 gewonnen. Weil Heidenheim beim Schlusspfiff mit 1:2 in Regensburg zurücklag, brachen in Sandhausen alle Dämme. Die HSV-Fans stürmten den Platz und sprangen den Spielern in die Arme.
„Ich war zweimal auf den Schultern der Fans“, erinnert sich Heuer Fernandes. Doch dann merkten die Spieler schnell, dass die Informationslage durch den Zusammenbruch des Netzes nicht klar war. Heidenheim hatte das 2:2 erzielt, es gab zwölf Minuten Nachspielzeit. Trotzdem gratulierte der Stadionsprecher dem HSV zum Aufstieg. Heuer Fernandes lag sich mit Ersatztorhüter Tom Mickel in den Armen. „Der Moment hat sich sehr gut angefühlt“, sagt Heuer Fernandes über den Augenblick, auf den er vier Jahre hingearbeitet hatte.
Der Augenblick dauerte allerdings nur kurz. Von der Tribüne bekamen die HSV-Spieler die bittere Nachricht: Heidenheim hat das 3:2 gemacht, das Spiel ist aus, die Schwaben sind aufgestiegen. Heuer Fernandes und Mickel verschwanden in der Kabine. Dort saßen einige andere Spieler noch am Handy und sehen dort, wie der Aufstiegstraum vor ihren Augen platzte. „Das war brutal“, sagt Heuer Fernandes. „Es war nur noch Stille in der Kabine. Totale Leere. Jeder war mit sich allein beschäftigt. In dem Moment helfen keine aufmunternden Worte, alle waren down.“
HSV-Verbleib: Wann sich Heuer Fernandes entschied
Es war ein dramatisches Erlebnis, das an die Schalker Fünf-Minuten-Meisterschaft von 2001 erinnerte. Doch der HSV hatte keine Zeit zu trauern. Vier Tage später ging es bereits im Relegationshinspiel zum VfB Stuttgart. Mental und sportlich eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Wenngleich Heuer Fernandes heute sagt: „Vom Kopf her waren wir voll da. Aber Stuttgart war ein Gegner, der uns dann an unsere Grenzen geführt hat.“ Nach einer Minute stand es 0:1, am Ende 0:3.
Trotzdem setzte der HSV im Rückspiel alles auf ein Wunder, führte früh mit 1:0. Das Volksparkstadion war so laut wie seit dem 4:4 gegen Juventus Turin nicht mehr. Doch es reichte nicht. Heuer Fernandes patzte vor dem 1:2. Nach dem 1:3 war alles vorbei.
Es war schon Nacht, als der Torwart mit seiner Familie zu Hause am Tisch saß. „Dann kam schon der Stolz auf das, was wir erreicht haben.“ Und mit ein paar Tagen Abstand auch wieder das Gefühl, es noch ein weiteres Mal mit dem HSV zu versuchen. „Diese Emotionen willst du wieder erleben. Du willst es schaffen. Mit dem HSV in der Bundesliga zu spielen, wäre etwas Großes.“
Heuer Fernandes überrascht von Pokal-Entscheidung
Nach dem 1:1 in Wiesbaden herrscht im Volkspark aktuell aber wieder etwas Ernüchterung. Der HSV steht nach neun Spieltagen auf Aufstiegsplatz zwei, aber zwei Punkte hinter dem FC St. Pauli. Ein Tabellenbild, das Heuer Fernandes am Saisonende nicht sehen will, auch wenn es den Aufstieg bedeuten würde. „Weil wir einfach ganz oben stehen wollen. Und das wollen wir auch in jedem Spiel zeigen.“
Zuletzt gelang das mit vier Punkten aus vier Spielen, darunter drei Aufsteiger, nicht. Auch der zuverlässige Heuer Fernandes sah in Wiesbaden beim 0:1 nicht gut aus („Ich muss zusehen, dass ich den Ball festmache“).
An seinem Standing beim HSV ändert das aber nichts. Unter Torwarttrainer Sven Höh hat der HSV-Keeper eine weitere Entwicklung erlebt. Dass er im DFB-Pokal in dieser Saison nicht zum Einsatz kommt, sondern Ersatztorwart Matheo Raab, habe ihn „überrascht“. Aber: „Wer Matheo kennt, weiß ja, dass er mich voll unterstützt, und deswegen werde ich das genauso für ihn machen.“
- Neues Doping-Gutachten entlastet HSV-Profi Vuskovic
- Boldt verteidigt HSV-Taktik: „Wir spielen schon ganz anders“
- Horst Hrubesch: DFB übernimmt weite Teile seines HSV-Gehalts
Heuer Fernandes will beim HSV verlängern
Viel wichtiger ist Heuer Fernandes ohnehin der Aufstieg. Mit der Vertragsverlängerung wird er allerdings nicht so lange warten können, auch wenn es keine Deadline gebe. „Einen Zeitpunkt brauche ich nicht und will ich nicht. Natürlich ist man in Gesprächen und wünscht sich, dass man zusammenkommt. Man wird sehen, ob das dann passt.“
Dass Heuer Fernandes gerne verlängern würde, deutet er an. „Wir wissen, was wir aneinander haben. Das ist eine gute Basis.“ Auch ohne den gemeinsamen Espresso vor dem Training.