Hamburg. Sowohl der HSV als auch Fortuna Düsseldorf haben in der Regel häufiger das Spielgerät als der Gegner. Was Walter für das Spiel fordert.

Die Klasse 8D der Stadtteilschule Poppenbüttel setzte ein stolzes Dauergrinsen auf, als sich Tim Walter am Mittwochmittag für ein gemeinsames Klassenfoto in ihre Mitte stellte. Beim HSV absolvierten die Schülerinnen und Schüler einen Workshop zum Thema Respekt, der freundliche Auftritt des Cheftrainers nach der Vormittagseinheit diente als erstes Anschauungsbeispiel. „Das Tageshighlight haben wir damit schon erreicht“, sagte der Lehrer der 8D, als Walter weiterzog, um noch mehr Fotowünsche zu erfüllen.

HSV gegen Düsseldorf: Erstes Spiel für Walter nach Sperre

Nicht nur unter den ganz jungen Fans ist der 47-Jährige beliebt – auch den älteren Anhängern gefällt, wie sich Walter mit dem HSV identifiziert. Als der Trainer das vergangene Heimspiel gegen Holstein Kiel (0:0) rotgesperrt auf der Tribüne verfolgen musste, sang er die HSV-Lieder vor Anpfiff lautstark mit.

Ein ehemaliger Hamburger Trainer, der in der jüngeren Geschichte im Volkspark ähnlich beliebt war wie Walter, ist wohl Daniel Thioune, der seit Februar 2022 Zweitligakonkurrent Fortuna Düsseldorf betreut.

Thioune: "Zeit in Hamburg ist sehr weit weg für mich"

„Die Zeit in Hamburg ist sehr weit weg für mich und Vergangenheit“, sagte Thioune nun vor dem Gastspiel des HSV in der ausverkauften Merkur-Spiel-Arena (51.200 Zuschauer) am Freitag (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de).

Er habe zwar eine „gute Zeit“ beim HSV gehabt, aber: „Ich blende für mich aus, dass es eine Vergangenheit zwischen mir und dem HSV gibt.“ Zudem stünden kaum noch Profis aus der damaligen Zeit im Aufgebot. „Es ist kaum noch ein Spieler da, den ich vor zwei Jahren betreut habe“, sagte Thioune. „Die Mannschaft hat jetzt ein anderes Gesicht.“

Trainer Daniel Thioune ist seit Februar 2022 in Düsseldorf.
Trainer Daniel Thioune ist seit Februar 2022 in Düsseldorf. © Armin Weigel/dpa/Archivbild

Auch wenn sich der Hamburger Kader in den vergangenen zwei Jahren erneuert hat, ist die grundlegende taktische Ausrichtung, den Gegner mit viel Ballbesitz zu dominieren, auch bei Thioune-Nachfolger Walter erkennbar. Nur Aufsteiger 1. FC Magdeburg (60,8 Prozent) hat in dieser Zweitligasaison bisher mehr Ballbesitz als der HSV (59,7 Prozent).

Düsseldorf-Coach Thioune erwartet große Umstellung

Auch die Fortuna (53,9 Prozent) verfügt in der Regel häufiger über den Ball als der jeweilige Gegner. „Unser Spiel muss sich komplett umstellen“, sagt Thioune über das Duell mit seinem Ex-Club. „In den letzten vier Wochen waren die Spiele sehr leicht vorzubereiten, weil das Spielgerät häufiger in der Luft war als am Boden. Beim HSV ist es der umgekehrte Fall.“

Im Hinspiel am 9. Spieltag, als der HSV zu Hause nicht nur das Spiel (2:0), sondern auch die Ballbesitzstatistik (53 Prozent) für sich entschied, wurde bereits deutlich, dass auch die Fortuna eigene Ansprüche auf das Spielgerät erhebt. Seinen Heimspiel-Durchschnitt von 60,9 Prozent verpasste die Walter-Elf in dieser Partie deutlich, am Ende jubelte der HSV nach Toren von Robert Glatzel und Bakery Jatta trotzdem.

Thioune lobt seinen Ex-Verein

„Ich finde, dass der HSV wieder eine gute Saison spielt, so wie er es in all den Jahren getan hat – unabhängig von den verantwortlichen Protagonisten“, sagte Thioune, der das Spiel am Freitag aktiv mitgestalten will. „Wir lassen uns auf den Gegner ein, aber nur so weit, wie wir es zulassen wollen. Wir wollen das Spiel bestimmen.“

Permanent wiederholte er dabei die Forderung nach einer „kontrollierten Offensive“, was übersetzt so viel bedeuten dürfte, nicht blind ins offene Messer zu rennen. „Wir müssen den HSV erstmal von unserem eigenen Tor fernhalten, weil da sehr viel Abschlussqualität auf uns zukommt“, sagte Thioune.

Tim Walter will "Überzeugung" und "Mut"

Auch Tim Walter benutzte gleich mehrfach zwei seiner Lieblingswörter („Überzeugung“ und „Mut“), als er am Mittwoch rund zwei Stunden nach Thioune über seine eigene Ballbesitztaktik sprach: „Es geht darum, dass man von der eigenen Philosophie überzeugt ist und dementsprechend an die Sache rangeht“, sagte Walter. „Wir wissen natürlich, dass der Gegner auch etwas dagegenzustellen hat, aber wir sind von uns überzeugt.“

Abgesehen von ihrer Begeisterung für den eigenen Spielaufbau eint die Trainer an diesem Freitag voraussichtlich auch das gleiche Schicksal. Sowohl Thioune als auch Walter müssen auf ihre Kapitäne und Abwehrchefs verzichten. Sebastian Schonlau fehlt (definitiv) nach seiner fünften Gelben Karte in der HSV-, André Hoffmann (sehr wahrscheinlich) wegen eines Muskelfaserrisses in der Fortuna-Innenverteidigung.

Thioune hofft auf überraschenden Hoffmann-Einsatz

„Es besteht ein wenig Hoffnung bei André Hoffmann, dass er uns am Freitag zur Verfügung stehen könnte. Es wird Tag für Tag besser“, sagte Thioune. „Aller Voraussicht nach“ müsse er aber ohne den 30-Jährigen auskommen.

Abgesehen vom Trainerduell Thioune gegen Walter, das der HSV-Coach in der Kategorie Punkte pro Spiel (1,96) vor seinem Kollegen (1,68) anführt, geht es für Düsseldorf auch um die wohl letzte Chance, in dieser Saison noch in das Aufstiegsrennen einzugreifen. „Wenn wir noch in irgendeiner Form den Finger in Sachen Aufstieg heben wollen, müssten wir am Ende drei Punkte auf den HSV aufgeholt haben“, stellte Thioune klar.

Selbst wenn die 8D der Stadtteilschule Poppenbüttel auch noch für den Ex-HSV-Coach Sympathien hat, dürften die Schülerinnen und Schüler mit diesem Thioune-Ziel eher nicht einverstanden sein. Spätestens seit dem Fototermin mit Tim Walter am Mittwochmittag.

Das langjährigste HSV-Mitglied Oscar Algner feierte am Mittwoch seinen 100. Geburtstag. Er trat im Jahr 1930 im Alter von sieben Jahren in den Verein ein.