Die 2. Fußball-Bundesliga startet in ihre 50. Saison. Wieso Erfolg eine Frage der Perspektive ist. Unsere Sportplatz-Kolumne.
Anlässlich eines Jubiläums darf auch einmal kurz zurückgeblickt werden. Als die (bis 1981 zweigleisige) 2. Bundesliga mit der Saison 1974/75 ihren Betrieb aufnahm, tummelten sich in der Nord-Liga noch Vereine wie Schwarz-Weiß Essen, Wacker 04 Berlin, 1. SC Göttingen 05, Olympia Wilhelmshaven – und auch HSV Barmbek-Uhlenhorst. Welch ein Unterschied zur Gegenwart in Liga zwei mit all den gefallenen Traditionsclubs.
Mit Superlativen um sich zu werfen ist heutzutage in Mode, Sie können sich einmal den Spaß machen und zählen, wie oft Sie rund um das Eröffnungsspiel zwischen dem HSV und Schalke 04 den Satz „die stärkste Zweite Liga aller Zeiten“ mit all seinen Varianten lesen. Finanziell stimmt das sogar. Im Wirtschaftsreport 2023 verkündete die Deutsche Fußball Liga einen Gesamtumsatz von 867 Millionen Euro, so viel wie noch nie.
Sportplatz-Kolumne: Bundesliga setzte 3,6 Milliarden Euro um
Eine Etage höher lockt die Clubs allerdings noch ein größerer Schatz: 3,6 Milliarden Euro setzte die Bundesliga allein im vergangenen Geschäftsjahr um. Kein Wunder, dass der HSV nicht nur aus sportlichen Gründen im sechsten Versuch nach einem Aufstieg lechzt und auch der FC St. Pauli nach der fantastischen Rückrunde der vergangenen Saison unverhohlen nach oben schielt.
Womit aber die in der Überschrift aufgeworfene Frage verbunden ist, ob nur dann von einer erfolgreichen Saison gesprochen werden darf, wenn der Aufstieg tatsächlich gelingt. Und ob er überhaupt vom HSV und auch dem FC St. Pauli erwartet werden darf.
Ja, werden diejenigen antworten, die darauf verweisen, dass das Geschäftsmodell eines Fußballclubs in erster Linie darin besteht, Spiele zu gewinnen und in einem Wettbewerb wie einer nationalen Liga ganz oder weit vorne zu landen. Nein, werden andere entgegnen: Welcher Supermarkt würde eine Krisensitzung einberufen, wenn sich vor der Ladenöffnung lange Schlangen bilden und die Regale eines Produkts innerhalb kürzester Zeit komplett leer geräumt sind, es sogar Wartelisten gibt?
HSV muss den Aufstiegsanspruch haben
Ein viel zu kurz gegriffenes Beispiel, gäbe es sicher von der anderen Seite sofort Widerspruch. Gerade der HSV mit seinem im Vergleich zur Konkurrenz hohen Kapitaleinsatz muss in der Zweiten Liga immer den Anspruch haben aufzusteigen. Weil Aufwand und Ertrag seit Jahren in keinem gesunden Verhältnis gestanden hätten, müsse auch der jüngste dritte Platz eindeutig als Misserfolg eingestuft werden. Es ist genug Geld vorhanden (auch beim FC St. Pauli), um identifizierte Qualitätslücken im Kader zu eliminieren und den Erfolg 2023/24 wahrscheinlicher zu machen.
Für die Verneiner-Fraktion zählen hingegen auch andere Parameter wie Fortschritte im Teamzusammenhalt und die signifikante Verbesserung der Spieler, verbunden mit dem Schaffen von Vermögenswerten im Club, die gewinnbringend für eine rosarote Zukunft eingesetzt werden können. Hinzu kommt: Merken Fans, dass die eigenen Spieler zumindest versuchen, das Maximale aus sich herauszuholen, sind sie selbst bei einer Niederlage bereit, die Profis mit Applaus aufzubauen, damit sich möglichst bald wieder der Erfolg einstellt.
Nicht zuletzt sind vielen Anhängern auch ein positives Image des Clubs (Wird der Verein ordentlich geführt? Gehen die Chefs verantwortlich mit dem Geld um?) sowie nicht sportliche Werte wie ein respektvolles Verhalten von Spielern und Funktionsträgern wichtig, mit denen sie sich identifizieren können.
Erfolg ist eine Frage der Perspektive
Also was denn nun? Vermutlich ist am Ende alles eine Frage der Perspektive. Die meisten Fußballliebhaber dürften aus verständlichen Gründen höchst egoistisch handeln und fühlen: Warum sollen sie sich ständig über verfehlte Ziele ärgern?
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So viel angenehmer ist es, sich auf die positiven Faktoren zu konzentrieren, und sei es Schadenfreude, dass auch andere Clubs nur noch in der Zweiten Liga spielen. Es sich gedanklich im Unterhaus bequem gemacht zu haben hat damit weniger zu tun, mehr mit Selbstschutz. Und Emotionen, das ist am Ende doch das, was den Fußball ausmacht, liefern der HSV und auch der FC St. Pauli auch in der Zweiten Liga.
Ich persönlich, das gebe ich gerne zu, würde gern das Gefühl des Aufstiegs zumindest eines Clubs genießen. Das Potenzial für den einen, großen Erfolg ist ganz klar vorhanden.