Hamburg. Zum Auftakt der neuen Zweitligasaison gab es im Volksparkstadion ein Schützenfest. Die Entscheidung fiel erst in der Nachspielzeit.
Es ist schon ein paar Tage her, dass im Volksparkstadion eine Meisterschale stand. Am Freitagabend war es mal wieder so weit. Und auch die Atmosphäre in Hamburg hatte etwas von einem Endspiel um die Bundesligameisterschaft. Es war allerdings nur das Eröffnungsspiel der neuen Zweitligasaison, das die ehemaligen Deutschen Meister HSV und Schalke 04 unter sich ausmachten und für das die DFL die Schale präsentierte.
Doch diese Partie hatte es in sich und bot alles, was den Fußball ausmacht. Am Ende rang der HSV die Gäste aus Gelsenkirchen mit 5:3 (1:2) nieder. Es war ein Fußballfest, das vor allem einen Gewinner hatte: Das Publikum. Die 57.000 Zuschauer erlebten im ausverkauften Volksparkstadion mal wieder ein Spektakel, wie sie es unter Trainer Tim Walter schon so häufig gesehen haben. "Diese Zweite Liga ist sehr attraktiv und sexy", sagte Walter.
HSV schlägt Schalke spektakulär zum Saisonauftakt
"Das war überragend. Wir haben das Spiel am Ende zu recht gewonnen", freute sich auch der starke Immanuel Pherai, der den Sieg nach Abpfiff ausgelassen mit den Fans feierte. "Ludo hat mir gesagt, dass ich die Atmosphäre einfach genießen soll. Man kann sich nicht darauf vorbereiten."
Auch HSV-Coach Walter startete glücklich ins Wochenende. "Ich bin mit meiner Mannschaft sehr zufrieden", sagte er. "Wir haben heute taktisch sehr flexibel mit dem Ball agiert. Wir haben unsere Ballbesitzphasen gehabt, aber auch tiefe Bälle gespielt."
Vier Neuzugänge in der Startelf
Nur 53 Tage nach dem bislang letzten Heimspiel des HSV im Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart war Walters Mannschaft kaum wiederzuerkennen. Nur vier Spieler standen beim HSV noch in der Startelf, die gegen den VfB mit 1:3 verloren.
Mit Guilherme Ramos, Ignace van der Brempt, Immanuel Pherai und Levin Öztunali ließ Walter gleich vier Neuzugänge ran. Dazu kam noch Rückkehrer Stephan Ambrosius nach seiner Leihe zum Karlsruher SC. „Die Jungs, die von Anfang an gespielt haben, haben es verdient. Das haben sie unter Beweis gestellt", sagte Walter.
Ambrosius durfte in der Innenverteidigung an der Seite von Ramos erstmals seit zweieinhalb Jahren wieder für den HSV von Beginn an spielen, weil Kapitän Sebastian Schonlau und Neuzugang Dennis Hadzikadunic mit Muskelverletzungen fehlten. „Stephan ist ein Monster. Er hat eine brutale Ausstrahlung“, sagte Schonlau vor dem Spiel.
HSV wollte defensiv stabiler stehen
Die Idee des HSV war klar: nach den vielen Gegentoren in der vergangenen Saison (45) sollte die Null wieder stehen, gleichzeitig aber die beste Offensive erhalten bleiben. Und das klappte auch in der neuen Formation. In einer von Fehlern geprägten Angangsphase war es der HSV, der früh die besseren Chancen hatte.
Robert Glatzel scheiterte zunächst zweimal an Schalkes Schlussmann Marius Müller (5./6.), ehe er nach 17 Minuten zur verdienten Führung traf. Der auffällige Pherai legte maßgeschneidert auf für den HSV-Torjäger.
Doch defensiv hatte der HSV ohne vier verletzte Verteidiger die erwarteten Probleme. Und die nutzte der gerade erst 17 Jahre alt gewordene Assan Ouedraogo zum schnellen Ausgleich. Der auf Schalke als größtes Talent seit Leroy Sané bezeichnete U-17-Europameister zeigte seine ganze Klasse, als er Ambrosius auswackelte und Daniel Heuer Fernandes aus elf Metern keine Chance ließ (22.).
HSV lag zur Pause unverdient zurück
Der HSV schüttelte sich kurz und drückte dann wieder auf die Führung. Chancen zum 2:1 gab es zu Genüge. Pherai mit links (30.), Laszlo Benes per Freistoß (33.), Öztunali an den Pfosten (36.) und zweimal Moritz Heyer (42./43.) – doch irgendwie war immer noch ein Schalker Bein dazwischen. Stattdessen war es wieder der Absteiger, der eiskalt zuschlug.
Wieder war es Ouedraogo, den Walter als "Juwel" bezeichnete, der sich diesmal gegen Ramos mit einer Bewegung Raum verschaffte. Seine Hereingabe landete über Umwege vor den Füßen von Thomas Ouwejan, der mit links in die lange Ecke traf (45.+1). Zufrieden dürfte aber auch Schalkes Trainer Thomas Reis nur mit dem Ergebnis gewesen sein.
Walter wählte ungewöhnliche Mittel
Taktisch wählte Tim Walter tatsächlich ein paar ungewohnte Mittel. Heuer Fernandes spielte immer wieder lange Flugbälle über die Schalker Kette hinweg. So viele lange Bälle wie gegen Schalke hatte der HSV-Torhüter vermutlich in den vergangenen zwei Jahren nicht gespielt.
Eines blieb aber auch unter dem neuen HSV gleich: Er lieferte eine wilde Achterbahnfahrt. Zunächst drehte Benes mit einem Doppelpack erneut das Spiel. Sowohl den Elfmeter zum 2:2 (57.) als auch das Lupfertor nach einem Konter zum 3:2 (60.) hatte der starke Glatzel vorbereitet. Der Volkspark bebte, doch Schalke kam erneut zurück. Natürlich durfte auch der Rekordtorjäger der Zweitligageschichte auf der Anzeigetafel nicht fehlen. Schalkes Kapitän Simon Terodde entwischte Ramos und markierte das 3:3 (66.).
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Doch das sollte noch lange nicht das Ende sein. Schalkes Ibrahima Cissé sah zunächst Gelb-Rot, in Überzahl erzielte der HSV noch zwei Abseitstore. Zudem traf der eingewechselte Miro Muheim den Pfosten (81.). Am Ende war es der überragende Glatzel, der das letzte Wort hatte. Einen Steckpass von van der Brempt legte der Stürmer an Müller vorbei und traf direkt vor der Nordtribüne zum 4:3 (90.+1). Was für ein Tor, was für ein Spiel, was für eine Stimmung!
Schalke warf alles nach vorne, Jean-Luc Dompé lief auf das leere Tor zu und machte den Deckel drauf. Und angesichts dieses Spiels wäre es keine Überraschung, wenn eine der beiden Mannschaften am Ende der Saison mit der Zweitligaschale feiern wird.
- HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Ambrosius, Ramos, Heyer – Meffert – Pherai, Benes – Königsdörffer, Glatzel, Öztunali.