Hamburg. Der HSV erhofft sich durch den Sieg im Stadtderby gegen St. Pauli einen Schub für die letzten fünf Spiele. Doch es gibt auch Sorgen.
Jonas Boldt hatte seine Ankündigung in die Tat umgesetzt. „Wir können am Wochenende die Stimmung in der Stadt ein bisschen einatmen“, sagte der Sportvorstand des HSV am Freitagabend nach dem spektakulären 4:3-Sieg im Stadtderby gegen den FC St. Pauli. Es wurde mehr als nur ein bisschen. Boldt selbst hatte in der Nacht zum Sonnabend die rauchige Luft in der Kultkneipe „Zwick“ am Mittelweg eingeatmet, einen Tag später besuchte er die „Katze“ auf dem Schulterblatt im Schanzenviertel. Auf der Ecke wurde auch Robert Glatzel gesehen.
Der Stürmer war direkt nach dem Spiel in die Rolle des spontanen Partyplaners geschlüpft und hatte die Mannschaftsfeier organisiert. „Ich denke, dass ich Bobby nicht unrecht tue, wenn ich ihn als Anführer nenne. Tom Mickel weiß aber auch, wo man jetzt hinmuss“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau nach dem Spiel. „Ein paar Kaltgetränke werden heute drin sein“, ergänzte Keeper Daniel Heuer Fernandes. Und die waren drin. Einige HSV-Spieler trauten sich auf St. Pauli zu feiern. Auf dem Kiez atmeten sie Nachtluft nach einem unvergesslichen Fußballabend.
HSV-Spieler feierten auf dem Kiez den Derbysieg
Wer die Stimmung am Freitagabend nach dem Spiel im Volksparkstadion miterlebte, der wird erahnen können, was beim HSV los sein wird, wenn der Club am Ende der Saison tatsächlich den Aufstieg schafft. Mannschaft und Fans feierten im abgedunkelten Licht der Arena zusammen eine Party, die sich bereits nach Aufstieg anfühlte.
Die Bilder erinnerten an den 4:0-Derbysieg des HSV vor vier Jahren am Millerntor. Auch damals feierten die Verantwortlichen den emotionalen Sieg im „Zwick“, während die Spieler Richtung Reeperbahn zogen. Anders als vor vier Jahren standen die Spieler am Sonnabendmorgen allerdings schon wieder auf dem Trainingsplatz.
Und anders als vor vier Jahren, als der HSV nach dem Derby einen Spannungsabfall erlitt und bis zum letzten Spieltag kein Spiel mehr gewann, soll in diesem Jahr nun der Aufstieg gelingen. Und das nach Möglichkeit direkt. Entscheidend dafür wird auch der richtige Umgang mit dem Derbysieg sein, wie das warnende Beispiel von 2019 zeigt. „Ich weiß, wie man damit umgeht, wenn man 0:2 in Kaiserslautern verliert, aber ich weiß auch, wie man damit umgeht, wenn man 4:3 gegen St. Pauli gewinnt“, sagte Boldt.
HSV hat Relegationsplatz drei nahezu sicher
Dass der Aufstieg in den letzten fünf Spielen der Saison noch ein hartes Stück Arbeit wird, belegen die Ergebnisse des SV Darmstadt 98 und des 1. FC Heidenheim. Die beiden Clubs an der Tabellenspitze erlauben sich seit Wochen kaum einen Patzer und halten den HSV weiterhin auf Platz drei. Immerhin: Durch die Ergebnisse der Verfolger hat der HSV mit hoher Wahrscheinlichkeit den Relegationsplatz drei sicher. Aber das reicht dem Club in diesem Jahr nicht.
Beflügelt durch das Erfolgserlebnis im Stadtderby will der HSV nun einen Endspurt hinlegen. Im Optimalfall wie in der vergangenen Saison, als Walters Mannschaft die letzten fünf Spiele der Saison allesamt gewann und noch in die Relegation einzog. „Ich bin überzeugt, dass wir mit den Fans im Rücken einen Schub bekommen. Wir hoffen, dass wir für einen längeren Zeitraum als Derbysieger aus diesem Spiel gehen“, sagte Boldt in dem festen Glauben, den FC St. Pauli in der kommenden Saison nicht wieder in der Zweiten
Liga zu treffen.
Damit aus Boldts Glaube Realität wird, darf sich der HSV jetzt aber kaum noch Punktverluste leisten. Bei allem Jubel über den Derbysieg wird Trainer Tim Walter auch gesehen haben, dass seine Auswahl in der ersten Halbzeit gegen St. Pauli die schwächere Mannschaft war.
Meffert fehlt dem HSV gegen Magdeburg erneut
Beim Auswärtsspiel am kommenden Sonnabend gegen den 1. FC Magdeburg muss der HSV ohne seinen Mittelfeldstabilisator Jonas Meffert auskommen, der gegen den Kiezclub seine fünfte Gelbe Karte sah. Ohne Meffert verlor der HSV zuletzt 0:2 in Kaiserslautern. In Andras Nemeth (Knöchelbruch) fällt zudem der Sturmbackup von Glatzel für den Rest der Saison aus.
Und auch Flügelspieler Jean-Luc Dompé bleibt ein Sorgenkind. Der Franzose wurde am Sonnabend zwar für seinen Freistoßtreffer gegen den 1. FC Nürnberg von der ARD-„Sportschau“ mit der Medaille für das „Tor des Monats März“ ausgezeichnet, blieb aber gegen St. Pauli erneut hinter den Erwartungen und wurde insbesondere wegen seiner mangelnden Defensivarbeit schon zur Halbzeit ausgewechselt. Sorgen machen sich die Fans zudem um ihren Derbyhelden Bakery Jatta. Der Torschütze zum 2:1 wurde bei seinem goldenen Schuss durch Gegenspieler
Leart Paqarada übel am Fuß getroffen und musste ausgewechselt werden.
Jatta wurde am Sonnabend am rechten Sprunggelenk behandelt
Bislang wurde der Gambier noch nicht im UKE genauer untersucht. Das könnte sich aber noch ändern, sobald die Schwellung abgeklungen ist. Walter aber hofft auf eine schnelle Rückkehr schon in dieser Woche. „So wie ich Baka kenne, schüttelt er sich einmal kurz und dann geht es weiter. Das hoffe ich zumindest.“ Jatta hatte im vergangenen Herbst schon einmal wegen einer Sprunggelenksverletzung mehrere Wochen gefehlt.
Umso wichtiger ist es für Walter, dass Sonny Kittel aktuell wieder in einer guten Form ist. Gegen St. Pauli machte der Offensivspieler sein bestes Saisonspiel für den HSV (siehe Text unten). Was dem Trainer besonders gefallen haben dürfte und was man nicht immer von ihm gesehen hat: Kittel kämpfte bis zum Ende um jeden Meter. Und genau darauf wird es in den kommenden Wochen ankommen, wenn der HSV hauptsächlich noch auf Mannschaften trifft, für die es noch um den Klassenerhalt geht (Magdeburg, Regensburg, Sandhausen).
„Wir haben noch richtig was zu tun. Nächste Woche hilft uns dieser Sieg nicht. Wir sind gut beraten zu arbeiten. Auch heute war nicht alles gut. So ehrlich müssen wir sein“, sagte Schonlau. Und hatte damit recht. Gegen St. Pauli kassierte der HSV einmal mehr viel zu einfache Gegentore und ließ auch insgesamt wieder zu viele Chancen zu. Aber das ist eben auch ein Merkmal dieser Mannschaft. Genau wie die Stärke, immer wieder zurückzukommen. „Die Mentalität und die Einstellung, die wir auf den Platz gebracht haben, die waren richtig gut“, sagte Schonlau.
- Dompé-Freistoß gegen Nürnberg zum Tor des Monats gewählt
- Kittel plötzlich von allen gelobt – aber im Sommer wohl weg
- Fußball-Fest im Volkspark: HSV ringt den FC St. Pauli nieder
Nach Bundesliga fühlte es sich am Freitag in jedem Fall an, was die HSV-Fans veranstalteten. Und sogar im Sport1-„Doppelpass“ ging es am Sonntag mal wieder um den HSV. Dabei wird dort eigentlich nie die Zweite Liga thematisiert. Doch selbst der sonst so skeptische Felix Magath, der vor einem Jahr mit Hertha BSC den HSV-Aufstieg verhindert hatte, glaubt an die Bundesligarückkehr seines Herzensclubs. „Na klar packt es der HSV“, sagte der 69-Jährige. „Nur der HSV.“
Das Restprogramm der drei Topclubs:
Darmstadt (61 Punkte, Tordifferenz +21): Kiel (A), St. Pauli (H), Hannover (A), Magdeburg (H), Fürth (A).
Heidenheim (57, +28): Fürth (A), Magdeburg (H), Paderborn (A), Sandhausen (H), Regensburg (A).
HSV (56, +20): Magdeburg (A), Paderborn (H), Regensburg (A), Fürth (H), Sandhausen (A).