Hamburg. Der niederländische Mittelfeldspieler ist derzeit bei den Hamburgern der überragende Akteuer. Das fällt auch anderen Clubs auf.
Frank Venhoofs Laune passte am frühen Montagmorgen so gar nicht zum Wetter. Der Himmel war grau, und es regnete, als der Niederländer seine Kamera direkt vor dem HSV-Campus im Volkspark aufbaute. „Wahrscheinlich hätten wir uns kein besseres Wochenende für unseren Hamburg-Besuch aussuchen können“, sagte Venhoof, bevor der unangenehme Wind sein Stativ fast umwehte. Das Kuriose: Venhoof meinte tatsächlich, was er sagte.
HSV News: ESPN dreht Doku über Reis
Er war ja aber auch nicht wegen des Wetters in Hamburg. Sondern wegen Ludovit Reis, der wenige Sekunden später mit sechs HSV-Kollegen und einem fetten Grinsen durch das Hamburger Schmuddelwetter an seinem Landsmann vorbei in Richtung des Volksparks joggte. Im Gegensatz zu den Frösteltemperaturen durfte man am Tag nach dem 2:1-Sieg gegen Bielefeld ein muckeliges Matchwinner-Fazit ziehen: Der Reis ist heiß.
Ein paar Stunden später hat Venhoof, der für das holländische ESPN eine Reis-Dokumentation drehte, im Warmen in einer Loge im Volksparkstadion Platz genommen. Frisch geduscht sitzt ihm sein Protagonist gegenüber. „Die erste Halbzeit gestern gegen Bielefeld war gut, die zweite Halbzeit war nicht so gut. Aber drei Punkte sind drei Punkte“, floskelt der Fußballer über den Sieg vom Vortag. Reis, brauner Kapuzenpullover, lächelt. „Die Vorlage mit der Hacke von Miro Muheim für mein Tor war nicht so schlecht.“
Venhoof und Reis kennen sich lange. 2015 kam das Mittelfeldtalent vom Nachwuchs des Dorfclubs SV Hoofddorp zum FC Groningen, wo Venhoof schon damals in der Medienabteilung arbeitete. Der damals 15 Jahre alte Reis wohnte bei einer Gastfamilie im nahe gelegenen Zuidbroek und durchlief alle Jugendmannschaften. „Er war ein Schnelllerner“, erinnert sich Venhoof, den schon damals das Tempo des Mittelfeldtalents beeindruckte. „Ludovit brauchte immer nur ein oder zwei Monate, um sich in der U 17, der U 19 oder später bei den Profis einzugewöhnen.“
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In Groningen war man sich damals relativ sicher, dass schon bald Clubs wie Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven oder Feyenoord Rotterdam kommen würden, um Reis abzuwerben. „Doch dann kam tatsächlich der FC Barcelona“, sagt Venhoof, der diesen Wechsel auch dreieinhalb Jahre später noch nicht so richtig fassen kann. „Natürlich konnten wir alle verstehen, dass Ludo diese Chance ergreifen wollte.“
HSV-Profi Reis trainierte mit Messi
Doch der Wechsel ging nicht auf. Reis durfte zwar mal mit Lionel Messi trainieren, zu einem Spiel für die Profis reichte es allerdings nicht. Bereut hat er den Wechsel aber nie. „Die Frage wird mir häufiger gestellt. Aber ganz ehrlich: Welcher 19-Jährige sagt denn Nein zu Barcelona? Mein Berater rief mich an und sagte: ,Ey, Barcelona will dich!’ Diesen Moment werde ich nicht vergessen“, sagte Reis mal in einem Abendblatt-Interview. „Ich würde es immer wieder so machen.“
Über den VfL Osnabrück kam der Holländer 2021 nach Hamburg. „Das war ein typischer Reis-Wechsel“, sagt Venhoof. „Barcelona, Osnabrück, Hamburg – das klingt ja total irre. Aber Ludo hat einfach immer nur geguckt, wo er sich persönlich am besten weiterentwickeln kann.“ Und diesmal ging der Wechsel tatsächlich auch auf.
Reis mit beeindruckender Marktwertentwicklung
Kein Zweitligaspieler kann eine ähnliche Marktwertentwicklung vorweisen: von zwei Millionen Euro (im Winter 2021) über drei Millionen Euro (im Winter 2022) bis nun zu fünf Millionen Euro (in diesem Winter). Der HSV-Senkrechtstarter ist laut dem Fachportal transfermarkt.de der wertvollste Hamburger – und der wertvollste Profi in der ganzen 2. Liga. Warum, davon konnte sich Frank Venhoof am Sonntag selbst überzeugen.
Mit 15 gewonnenen Zweikämpfen war Reis der zweikampfstärkste Spieler auf dem Platz, 86 Prozent seiner Pässe gegen Bielefeld kamen an – und das wichtige 1:0 erzielte er dann auch noch selbst. Es war bereits sein sechster Saisontreffer. „Ludo war der Spieler des Spiels“, sagt Venhoof, der nicht der einzige Reis-Fan am Sonntag im Volkspark war.
Auch Reis’ Vater war im Stadion. „Ludo ist glücklich in Hamburg“, sagte der Senior, der am Anfang der Karriere seines Sohnes den Filius auch beriet. „Die Spielart beim HSV kommt ihm gelegen. Er spielt jetzt ein klassisches Box-to-box.“
Erstligisten wollen HSV-Profi Reis!
Das haben aber nicht nur Papa Reis und Groningens Venhoof erkannt – sondern auch noch jede Menge Erstligaclubs, die bereits ihr Interesse bei der internationalen Großagentur Wasserman angemeldet haben. Nachdem er beim FC Barcelona eine aberwitzige Ausstiegsklausel für 100 Millionen Euro gehabt haben soll, wirkt die kolportierte Ausstiegsklausel von fünf Millionen Euro im Fall des Nichtaufstiegs fast schon wie ein Schnäppchen.
„Ludo wird sicher in der kommenden Saison in der Ersten Liga spielen“, sagt Venhoof. „Er würde aber am liebsten mit dem HSV in der Bundesliga spielen.“
Damit das gelingt, muss Reis eigentlich nur so weitermachen. „Man kann sagen, dass ich in der besten Form meiner Karriere bin“, sagte der niederländische U-21-Nationalspieler nach dem Sieg gegen Bielefeld. „Der Aufstieg in die Bundesliga ist das Wichtigste für uns.“ Gelingt ihm das wirklich, dürfte auch Frank Venhoof wiederkommen. „Der HSV fühlt sich schon wie ein Erstligist an“, sagt er. „Ich hätte Lust, Ludo hier auch in der kommenden Saison in der Bundesliga zu sehen.“