Hamburg. Der frühere HSV-Torwart spricht im Abendblatt-Podcast über den Druck des Derby, den Fußball von Tim Walter und seinen Sohn Jakob.
Am Donnerstagabend hat Richard Golz ein Date beim Italiener in Winterhude. Mit dabei sind seine früheren Mitspieler des HSV. „Einschwören auf das Stadtderby“, nennt der ehemalige Torwart das Treffen mit den Kameraden von damals. Damals – das war die Zeit zwischen 1987 und 1998, in der Golz gleich neun Derbys in der Bundesliga gegen den Stadtrivalen vom Millerntor bestritt. Kein anderer Spieler in der Bundesligageschichte des HSV hat mehr Duelle gegen die Braun-Weißen absolviert. Und kein einziges dieser Spiele hat Golz verloren. Seine Derbybilanz: fünf Siege, vier Unentschieden. „Siege gegen St. Pauli machten immer besonders viel Spaß“, sagt der 54-Jährige, als er sich am Dienstagmorgen über Zoom in den Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ zuschaltet, um über das 109. Hamburger Stadtderby (Meisterschaft und Pokal) zu sprechen.
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Golz ist der Derbyexperte des HSV – und er durfte in der Hinrunde der Saison 1996/97 einen ganz besonderen Erfolg gegen den FC St. Pauli genießen. Trotz der frühen Roten Karte gegen Stefan Schnoor (4.) und Gelb-Rot für Sven Kmetsch (60.) gewannen die Rothosen 3:0. In der gleichen Saison erlebte der Keeper aber auch den Tiefpunkt seiner Karriere, als ihm in der 90. Minute beim Stand von 2:1 für den HSV ein Abschlag missglückte und Jens Scharping den Ausgleich erzielte. Einige HSV-Anhänger verziehen Golz den Fehler nicht, es gab sogar ein „Golz raus“-Transparent. Ein Jahr später verließ er Hamburg Richtung Freiburg. „Sicher ein dämlicher Fehler, aber was danach passierte, war massiv“, erinnert sich Golz, „das tat und tut heute noch weh.“
Was Richard Golz jungen Spielern nach Fehlern rät
Das Aufarbeiten dieser Szene benötigte Zeit, aber genau das rät Golz auch den Spielern bei negativen Ereignissen: „Es hilft nicht, sich damit nicht auseinanderzusetzen, es bedarf einer Analyse: War es womöglich eine technische Unzulänglichkeit? Oder war ich unkonzentriert, weil ich drei Tage vorher noch feiern war?“
Der mentale Aspekt spielt im Profifußball bekanntlich eine Hauptrolle – besonders aber in der Schlussphase einer Saison. „Die große Kunst ist es, mit Misserfolgen gut umzugehen“, glaubt Golz. „Um aufzusteigen, musst du nicht alle Spiele gewinnen, sondern du musst deine Nerven im Griff haben. Selbst wenn der HSV das Spiel gegen den FC St. Pauli verlieren sollte, ist es noch nicht vorbei.“ Zuweilen würde sich Golz wünschen, dass sich die Fußballer nicht zu demütig verhalten und selbst sagen, wie schlecht sie sind. „So ziehst du selbst den Stecker, du musst, auch wenn es manchmal schwer fällt, mehr von dir überzeugt sein.“
Golz glaubt nicht an den Aufstieg des FC St. Pauli
Dass die Elf vom Millerntor tatsächlich noch ernsthaft in den Aufstiegskampf einsteigen kann, glaubt Golz aber nicht: „Natürlich ist das möglich, wenn sie alles gewinnen, davon gehe ich aber nicht aus. Dennoch ist die Partie die große Gelegenheit, den HSV zu ärgern.“
Wenn Golz am Freitagabend ab 18.30 Uhr im Volksparkstadion sitzen wird, schlägt sein Herz noch immer eindeutig für den HSV, für den er heute noch mit der Ehrenliga aktiv ist. Die 0:2-Niederlage in Kaiserslautern hat er sich komplett angeschaut, ist danach aber nicht in tiefe Trauer verfallen: „Ich bin nicht überrascht, dass sie nicht souverän durchmarschieren, genauso finde ich, dass es keinen Grund gibt, über den Verlauf der Saison enttäuscht zu sein. Der HSV kann noch den Aufstieg schaffen, und ich glaube auch daran, dass sie es schaffen.“
Den Tim-Walter-Fußball sieht Richard Golz differenziert
Die stets nach Niederlagen aufkommende Diskussion über den Tim-Walter-Fußball mit dem riskanten Aufbauspiel sieht er aus der Perspektive eines ehemaligen Torwarts differenziert: „In der vergangenen Saison, wenn ich an das Pokalspiel gegen Freiburg denke, habe ich gedacht: ,Ne, das funktioniert nicht.’ Aber ich sehe da schon eine gewisse Entwicklung, mehr Stabilität.“ Natürlich müsse man sich die Frage stellen, ob der HSV so auch in der Bundesliga spielen könne, aber: „Dazu muss der Verein erst einmal aufsteigen, zweitens steht dann vielleicht auch anderes Personal zur Verfügung. Und drittens geht die Entwicklung ja weiter.“
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Mit dem Profisport hat Golz, der nach seiner aktiven Laufbahn zwischen 2008 und 2017 für den HSV, Hertha BSC und die Nationalmannschaft Rumäniens im Trainerstab in verschiedenen Funktionen arbeitete, nur noch indirekt zu tun. Für die in Frankfurt (Main) ansässige Hager Executive Consulting ist er seit fünf Jahren als Personalberater, neudeutsch Headhunter, tätig und hilft als Business Unit Manager bei der Besetzung von Positionen in Sportorganisationen, also Vereinen, Verbänden oder Firmen. Das könnte auch der HSV sein – wenn dieser mal wieder einen neuen Vorstand sucht.
Golz glaubt an erneute Magath-Rückkehr ins Profigeschäft
„Ich liebe es, mich im Umfeld Profifußball zu bewegen“, sagt Golz, der nebenbei auch als Berater des Vorstands von Altona 93 aktiv ist, und scherzt: „In meiner jetzigen Konstellation kann ich nicht absteigen.“ Eine Rückkehr auf die andere Seite schließt er jedoch niemals aus, schließlich würden sich die Dinge im Fußball zuweilen sehr schnell entwickeln. Wie schnell, hat er auch bei seinem früheren HSV-Trainer Felix Magath erlebt, der in der vergangenen Saison die Hertha vor dem Abstieg rettete – und weiter emotional mit den Hamburgern verbunden ist. „Ich glaube, er ist noch nicht fertig mit dem HSV, da kommt noch ein Kapitel, da bin ich mir ziemlich sicher“, prognostiziert Golz.
Ganz eng ist Golz aber weiter in der Dritten Liga verbunden, da sein 24 Jahre alter Sohn Jakob, der einst die Jugendabteilungen des HSV durchlaufen hat, inzwischen als Stammtorwart für Rot-Weiss Essen aufläuft. „Wir tauschen uns regelmäßig aus, ohne dass ich mich aufdränge. Ich bin da, wenn er mich braucht.“