Hamburg. Einer, der ihn sehr gut kennt, sieht eine „hohe Qualität“. Und dennoch bleiben Fragezeichen, wie gut Ramos zu Tim Walter passt.
Als am Donnerstag um die Mittagszeit durchsickerte, dass Guilherme Ramos bereits seinen Medizincheck in Hamburg absolviert hatte und zum HSV wechseln werde, war die Verwunderung bei dem einen oder anderen Beobachter von Arminia Bielefeld groß.
Der 25 Jahre alte Innenverteidiger verfüge zwar über eine gute Athletik und sei extrem robust, zweikampf- und kopfballstark, erzählt man sich in Bielefeld, fußballerisch sei Ramos hingegen limitiert. Und der Schnellste soll er auch nicht sein. Inwiefern passt seine Spielweise also zum anspruchsvollen Spielaufbau von HSV-Trainer Tim Walter, der von seinen Profis auch unter Druck eine spielerische Lösung verlangt und lange Bälle verurteilt?
HSV-Verstärkung Ramos? „Hohe Qualität“
Das Abendblatt hat sich bei einem Experten umgehört, der Antworten auf all die Fragezeichen hinter dem ablösefreien Transfer des Defensivspielers hat: Bielefelds Ex-Geschäftsführer Samir Arabi, der Ramos vor zwei Jahren für 1,2 Millionen Euro vom portugiesischen Zweitligisten CD Feirense verpflichtet hatte.
„In Zweikämpfen am Boden und in der Luft verfügt Gui über extrem hohe Qualität“, sagt der im März bei Bielefeld zurückgetretene Sportfunktionär gleich zu Beginn des Gesprächs. Viele Arminia-Fans sind überzeugt, dass ihr Club bei der krachend verloren gegangenen Relegation gegen Drittligist Wehen Wiesbaden (0:4 und 1:2) mit Ramos nicht so viele Gegentore kassiert hätte.
Als es für Bielefeld in die entscheidenden K.-o-Duelle um den Klassenerhalt ging, fehlte der Portugiese verletzt. Ramos, der keinem Zweikampf aus dem Weg geht und mit Vorliebe die Grätsche auspackt, zog sich am 30. Spieltag auf St. Pauli (1:2) eine komplizierte Schulterverletzung zu, die operiert werden musste und sein Saisonaus bedeutete.
Wann er wieder seine gewohnte Zweikampfhärte auf dem Platz ausüben kann, ist noch offen. Voraussichtlich wird er zum Start der Vorbereitung des HSV Ende Juni noch nicht voll mittrainieren können.
Passt HSV-Zugang Ramos zu Walter?
Dabei wird Ramos jede Einheit brauchen, um sich an die für ihn neuen Abläufe unter Walter zu gewöhnen. Denn der Verteidiger, der in Bielefeld Teil einer tief stehenden Viererkette war, muss seine Spielweise komplett umstellen. Als er vor zwei Jahren zum damaligen Bundesligaaufsteiger wechselte, traf er auf eine Mannschaft, die kaum Ballbesitz hatte. Ein Ansatz, den die Arminia auch nach dem Abstieg in die Zweite Liga weiterverfolgte.
Doch nun kommen auf Ramos ganz neue Aufgaben zu. Zumal Walter bei eigenem Ballbesitz erwartet, dass einer der beiden Innenverteidiger selbstständig auf die Position des defensiven Mittelfeldspielers vorrückt. „Es wird spannend zu beobachten sein, wie Gui sich auch fußballerisch beim HSV weiterentwickelt und wie er mit dem Positionsspiel unter Tim Walter zurechtkommt“, sagt Arabi, der über die Stärken, aber eben auch die Schwächen des Spielers bestens informiert ist.
Zumal Ramos in der abgelaufenen Saison von anderen Mannschaften oftmals als sogenanntes „Pressingopfer“ ausgemacht wurde. Gegnerische Stürmer hatten den Auftrag, Ramos freizulassen, damit dieser angespielt und in der Folge von allen Seiten angelaufen werden konnte. Ein Matchplan, der mehrfach aufging.
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Ramos zum HSV: „guter Transfer“
Wegen seiner Verletzung, der zu erwartenden Anlaufzeit und der noch zu verbessernden fußballerischen Qualitäten wird Ramos beim HSV voraussichtlich die Rolle des Herausforderers annehmen. Arabi beschreibt den Profi als menschlich einwandfrei und geht nicht davon aus, dass Ramos seine eigenen Interessen denen der Mannschaft überordnet.
„Natürlich hat er den Anspruch zu spielen, aber er hat einen sehr guten Charakter“, sagt der 44-Jährige, der den Profi längst noch nicht am Ende seiner Entwicklung sieht. „Er hat enorm viel Potenzial.“
Beim HSV hat Ramos zunächst einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Durch den ablösefreien Deal sind die Verantwortlichen kein finanzielles Risiko eingegangen. Nun wird sich zeigen, wie der Neuzugang mit dem in jeglicher Hinsicht zu erwartenden Kulturschock zurechtkommt. Arabi ist allerdings davon überzeugt, dass sich Ramos in Hamburg schnell einen Namen machen kann. „Gui wird den HSV besser machen“, sagt er mit entschlossener Stimme. „Es ist ein guter Transfer für den HSV.“