Hamburg. Debatte um neue Rechtsform dreht sich einmal mehr um den mächtigen Investor. Ex-Vizepräsident Kinkhorst analysiert die Lage.
Am Freitag um 14 Uhr verschickte der HSV e. V. eine Mail an seine rund 90.000 Mitglieder. Betreff: Mitgliederversammlung 2023. Der Termin steht jetzt fest, der Ort nicht. Am Sonnabend, dem 21. Januar, um 11 Uhr wird sich das Präsidium um Marcell Jansen, Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß mit dem Mitgliedern treffen, um über wichtige Themen der Zukunft zu diskutieren. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe Rechtsform sollen vorgestellt werden. Womöglich muss sich Jansen auch dem Abwahlantrag eines Mitglieds stellen. In jedem Fall verspricht die Versammlung Spannung.
Nicht dabei sein wird dann Henning Kinkhorst. Der ehemalige Vizepräsident des Vereins, der zwischen 2015 und 2018 mit Präsident Jens Meier und Schatzmeister Ralph Hartmann den HSV e. V. führte, hat im Jahr nach der Wahlniederlage gegen das Team um Bernd Hoffmann seine Mitgliedschaft gekündigt.
HSV News: Kinkhorst kümmert sich jetzt Padeltennis
„Ich musste einen Schlussstrich ziehen, um dieser Vereinspolitik zu entgehen“, sagte der 52-Jährige am Freitag im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“. Heute kümmert sich der Unternehmer um den Trendsport Padeltennis. „Dort steht der Sport im Vordergrund und nicht die Politik oder die Strukturen.“Zu der aktuellen Vereinspolitik beim HSV und den Diskussionen um eine neue Struktur hat Kinkhorst aber auch vier Jahre nach seinem Aus als Vizepräsident noch eine klare Meinung, schließlich ist er dem HSV als Fan treu geblieben.
Einmal mehr dreht sich die Debatte im Volkspark um den Einfluss des mächtigen Investors Klaus-Michael Kühne. Kinkhorst war im Januar 2015, wenige Tage nach dem ersten Anteilsverkauf an die Kühne Holding AG, zum Vizepräsidenten gewählt worden. Sieben Jahre später sind alle 24,9 Prozent der verfügbaren Anteile an der HSV Fußball AG veräußert. Die erhofften strategischen Partner an der Seite von Kühne wurden nach dem ersten Anteilsverkauf aber nie gefunden.
„Herr Kühne ist Fluch und Segen zugleich"
Für Kinkhorst hat das eben auch mit dem meinungsstarken Gesellschafter selbst zu tun. „Herr Kühne ist Fluch und Segen zugleich. Er ist ein glühender HSV-Fan, aber er ist sich seiner Rolle auch sehr bewusst“, sagt Kinkhorst. „Es ist schwierig, andere Investoren zu finden, die in der Lage sind, auf Augenhöhe mit ihm die Themen zu besprechen. Auch bedingt durch seine Anteile hat er eine sehr große Dominanz.“ Auf einer Hauptversammlung der Aktionäre lernte Kinkhorst den Investor vor einigen Jahren persönlich kennen. Es war eine nachhaltige Begegnung. „Die Aura, die er hat, wenn er einen Raum betritt, ist schon beeindruckend“, sagt Kinkhorst.
Es geht auch um Kühne, wenn die Mitgliedschaft im Januar über die Vor- und Nachteile einer Umwandlung der HSV AG in eine KGaA informiert wird. In dieser Struktur hat ein Club die Möglichkeit, mehr als die von der DFL festgeschriebenen Anteile (50 Prozent +1) zu verkaufen, ohne dabei die Kontrolle über den Verein durch einen Investor zu verlieren.
Kühne sorgte mit Angebot für Aufsehen
Der Plan der Arbeitsgruppe um Vizepräsident Michael Papenfuß und Supporters-Chef Sven Freese sieht vor, auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Frühjahr über die Rechtsformänderung abzustimmen. Eine Zweidrittelmehrheit wäre nötig. Kinkhorst kann sich nur schwer vorstellen, dass die Mitglieder sich für eine KGaA-Umwandlung entscheiden in dem Wissen, dass Kühne dann seine Anteile erhöhen könnte. „Das ist ein ambitioniertes Unterfangen“, sagt er.
Hintergrund der Gespräche, die das aktuelle Präsidium mit Kühne intensivieren möchte, ist die fehlende Finanzierung für die Stadionsanierung hinsichtlich der Europameisterschaft 2024. Rund 20 Millionen muss der HSV noch über eine Fremdfinanzierung aufbringen. Kühne hatte sich zwar vor einigen Monaten noch dafür ausgesprochen, die Austragung der EM-Spiele in Hamburg abzusagen, doch Anfang August sorgte er mit einem 120-Millionen-Angebot, geknüpft an diverse Bedingungen, für Aufsehen. Unter anderem will Kühne die Stadionfinanzierung übernehmen.
„Ich wünschte mir eine Veränderung"
In seinem ursprünglichen Zehnpunkteprogramm forderte er dafür, seine Anteile von aktuell 15 auf 39,9 Prozent erhöhen zu können. Am Freitag ruderte Kühne in der „Morgenpost“ zurück. „Ich wünschte mir eine Veränderung, stelle aber keine Bedingungen“, sagte Kühne in Bezug auf seinen im Abendblatt geäußerten Wunsch einer HSV-Führung ohne Präsident und Aufsichtsratschef Marcell Jansen.
Dass die EM-Spiele in Hamburg stattfinden werden, bestätigte am Freitag die Meldung, dass der HSV und Vermarkter Sportfive beim Verkauf von Hospitality-Tickets für die EM kooperieren. „Wir freuen uns darauf, für die Stadt Hamburg den Austragungsort der Uefa EURO 2024 zu stellen und damit die Spielstätte für fünf Fußballfeste zu sein“, sagte Alleinvorstand Jonas Boldt in der Mitteilung.
„Viele Dinge scheinen sich in den HSV-Gremien zu klären“
Der ehemalige Vizepräsident Kinkhorst ist sich sicher, dass Kühne den HSV bei der Stadionsanierung unterstützen wird. „Ich glaube, es ist die einzige Idee, die der HSV aktuell hat“, sagt der Unternehmer. Die Vizepräsidenten Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß hatten Präsident Jansen bei der Frage nach Kühne überstimmt und sich für einen Verbleib des Kühne-Vertrauten Hans-Walter Peters im Aufsichtsrat ausgesprochen. „Viele Dinge scheinen sich in den HSV-Gremien zu klären“, sagte Kühne dazu der „Mopo“.
Für Jansen wird es in jedem Fall immer schwerer, bei der Umsetzung einer neuen HSV-Struktur die entscheidende Rolle zu spielen. Das sieht auch Kinkhorst aus der Sicht eines ehemaligen Präsidiumsmitglieds so. „Die Ereignisse der vergangenen Monate haben dazu geführt, dass er sich selbst sehr infrage stellen muss, ob er die ganzen Herausforderungen des HSV in seinen unterschiedlichen Funktionen bewältigen kann“, sagt Kinkhorst. „Marcell Jansen ist durch und durch HSVer, aber die Anforderungen an seine Person sind augenblicklich fast unmenschlich hoch.“
HSV News: „Der HSV braucht eine andere Struktur"
Kinkhorst kritisiert die Rolle des Beirats und die fehlende Transparenz bei der Auswahl der Aufsichtsratskandidaten. Das Ausscheiden des langjährigen Kontrollrats Andreas Peters etwa kann Kinkhorst nur schwer nachvollziehen.
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In einem Punkt ist er sich aber in jedem Fall sicher: „Der HSV braucht als Verein einfach eine andere Struktur, um das wirtschaftliche Potenzial in einer Stadt wie Hamburg zu nutzen.“ Kinkhorsts Schlusswort: „Die aktuelle Struktur ist ein Hindernis.“