Elversberg. „Es hat mit Fußball nichts zu tun“: HSV-Vorstand Boldt regt Veränderungen an. Der DFB reagiert entschlossen und gesprächsbereit.

Die Stimmung hätte viel unterschiedlicher kaum sein können. Während die SV Elversberg ihren sensationellen 2:1-Heimsieg gegen den HSV ausgelassen feierte und die Schlager „Lotusblume“ von Tobee sowie „Oh Baby“ von Mia Julia aus der Kabine hallten, war Jonas Boldt überhaupt nicht nach Partymusik zumute.

Der HSV-Vorstand haderte sowohl mit der Leistung seiner Mannschaft, die erst in der Schlussphase ihr ganzes Potenzial abrief, als auch mit der des Schiedsrichters Patrick Schwengers. Der 28 Jahre alte Unparteiische lag bei vielen seiner Entscheidungen an diesem Sonnabend daneben und wurde mehrfach vom Videoschiedsrichter (VAR) überstimmt – nicht immer zur Freude des HSV.

HSV-Vorstand Boldt kritisiert Schiedsrichter

Vor allem das zurückgenommene Tor von Jean-Luc Dompé (18.) erhitzte die Gemüter der Gäste, da der VAR bei der Entstehung des Tores ein vermeintliches Foul von HSV-Profi Ludovit Reis im Mittelfeld an Sickinger gesehen hatte. Ein leichter Kontakt am Schienbein des Elversbergers, der ausreichte, um Schwengers zu überstimmen.

„Es hat mit Fußball nichts zu tun, wenn man nur noch mit der Lupe etwas sucht“, ärgerte sich Boldt, der etwas Grundsätzliches in der Ausbildung der Schiedsrichter ansprach. „Ich habe das Gefühl, wir bilden nur noch aus, wie wir Szenen im Standbild bewerten und nicht, wie eine Spielleitung funktioniert.“

Schwengers sei „ein junger Schiedsrichter, der Unterstützung bei so etwas bekommen muss. Er macht es ja auch nicht absichtlich. Ich hoffe, er bekommt die Unterstützung, und ich fordere diese auch ein. Manchmal habe ich dabei allerdings meine Bedenken“, sagte Boldt, dem in Elversberg „die Linie und das Verständnis für ein Fußballspiel gefehlt“ habe.

DFB widerspricht HSV-Boss Boldt

Es waren harte Worte, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Tag darauf auf Anfrage inhaltlich widerlegte. „Natürlich bilden wir beim DFB nicht nur anhand von Standbildern aus. Unsere Ausbildung hat sich in Form von Coaching professionalisiert. Wir achten dabei auf das Gesamtbild, um eine gute Spielleitung zu fördern“, sagte der Mediensprecher der DFB-Schiedsrichter, Alexander Feuerherdt, dem Abendblatt.

Ohnehin sei die Entscheidung des VAR korrekt gewesen. „Standbilder sind eine schwierige Angelegenheit, weil sie die Dynamik nicht wiedergeben. Der Kontakt von Ludovit Reis am Schienbein hat aber ausgereicht, um das Tor zurückzunehmen, weil daraus der Ballverlust des Elversbergers resultiert.“

Das sahen die HSV-Verantwortlichen anders. Auch Tim Walter kritisierte den VAR-Eingriff. „Meiner Meinung nach war das ein reguläres Tor“, sagte der HSV-Trainer, der auf Nachfrage kein weiteres Urteil über Schwengers abgeben wollte. „Grundsätzlich liegt es mir fern, Schiedsrichter zu beurteilen. Ich glaube, das machen andere bei uns im Verein.“ Recht hat er.

HSV: Boldt nimmt DFB in die Pflicht

Boldt gab an, seine Kritik schon „mehrfach“ beim Verband hinterlegt zu haben. Geändert habe sich dadurch allerdings nichts, auch wenn der DFB widerspricht. „Wir suchen den Austausch mit den Vereinen, um unsere Schiedsrichter-Leitungen zu verbessern. Kritik prallt nicht einfach an uns ab“, entgegnet Feuerherdt, der einst durch Collinas Erben bekannt wurde. „Wir laden sogar immer wieder Trainer in die Trainingslager der Schiedsrichter ein, um das Fußballverständnis der Schiedsrichter zu verbessern.“

Dennoch räumt auch der Schiedsrichterausbilder ein, dass Schwengers nicht immer eine glückliche Figur abgegeben habe. Der Höhepunkt seiner Fehlentscheidungen war zweifellos der Elfmeterpfiff für Elversberg nach einem Offensivfoul an HSV-Kapitän Sebastian Schonlau. Eine Entscheidung, die ebenfalls vom VAR überstimmt wurde.

HSV-Vorstand Boldt hadert mit Profis

Die Fehler des Unparteiischen wollte Boldt allerdings nicht als Ausrede für die Leistung der HSV-Profis gelten lassen. „Unser Spiel war geprägt von Fehlpässen und Stockfehlern. So macht man einen Gegner stark“, klagte der Manager. „Eigentlich ist es unsere Stärke, den Gegner hinterherlaufen zu lassen. Doch heute haben wir ihn durch unsere Ballverluste in der Vorwärtsbewegung aufgebaut und mussten selber hinterherlaufen.“

Ein Auftritt, der sich beim nächsten Zweitligaspiel am kommenden Freitag beim zweiten Aufsteiger, dem VfL Osnabrück, nicht wiederholen soll. „Wir dürfen uns so natürlich nicht noch einmal präsentieren, aber man kann beide Spiele nicht miteinander vergleichen“, sagt Boldt, ehe er sich wieder verabschiedete. Aus der Elversberger Kabine tönte inzwischen „Atemlos“ von Helene Fischer.

Die Statistik:

  • Elversberg: Kristof – Vandermersch, Jäkel, Conrad (72. Antonitsch), Neubauer – Sickinger (46. Stock), Jacobsen, Sahin (80. Dürholtz) – Wanner (64. Feil), Schnellbacher (72. Faghir), Rochelt. – Trainer: Steffen
  • HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Hadzikadunic (63. Nemeth), Schonlau (74. Ambrosius), Muheim (50. Heyer) – Meffert – Reis, Benes (46. Pherai) – Jatta (63. Königsdörffer), Glatzel, Dompé. – Trainer: Walter
  • Tore: 1:0 Rochelt (9.), 2:0 Schnellbacher (60.), 2:1 Heyer (89.)
  • Schiedsrichter: Patrick Schwengers (Travemünde)
  • Zuschauer: 10.150
  • Gelbe Karten: Sickinger (4), Vandermersch, Jacobsen (3) - Hadzikadunic (3), Meffert (3)
  • Torschüsse: 16:13
  • Ecken: 7:6
  • Ballbesitz: 38:62 Prozent
  • Zweikämpfe: 76:105