Hamburg. Mit einem Jahr Verspätung folgt Finanzchef Eric Huwer Kumpel Jonas Boldt in den HSV-Vorstand. Ein Porträt.

Die endgültige Gewissheit erhielt Eric Huwer erst am Donnerstagmorgen. Per Mail. Ein nigelnagelneuer Vorstandsvertrag. Bis 2025. Unterschrieben von Aufsichtsratschef Marcell Jansen. Hochoffiziell. Und noch hochoffizieller war Huwers Beförderung vom Finanzdirektor zum Chief Operating Officer (COO) – übersetzt: zum HSV-Vorstand für Finanzen und Organisation – um Punkt 12 Uhr, als auch der HSV – dann höchstoffiziell – vermeldete: „Jonas Boldt und Dr. Eric Huwer unterschreiben Vorstandsverträge.

In dem Kommuniqué ließ sich auch Kontrollchef Jansen zitieren: „Jonas und Eric haben in den vergangenen Wochen und Monaten bewiesen, wie gut sie die Führungsarbeit der HSV Fußball AG leisten.“

Eric Huwer: HSV-Vorstand mit Verspätung

Dabei war die Beförderung keine Überraschung mehr. Eigentlich. Und trotzdem dürfte Huwer erleichtert gewesen sein, als er mit dem Vertrag in der Hand am Abend den Heimweg zum familiären Weihnachtsfest nach Saarbrücken antrat. Denn was eine mündliche Zusage kurz vor Weihnachten wert ist, durfte Huwer vor genau einem Jahr erfahren. Schon damals war der 39-Jährige zum Vorstand befördert worden. Per Handschlag. Durch den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Wüstefeld.

Am 18. Dezember 2021, kurz vor dem Heimspiel gegen Schalke 04, hatte Wüstefeld Huwer die gute Kunde überbracht. Der Vertrag war ausverhandelt, der Aufsichtsrat hatte zugestimmt. Nur die Unterschrift fehlte. Dann kam Weihnachten – und ein einmaliger Sinneswandel. Am 28. Dezember tagte erneut der Aufsichtsrat – und Wüstefeld entschied, lieber selbst Vorstand zu werden. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Im Gegensatz zu Huwer. Wer ist also „der Millionenmann vom HSV“ („Bild“-Zeitung), der vor einem Jahr so vor den Kopf gestoßen wurde, zwischendurch überlegte, alles hinzuschmeißen, dann geduldig blieb und nun den HSV mit Jonas Boldt in eine bessere Zukunft führen soll?

HSV: Eric Huwer ist „ein Vorausmarschierer“

„Ein Vorausmarschierer“, sagt ein enger Vertrauter auf der HSV-Geschäftsstelle über ihn. Schon vor Jahren habe Huwer damit angefangen, sich in die wöchentlichen Meetings der unterschiedlichen Abteilungen zu setzen. Wie funktioniert das Ticketing? Was macht die Medienabteilung? Worüber reden die Scouts? Huwer ist ein Mann der Zahlen, der aber auch die Dinge abseits von Exceltabellen verstehen will.

Doch vor allem in seiner Kernkompetenz ist er auch außerhalb Hamburgs angesehen. Huwer ist Mitglied der zwölfköpfigen DFL-Kommission Finanzen, hat als Deutschland-Vertreter am Fifa-Programm von weltweiten Executive-Managern (C-Level) teilgenommen und hatte sogar eine Anfrage von einem Champions-League-Club. Wäre Wüstefeld geblieben, wäre Huwer gegangen. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Das gilt auch für das 20-Millionen-Darlehen, das vor wenigen Wochen unmöglich schien und der HSV nun kürzlich verkünden konnte. Huwer war es, der den Vertrag mit Karl Gernandt und Markus Frömming, den Vertretern von Klaus-Michael Kühne, ausgehandelt hatte. Schuldscheindarlehen, Fananleihe, neue Anteilseigner – alles Einigungen, die der „Vorausmarschierer“ für den HSV auf den Weg bringen konnte.

Wie Eric Huwer zum HSV fand

Huwer und der HSV. Was kaum einer weiß: Die Beziehung zwischen dem Finanzier und dem Fußballclub fing an einem Schicksalstag der Clubgeschichte an. Am 18. Mai 2014. Relegationsrückspiel des HSV in Fürth. Vormittags traf sich der damalige Vorstandsassistent bei der Allianz Gruppe mit den damaligen HSV-Chefs Joachim Hilke und Carl Jarchow im Mannschaftshotel des HSV. Vorstellungsgespräch.

Hilke und Jarchow wollten von dem jungen Zahlenjongleur wissen, wie er die Folgen einer möglichen Ausgliederung, die eine Woche später beschlossen wurde, bewerten würde. Man sprach über Rechtsformen, Anteilseigner, Millionensummen.

Nach dem Gespräch fragte Hilke, ob Huwer noch zum Fürth-Spiel ins Stadion mitkommen wolle. Huwer wollte, der HSV zitterte sich zu einem dramatischen 1:1, hielt die Bundesliga, feierte – und hatte einen neuen Fan und Mitarbeiter gewonnen.

Wettstein empfahl Huwer als seinen Nachfolger

Es gab HSV-Vorstände in der jüngeren Geschichte, die berichteten davon, schon als Kind mit der Tante in den Volkspark gepilgert zu sein und in HSV-Bettwäsche geschlafen zu haben. Huwers erstes Fußballspiel war im fernen Waldstadion. DFB-Pokal. 1991. Der FC Homburg verlor 1:3 im Elfmeterschießen und schlitterte nur knapp an einer Sensation gegen den 1. FC Kaiserslautern vorbei. Und Fan-Bettwäsche hatte der kleine Eric vom VfL Bochum. Warum? „Niemand mochte den VfL. Sie haben nie gewonnen, hatten nie Erfolg“, so Huwer. „Das mochte ich.“

Ein Schelm, wer dabei fast schon zwangsläufig an den HSV denken muss. Huwer wechselte jedenfalls nach der Fürth-Relegation nach Hamburg – und erhielt einen Crashkurs in Sachen HSV. Hilke und Jarchow, die ihn eingestellt hatten, mussten schon bald gehen – genauso wie so ziemlich jeder andere HSV-Sportchef, Trainer, Vorstand, Präsident und Aufsichtsrat in den folgenden Jahren. Der Einzige, der fast immer blieb, war Frank Wettstein, der nur wenige Wochen nach Huwer eingestellt wurde. Wettstein war der Finanzchef, Huwer das Finanz-Chefchen.

Als Wettstein vor einem Jahr gehen musste, hatte er genau den richtigen Mann für seine Nachfolge im Kopf: „Eric Huwer ist sicherlich ein geeigneter Kandidat“, sagte Wettstein im Abendblatt-Podcast. Mittlerweile arbeitet Wettstein als Geschäftsführer der Kerpen Datacom GmbH, ein 50-Millionen-Euro-Unternehmen für Datenkabel, in Stolberg, hat aber noch immer dieselbe Meinung. „Eric macht einen Klassejob beim HSV. Und er harmonisiert sehr gut mit Jonas.“

Bringen Huwer und Boldt den HSV nach vorn?

Das ist untertrieben. Boldt und Huwer sind Freunde, enge Freunde. Beide waren mehrfach zusammen im Urlaub, haben in Hamburg denselben Freundeskreis, wohnen in Eppendorf, spielen gemeinsam Golf, gehen gemeinsam feiern. Und schon gibt es die Ersten, die das kritisch sehen. Cliquenwirtschaft, heißt es. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand.

Dabei ist die Konstellation mit Boldt und Huwer das erste Mal seit vielen Jahren, dass es beim HSV langfristig in der Vorstandsebene ein harmonisches Miteinander geben könnte. Kann das schlecht sein?

Spricht man Huwer direkt darauf an, schüttelt der nur mit dem Kopf. Er wolle nur eines: Dass der HSV wieder beliebt ist, gewinnt und Erfolg hat. Oder mit anderen Worten: Schöne Grüße an den VfL Bochum.