Hamburg. Der Ungar kennt den Polen bereits seit zwei Jahren. Warum der HSV-Kader nun schon aus 14 Nationen besteht.

Vor zwei Jahren sind sich Lukasz Poreba und Andras Nemeth das erste Mal begegnet. Im EM-Qualifikationsspiel zwischen den U-21-Nationalteams von Ungarn und Polen (2:2) trafen die beiden aufeinander, fünf Monate später im Rückspiel (1:1) das zweite Mal. Am Donnerstag gab es nun das erneute Wiedersehen im Volkspark. Einen Tag nach seinem Transfer vom französischen Vizemeister RC Lens zum HSV trainierte der Pole Poreba das erste Mal mit seiner neuen Mannschaft.

Nemeth und Poreba hielten vorher einen kurzen Plausch. „Ich habe mich an ihn erinnert und er sich auch an mich. Wahrscheinlich, weil ich in den zwei Spielen drei Tore geschossen habe“, sagt Nemeth nach dem Training im Gespräch mit dem Abendblatt und lacht. Aber er kann sich noch gut an den defensiven Mittelfeldspieler erinnern. „Lukasz ist ein guter Spieler mit einer sehr guten Technik.“

HSV holt immer mehr Spieler aus dem europäischen Ausland

Nemeth (20), der im Januar vom belgischen Erstligisten KRC Genk nach Hamburg kam, und Poreba (23), der für ein Jahr inklusive Kaufoption aus Lens ausgeliehen ist, sind zwei Beispiele für die Transferstrategie des HSV. Obwohl der Fokus eigentlich auf dem deutschen Markt liegt, haben die Hamburger in den vergangenen drei Jahren mehr und mehr Spieler aus dem europäischen Ausland verpflichtet.

Im Sommer 2022 die Franzosen William Mikelbrencis und Jean-Luc Dompé, den Slowaken Laszlo Benes und im Winter neben dem Ungarn Nemeth den Spanier Javi Montero. Ein Jahr zuvor holte der HSV den Niederländer Ludovit Reis, den Engländer Tommy Doyle, den Kroaten Mario Vuskovic, den Schweizer Miro Muheim, den Schweden Marko Johansson, den Dänen Mikkel Kaufmann und den Georgier Giorgi Chakvetadze.

In diesem Sommer ging es ähnlich weiter. Vor Poreba kamen der Belgier Ignace Van der Brempt und der Bosnier Dennis Hadzikadunic. Der Niederländer Immanuel Pherai und der Portugiese Guilherme Ramos spielten vor ihrem Wechsel bereits in Deutschland, genau wie der vor einem Jahr verpflichtete Benes. Insgesamt besteht der HSV-Kader nun aus 14 Nationen sowie neun internationalen Auswahlspielern. Stephan Ambrosius und Ransford Königsdörffer sind zwar gebürtige Deutsche, spielen aber für Ghana.

Spieler dolmetschen sich gegenseitig beim HSV-Training

Wie sich sprachlich beim HSV nun verständigt wird, konnte man beim Training am Donnerstag beobachten. Während Trainer Tim Walter eine komplexe Spielform erklärte, übersetzten die Co-Trainer Julian Hübner und Filip Tapalovic für Mikelbrencis und Poreba und Königsdörffer für Dompé.

Keinen Dolmetscher brauchen Hadzikadunic, der fünf Sprachen spricht, sowie Nemeth, der gerade seine vierte Sprache lernt. „Mit meiner Freundin spreche ich Niederländisch, mit meinen Eltern Englisch und Ungarisch. Wir mischen alles zusammen, das ist normal für mich“, sagt der in Südafrika geborene Nemeth, der die meiste Zeit seines Lebens in Ungarn verbrachte, dann nach Belgien zog und nun Deutsch lernt. An diesem Freitag steht die nächste Einheit Deutschunterricht im Volksparkstadion an.

Ludovit Reis half Nemeth bei der sprachlichen Integration

Am liebsten spricht er aber mit den Physios auf Deutsch. „Das ist der beste Weg zu lernen“, sagt Nemeth, der während des Interviews immer wieder ins Deutsche wechselt, obwohl er vor einem halben Jahr noch kein Wort konnte. „Der Coach spricht im Training hauptsächlich Deutsch. Auf dem Platz sprechen wir auch viel Englisch. Ludo (Ludovit Reis, die Red.) hat mir am Anfang viel geholfen, er ist mein Freund. Natürlich habe ich ihn versucht zu überzeugen, dass er bleibt, das wollten alle.“

Dass der HSV so viele Spieler aus verschiedenen Ländern holt, spricht einerseits für das gut aufgestellte Scouting. Andererseits versucht der Club auch, die richtigen Typen zu finden, die nicht für sprachliche Barrieren sorgen. Die Stimmung in der Mannschaft spricht dafür, dass die Spieler gut miteinander kommunizieren. „Wir sind sehr eng. Eine große Familie“, sagt Nemeth, der mit seinen Teamkollegen zuletzt beim Stand-Up-Paddling und auf dem Dom unterwegs war. „Solche Aktionen sind gut für die Teamatmosphäre“, sagt Nemeth, der nach seinem Knöchelbruch auch sportlich wieder den Anschluss gefunden hat.

Nemeth spricht über seine schwere Zeit im Sommer

Vor einem halben Jahr hatte der Ungar einen Traumstart beim HSV hingelegt. In seinen ersten drei Kurzeinsätzen erzielte er gleich zwei Tore, das erste beim Spiel in Rostock. „Es war mein zweiter Ballkontakt und direkt mein erstes Tor, ein großer Moment“, erinnert sich Nemeth.

Doch Mitte April brach er sich beim Kreisspiel zum Aufwärmen den Knöchel. Ohne Gegnereinwirkung. „Ein falscher Schritt. Ich habe es sofort gefühlt, es war sehr schmerzhaft. Die Zeit danach hat sich nicht gut angefühlt, weil ich meiner Mannschaft auf dem Platz nicht helfen konnte“, erzählt Nemeth, dessen Familie für vier Wochen nach Hamburg kam.

Nemeth will am liebsten mit Glatzel zusammenspielen

Jetzt greift er wieder an. Hinter Robert Glatzel hat es der Stürmer aber schwer. Er ist der Herausforderer, soll Druck machen, genau wie Poreba dem gesetzten Jonas Meffert auf der Sechs. „Ich fühle mich wieder gut und muss auf meine Chance warten, dafür biete ich mich im Training an“, sagt Nemeth, der nach seinen Einwechslungen zumeist als zweite Spitze spielt. „Ich mag es, mit zwei Stürmern zu spielen, aber auch allein. Hauptsache ich bin im Strafraum.“

Am Sonntag (13.30 Uhr) geht es nun wieder gegen Hansa Rostock. Für Nemeth könnte es ein ereignisreicher Tag werden. Direkt nach dem Spiel geht es zur U-21-Nationalmannschaft Ungarns mit zwei Länderspielen gegen Kasachstan und Malta.

Über die U 21 will sich Nemeth wieder für die A-Mannschaft Ungarns empfehlen. Mit Nationaltrainer Marco Rossi steht er in Kontakt. „Er macht einen guten Job und gibt jungen Spielern eine Chance.“ Das gilt auch für Walter und seine internationale HSV-Auswahl. Zu der gehört jetzt auch Poreba. Am Sonntag will er einen ähnlichen Start hinlegen wie Nemeth ein halbes Jahr zuvor.