Rostock. Beim 2:0 in Rostock spielt der HSV erstmals seit September wieder zu null. Bilanz reichte 20 von 23 Teams zum Aufstieg.
Sebastian Schonlau stand im Kabinentrakt des Ostseestadions und grübelte über die Antwort. Ob er sich noch erinnern könne, wann der HSV das bislang letzte Mal zu null gespielt hatte? Dem Kapitän fiel die Antwort nicht ein. Seine Gedächtnisprobleme sollte man Schonlau aber nachsehen, schließlich war es sehr lange her.
Vier Monate und 19 Tage musste der HSV warten, ehe er am Sonntagnachmittag durch den 2:0 (1:0)-Sieg bei Hansa Rostock erstmals seit dem 17. September wieder ohne Gegentor blieb. Zuletzt war das beim 2:0-Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf am neunten Spieltag gelungen. „Es wurde allerhöchste Eisenbahn“, sagte Abwehrchef Schonlau, der mit dem HSV in der vergangenen Saison noch die beste Abwehr der Zweiten Liga gestellt hatte.
HSV gewinnt Nordduell: So siegt ein Aufsteiger
Eine Woche nach dem wilden 4:2-Sieg gegen Eintracht Braunschweig blieben die Hamburger bei Hansa Rostock zwar auch nicht frei von gegnerischen Torchancen, doch anders als in so manch einem Spiel zuvor verteidigte der HSV mit großer Leidenschaft. „Wir haben uns reingeworfen und die Duelle nicht gescheut, sondern eher noch gesucht. Das wird der Schlüssel sein“, sagte Schonlau, der erneut an der Seite von Jonas David verteidigte und diesem ein Extralob verteilte. „Er ist richtig marschiert und hat gefühlt jeden Zweikampf gewonnen.“
Tore schießen kann der HSV ohnehin zu jedem Zeitpunkt. In Rostock waren es einmal mehr Ludovit Reis mit seinem fünften Saisontor (40.) sowie Neuzugang Andras Nemeth (90.+4), die im 19. Spiel für den 13. Saisonsieg sorgten. Mit 40 Punkten hat der HSV nun genauso viele Punkte wie zum selben Zeitpunkt der Saison 2018/19 unter Hannes Wolf sowie 2020/21 unter Daniel Thioune. 20 von 23 Teams stiegen mit dieser Zwischenbilanz auf, der HSV war allerdings gleich zweimal einer derjenigen, die es nicht schafften, als es jeweils nur zu Platz vier reichte.
HSV: Gelingt die Rückkehr in die Bundesliga?
Wenn es der Mannschaft aber gelingt, so geschlossen zu arbeiten wie an diesem Nachmittag, wird es in dieser Saison endlich klappen mit der Rückkehr in die Bundesliga. „Wir machen alles zusammen, das tut uns gut“, sagte Bakery Jatta, der mit dem HSV seinen fünften Aufstiegsanlauf unternimmt. Robert Glatzel, der erst beim zweiten Versuch dabei ist, glaubt an das große Ziel.
Ob der HSV in Rostock gespielt habe wie ein Aufsteiger? „Ja“, sagte der Stürmer, der sich freute, dass seine Mannschaft auch ohne seine Tore gewinnen kann. „So souverän spielen können nicht viele. Es war eine reife Leistung“, sagte Glatzel, der in seiner alten Heimat Heidenheim am kommenden Sonnabend den nächsten Schritt gehen will. „Bis zum Aufstieg ist es noch ein weiter Weg. In Heidenheim könnten wir ein echtes Ausrufezeichen setzen.“
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Um im Spitzenspiel beim schwäbischen Verfolger (36 Punkte) zu bestehen, wird der HSV erneut die Zweikampfstärke brauchen, die er in Rostock an den Tag legte. „Jeder weiß, dass Heidenheim eklig ist und die Gras fressen. Aber wir können auch eklig sein. Das wird ein geiles Spiel“, sagte Schonlau. Ein geiles Spiel war es zwischen Rostock und dem HSV vor 26.500 Zuschauern im ausverkauften Ostseestadion nicht, aber zumindest ein intensives. „Hansa hat uns alles abverlangt. Wir waren resolut und konsequent. Das habe ich zuletzt angemahnt. Das ist die Grundtugend“, sagte Trainer Tim Walter.
Die erste gute Chance des Spiels allerdings hatte Hansa. Der frühere St. Paulianer John Verhoek zielte nach einem Freistoß aus sechs Metern drüber. Der HSV brauchte einige Minuten, um das Spiel zu kontrollieren, was ihm dann auch gelang. Es dauerte aber bis zur 40. Minute, ehe Reis die erlösende Führung erzielte. Über Jonas Meffert und drei Rostocker lag der Ball plötzlich auf seinem linken Fuß. „Das war ein Flippertor“, sagte der ehemalige HSV-Verteidiger Rick van Drongelen, der erstmals gegen seine langjährige Hamburger Liebe spielte und von Jatta, Glatzel und Co. viel beschäftigt wurde.
Kurios wurde es in der 52. Minute. Dass der Ball nach der Dreifachchance durch Jatta, Reis und Dompé nicht im Hansa-Tor lag, war physikalisch eigentlich nicht zu erklären, doch die Hände von Markus Kolke, die Füße von Damian Roßbach und die Latte machten die Unmöglichkeit möglich und hielten Hansa im Spiel.
Der HSV bestimmte weiter das Geschehen, verpasste es aber, frühzeitig für Klarheit zu sorgen. Jatta verpasste per Kopf das 2:0 (65.), Muheim per Fernschuss (69.). Zudem spielten die Hamburger viele Angriffe nicht zielstrebig genug zu Ende und machten Rostock noch einmal stark. Gleich zweimal innerhalb von zwei Minuten jubelten die Hansa-Fans über den vermeintlichen Ausgleich, doch sowohl Ingelsson (68.) als auch Verhoek (70.) standen im Abseits. Kurz darauf rettete HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes auch noch sehenswert gegen Ingelssons 16-Meter-Schuss (73.).
Walter: „Ich bin einfach nur stolz heute“
Der HSV überstand diese Phase schadlos und spielte ab der 80. Minute nach Roßbachs Foul an Jatta mit einem Mann mehr. Es dauerte bis zur vierten Minute der Nachspielzeit, ehe der eingewechselte Nemeth nach einem mustergültigen Konter über Glatzel und Laszlo Benes die Entscheidung besorgte. „Ich bin einfach nur stolz heute“, sagte Trainer Walter, der auf dem Weg in die Kabine drei Finger für drei Punkte zeigte und sagte: „Noch 15.“
15 Zweitligaspiele stehen für den HSV in diesem Jahr noch an. Damit keine weiteren dazukommen, sollten Schonlau und Co. sich nicht wieder neun Spiele Zeit lassen, ehe die nächste Null steht.