Hamburg. Der HSV erspielte sich gegen Holstein Kiel eine Vielzahl an Chancen, verlor aber mit dem 0:0 zwei wichtige Punkte im Aufstiegskampf.
Wieder nichts – gegen Holstein Kiel kann der HSV im eigenen Volksparkstadion offensichtlich nicht gewinnen. Und so schlichen die Hamburger Profis nach intensiven, aber torlosen 90 Minuten mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern zu ihren Fans in der Nordkurve, um sich Trost und Aufmunterung abzuholen.
Das 0:0 war bereits das vierte Unentschieden gegen die KSV Holstein in einem Heimspiel bei einer Niederlage. Im Kampf um den Bundesligaaufstieg sind es trotz einer engagierten Leistung zwei verlorene Punkte, die Serie von fünf Heimsiegen in Folge ist vor 57.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena gerissen. „Wir waren nicht kaltschnäuzig und konsequent genug vor dem Tor, hätten das Tor erzwingen müssen“, sagte HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes nach der Partie.
Tabellenspitze 2. Bundesliga:
1. Darmstadt 98 25 / 40:21 / 52
2. Heidenheim 25 / 51:28 / 50
3. HSV 25 / 46:30 / 49
4. Fortuna Düsseldorf 25 / 43:32 / 42
5. FC St. Pauli 25 / 39:28 / 41
6. SC Paderborn 25 / 47:30 / 40
7. Kaiserslautern 25 / 39:34 / 39
8. Holstein Kiel 25 / 41:40 / 34
8. Karlsruhe 25 / 41:40 / 34
Ein Aufatmen bei den Hamburgern gab es vor dem Spiel. Sebastian Schonlau hatte seine Sprunggelenksverletzung auskuriert und führte das Team wieder als Kapitän auf das Feld. Bei der 2:4-Klatsche am vergangenen Sonntag in Karlsruhe wurde der Abwehrchef schmerzlich vermisst. Er muss nach der fünften Gelben Karte im nächsten Spiel bei Fortuna Düsseldorf aber erneut aussetzen.
An seiner Seite verteidigte wieder Jonas David, der beim KSC einen rabenschwarzen Tag erwischt hatte. Moritz Heyer rückte dafür wieder auf die rechte Abwehrseite für Noah Katterbach. Ransford-Yeboah Königsdörffer ersetzte im Mittelfeld Laszlo Benes – Tempo statt Technik war wohl die Idee von Cheftrainer Tim Walter.
HSV-Trainer Walter verfolgt Spiel gegen Kiel aus Polizeikabine
Apropos Walter: Nach seiner Roten Karte in Karlsruhe war der Coach ab eine halbe Stunde vor dem Anpfiff komplett für Kabine und Innenraum gesperrt und durfte auch keinen Kontakt zum Team haben. Walter besuchte erst die HSV-Loge, wo er mit Aufsichtsrat Markus Frömming und den Präsidiumsmitgliedern Bernd Wehmeyer und Marcell Jansen plauderte. Dann schaute er sich das Spiel von ganz oben aus einer Kabine der Polizei an. Zuvor hatte er noch seine Ansprache halten können.
Co-Trainer Julian Hübner (39) übernahm während des Spiels seine Aufgaben, Rechte und Pflichten auf der Bank. „Ich vertraue allen Jungs komplett“, sagte Walter vor dem Anpfiff bei Sky, „es ist mal etwas anderes, wenn der bekloppte Alte nicht an der Linie steht.“
Auf den Spielbeginn des HSV hatte die Abwesenheit von Walter jedoch keinerlei Einfluss. Wie in Heimspielen gewohnt begann das Team mit hohem Tempo, viel Druck und ließ den Kielern kaum Luft zum Atmen. 4:0 lautete das Eckenverhältnis schon nach fünf Minuten.
HSV scheitert mehrfach an Ex-St.-Pauli-Torwart Himmelmann
Die „Störche“ hatten es dem erst im Winter nachverpflichteten, langjährigen St.-Pauli-Torwart Robin Himmelmann zu verdanken, dass sie in der ersten Hälfte ohne Gegentreffer blieben. Himmelmann rettete mit einem Blitzreflex gegen einen Kopfball von Robert Glatzel (3.), gegen Bakery Jatta sowie Glatzel im Nachschuss (12.), und er war auch in der 21. Minute bei einem erneuten Kopfball von Glatzel zur Stelle.
Ersatztrainer Hübner musste bereits nach einer Viertelstunde eine Entscheidung treffen, weil Linksverteidiger Miro Muheim nach einem Foul des Ex-Hamburgers Lewis Holtby mit einer Verletzung an der linken Wade ausgewechselt werden musste. Für ihn kam Katterbach ins Spiel.
Den Kielern gelang es zudem etwa ab der 20. Minute, sich besser auf den großen HSV-Druck einzustellen, sie konnten die Partie nun deutlich offener gestalten. Erstmals richtig gefährlich wurden sie in der 28. Minute, als David im letzten Moment ein Laufduell gegen Fabian Reese gewann, der sonst allein vor Torwart Daniel Heuer Fernandes aufgetaucht wäre. Hamburgs Nummer eins klärte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit zudem gegen Holtby mit einer Fußabwehr.
HSV-Einzelkritik: Schonlau quälte sich bravourös – Glatzel verzweifelte
Zur zweiten Halbzeit wechselte der HSV Benes für den unauffälligen Jean-Luc Dompé ein, um den eigenen Angriffen etwas mehr Struktur und Ideen zu geben. Der Slowake hatte auch gleich eine gute Schusschance (50.), die jedoch abgeblockt wurde.
Für die HSV-Fans entwickelte sich in der zweiten Hälfte nun wieder ein Nervenspiel zwischen Hoffen und Bangen. Die Gastgeber liefen ständig an, hatten aber weiterhin Probleme, sich klare Chancen gegen die enge Kieler Abwehr herauszuspielen. Und wenn es doch eine Gelegenheit gab, wie bei Königsdörffers Schuss in die lange Ecke (56.), war Himmelmann zur Stelle.
Auf der anderen Seite drohte bei Kiels Kontern ständig Gefahr. So musste Schonlau in der 60. Minute im letzten Moment mit einer Risikogrätsche gegen den durchlaufenden Reese klären, der auch in der 86. Minute kurz vor dem Einschuss gerade noch von Schonlau gestört wurde. Am Ende einer intensiven und umkämpften Partie blieb es so bei einem durchaus verdienten Unentschieden – mit dem die Gäste deutlich besser leben können als die Gastgeber.
HSV-Trainer Walter: „Nicht noch einmal erleben“
Bei der Pressekonferenz durfte dann wieder Walter auf dem Podium sitzen und die Partie einordnen. „Wir sind momentan nicht zwingend genug, haben ein bisschen fahrig agiert, aber immer wieder nach vorne gespielt“, sagte der 47-Jährige.
Seinem Trainerteam um Julian Hübner machte er ein dickes Lob nach dem Abpfiff: „Das war sehr gut. Aber erleben möchte ich so etwas nicht mehr, das war zehnmal so schlimm und stressig wie auf der Trainerbank.“ Schlusswort Hübner: „Wenn eine Mannschaft den Sieg verdient gehabt hätte, dann wir. Die Energie war da, die Jungs haben sich reingeworfen, als Team sehr gut verteidigt. Ärgerlich, dass sie sich nicht dafür belohnt haben.“
Die Statistik:
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, David, Schonlau, Muheim (15. Katterbach) – Königsdörffer (75. Nemeth), Meffert, Reis – Jatta, Dompé (46. Benes) - Glatzel.
- Kiel: Himmelmann – Komenda (63. Kirkeskov), Wahl, S. Lorenz – T. Becker, Sander, M. Schulz (46. Mühling), Reese (89. Wriedt) – Porath (63. Arp), Holtby – Skrzybski.
- Schiedsrichter: Brand (Unterspiesheim).
- Zuschauer: 57.000 (ausverkauft).
- Gelbe Karten: Heyer (6), Schonlau (5), Katterbach (1) – Porath (5), Komenda (1), Wahl (6), Arp (5).
- Erweiterte Statistik (Quelle: Sportec Solutions): Torschüsse: 22:5, Ecken: 17:3, Ballbesitz: 50:50 %, Zweikämpfe: 114:104.