Der HSV gibt nach dem 0:3 im Relegationshinspiel in Stuttgart noch nicht auf. Doch an der Zukunft wird schon gebastelt.

  • HSV plant nach Relegationspleite gegen VfB Stuttgart (0:3) für die Zweite Bundesliga
  • Bei der Kaderplanung kann der HSV auf frisches Geld von Investor Klaus-Michael Kühne hoffen
  • Für mögliche Transfers werden erste Spieler wie Sven Köhler oder Chima Okoroji gehandelt

Hamburg. Wer im Duden das Wort Wunder nachschlägt, stößt auf eine Bedeutung, bei der man an die Situation des HSV denken könnte: „Etwas außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt.“ Oder auch: „Etwas, was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte, Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt.“

Und nichts anders als das Durchbrechen eines Naturgesetzes, die Mithilfe des Fußballgotts und ein absolutes Maß an Vollkommenheit benötigt der HSV, um am Montagabend (20.45 Uhr/Sat.1 und Sky sowie im Liveticker auf abendblatt.de) im Rückspiel der Relegation gegen den Erstligisten VfB Stuttgart das 0:3 aus dem Hinspiel am Donnerstagabend zu drehen und den ersehnten Aufstieg in die Bundesliga doch noch zu schaffen. Oder wie es Sportvorstand Jonas Boldt nach dem Spiel sagte: „Wir brauchen jetzt ein Wunder.“

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt wird sich ab sofort um die Planungen der neuen Saison kümmern.
HSV-Sportvorstand Jonas Boldt wird sich ab sofort um die Planungen der neuen Saison kümmern. © Witters

HSV-Spieler beschwören das Wunder

Und spätestens seit Katja Ebstein im Jahr 1970 wissen wir, dass Wunder immer wieder geschehen – im Fußball waren es am vergangenen Wochenende gleich mehrere – , doch Wunder bedingen immer auch den Glauben daran.

Zwar beschwörten Trainer Tim Walter („Der Volkspark ist unsere Hoffnung“), Kapitän Sebastian Schonlau („Es kann nur noch bergauf gehen“) und Torhüter Daniel Heuer Fernandes („Wir geben nie auf“) auch nach der Machtdemonstration des VfB Stuttgart den Glauben an die übernatürlichen Kräfte, doch in diesem Moment klangen diese Sätze eher nach Durchhalteparolen. Zu groß war der Klassenunterschied zwischen dem Zweitligisten aus Hamburg und dem Erstligisten aus Baden-Württemberg. Und an diesem Status dürfte sich auch am Montagabend nach dem Rückspiel im Volkspark nichts ändern.

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Vier Tage nach dem Heidenheimer Wunder in der Nachspielzeit, als die von den Fans umjubelten HSV-Profis miterlebten mussten, wie ihnen der Aufstieg auf die schmerzhafteste Art noch aus den Händen gerissen wurde, erlebten die Hamburger in der Mercedes-Benz Arena nach nicht mal einer Minute ihren nächsten Alptraum. Der ausgeruhte und selbstbewusste VfB nutzte die mentalen und taktischen Schwächen des HSV von Beginn an aus. Man konnte noch nicht mal von einem gnadenlosen Ausnutzen sprechen, denn der VfB vergab in der ersten Halbzeit gleich mehrere Hundertprozenter.

Bundesligisten bestrafen das riskante Spielsystem des HSV

Die mutige Spielidee von HSV-Trainer Walter wurde wie schon vor einem Jahr im DFB-Pokal-Halbfinale vom SC Freiburg (1:3) oder beim Zweitrundenspiel in dieser Saison von RB Leipzig (0:4) dennoch derart hart bestraft, dass die Fans eigentlich froh sein können, dass sie mit diesem Ansatz in der kommenden Saison wieder gegen Eintracht Braunschweig antreten und nicht gegen Bayern München ihr blaues Wunder erleben.

Gegen Stuttgart wurde sehr deutlich, dass der HSV mit dieser Abwehr und dieser Spielidee bei einem Aufstieg wohl schnell wieder Zweitligist wäre. Insbesondere den Verteidigern Moritz Heyer und Jonas David wurde vorgeführt, dass die Bundesliga eine andere Welt ist. Auch für die Mittelfeldspieler Jonas Meffert und Sonny Kittel ging es gegen Stuttgart viel zu schnell. Und so kann Sportvorstand Boldt schon mit den Planungen für die neue Zweitligasaison beginnen, die bereits am letzten Juliwochenende beginnt. Das ist zwar zwei Wochen später als vor einem Jahr, doch da war die Relegation auch schon 14 Tage zuvor beendet.

HSV-Aufsichtsrat muss sich zeitnah zusammensetzen

Bereits in der kommenden Woche wird sich der Aufsichtsrat der HSV Fußball AG zusammensetzen müssen. Schließlich gilt es, zunächst über die Zukunft von Boldt selbst zu entscheiden. Der Vertrag des Managers beinhaltet – anders als bei Trainer Walter – eine mögliche Kündigungsklausel für den Fall des verpassten Aufstiegs.

Anschließend geht es an die Kaderplanung. Die Verträge der Achsenspieler Heuer Fernandes, Schonlau und Meffert laufen im Sommer 2024 aus. Sobald klar ist, wo der HSV in der kommenden Saison spielt, kann sich der Club mit den Spielern zusammensetzen und über eine Vertragsverlängerung sprechen. Das gilt auch für Stürmer Robert Glatzel und Ludovit Reis, die für den Fall des Nichtaufstiegs jeweils Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen haben. Ein Abgang von Reis gilt im Zweitligaverbleib als sicher, von Glatzel zumindest als wahrscheinlich. Ob Sonny Kittel tatsächlich noch einmal beim HSV verlängern würde, ist mehr als fraglich.

Auch der FC St. Pauli will seinen Etat erhöhen

Finanziell ist der Club zumindest auch für ein sechstes Jahr Zweite Liga gut aufgestellt. Die kalkulierten Aufstiegsprämien wird der HSV auch in diesem Sommer nicht zahlen müssen. Und auch die erneute Relegationsteilnahme war in der Etatplanung vor der Saison – welch Wunder – nicht vorgesehen. Die Extraeinnahmen von rund 1,5 Millionen Euro kann der HSV gut brauchen, um seinen Kader für die neue Saison zu stärken. Mit den Absteigern Schalke 04 und Hertha BSC kommen wieder zwei Schwergewichte in die Zweite Liga dazu. Auch der FC St. Pauli hat angekündigt, seinen Etat zu erhöhen.

Finanzielle Stärkung darf sich der HSV durch Klaus-Michael Kühne erhoffen. Der Gesellschafter soll nach Abendblatt-Informationen bereit sein, seinem Lieblingsclub auch in der Zweiten Liga zu helfen. Ende des Monats läuft der Vertrag mit Kühne über das Namensrecht am Volksparkstadion aus. Eine langfristige Verlängerung gilt als wahrscheinlich. Und ein Teil des Geldes soll dann auch in den Kader fließen. Noch hat der HSV keinen Neuzugang verpflichtet. Verbrieft ist bislang nur das Interesse an Osnabrücks Mittelfeldspieler Sven Köhler (26). Sky berichtete am Freitag zudem, dass der HSV Sandhausens Linksverteidiger Chima Okoroji im Visier habe. Der 26-Jährige ist durch den Abstieg in Liga drei ablösefrei zu haben.

Schnelle Vuskovic-Rückkehr wohl nicht realistisch

Mit einer schnellen Rückkehr des wegen Epo-Dopings gesperrten Mario Vuskovic ist nicht zu rechnen. Der Prozess vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) könnte im August beginnen. Der HSV wird sich also im Sommer um einen neuen Innenverteidiger bemühen müssen. Mit Schonlau hat der Club aktuell nur einen zentralen Abwehrspieler, der den Aufstiegsansprüchen gerecht wird.

Der Kapitän selbst hat bereits signalisiert, dass er gern beim HSV bleiben würde. Mit dem Szenario Zweitligaverbleib will er sich aber vor Montag nicht beschäftigen. „Es kann ab jetzt nur noch bergauf gehen. Was soll uns passieren? Es kann doch nicht mehr schlimmer werden“, sagte Schonlau über die Ausgangslage vor dem Rückspiel. Der 28-Jährige setzt auf einen Abend der Vollkommenheit, auf etwas, das Staunen erregt. Oder mit anderen Worten: auf ein echtes Fußballwunder.