Irvine. Der Verein hat 68 Fanclubs auf der Welt, aber noch keinen an der Westküste der USA. Lokalrivale FC St. Pauli hat gezeigt, wie es geht.

Vor zwei Monaten hörte René Preuß davon, dass der HSV im November eine Reise in die USA plant. Die Hoffnung war groß, dass die Wahl auf Florida fällt. Dort lebt der HSV-Fan mit seiner Frau Kerstin Süßmilch sechs Monate im Jahr. In Fort Myers besitzen die beiden ein Haus. Doch ihr Wunsch eines ortsnahen Aufenthalts wurde nicht ganz erhört. Kalifornien statt Florida lautete die Entscheidung des HSV.

Doch auch 4227 Kilometer Entfernung konnten Preuß und Süßmilch nicht abschrecken. Nachdem die beiden am vergangenen Donnerstag um 22 Uhr in Fort Myers landeten, setzten sie sich am nächsten Morgen in ihr Auto und machten sich auf den Weg. 37 Stunden Fahrtzeit. Drei Tage unterwegs.

USA-Reise: HSV-Fan Preuß reiste von Florida nach Kalifornien

Preuß ist nicht nur HSV-Allesfahrer in den sechs Monaten, in denen er in Deutschland lebt. Auch in den USA sammelt der Mann aus Erkelenz bei Mönchengladbach „Grounds“, wie es in der Sprache der Groundhopper heißt. Sein Ziel: Alle Footballstadien und Basketballarenen in den USA zu besuchen. So begann der Trip zum HSV beim Football-Spiel der Los Angeles Rams gegen die Arizona Cardinals im SoFi Stadium.

Am Dienstagabend war es dann das Championship Soccer Stadium von Irvine, in der Preuß und Süßmilch den 1:0-Sieg des HSV beim US-Zweitligisten Orange County SC verfolgten Das Ergebnis war für viele Fans an diesem Abend aber zweitrangig. Das Event stand unter dem Motto „Beerfest“. Unter den 4168 Zuschauern waren erstaunlich viele HSV-Anhänger, obwohl der Verein in Kalifornien noch keinen offiziellen Fanclub hat. Doch das soll sich so schnell wie möglich ändern. „Es ist unfassbar, wie viele HSV-Fans hier vor Ort sind. Damit habe ich nicht gerechnet. Das zeigt wieder, wie groß der HSV ist“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau nach dem Spiel.

Daumen hoch für die Fan-Nähe: René Preuß und Maskottchen Dino Hermann im Stadion von Irvine
Daumen hoch für die Fan-Nähe: René Preuß und Maskottchen Dino Hermann im Stadion von Irvine © Witters

Für den HSV war das Bierfest eine optimale Chance, neue Fangruppen in den USA zu erschließen. 68 Fanclubs haben die Hamburger bereits in 38 Ländern außerhalb Deutschlands, darunter in Sri Lanka, Sierra Leone oder Namibia. Aber erst zwei Fanclubs sind in den USA beheimatet. Die HSV Supporters in Chicago und der HSV-Fanclub New York City. Nun hofft der Club, dass bald auch der eine oder andere in Kalifornien dazukommt.

HSV hat zwei Fanbeauftragte mit in Kalifornien

Ganz so leicht zu steuern ist das nicht, auch wenn der HSV mit Andreas Witt und Nadine Arahavelias gleich zwei Fanbetreuer in den USA dabei hat. Insgesamt arbeiten acht Fanbetreuer beim HSV – mehr als bei den meisten Bundesligisten. Für die HSV-Fans in Kalifornien haben Witt und Arahavelias sogar eine eigene WhatsApp-Gruppe erstellt, um sie über alle Aktionen zu informieren.

Auch ein HSV-Fan aus Kolumbien ist angereist. Noch weiter hatten es zwei HSV-Anhänger aus Hongkong. Gegen Orange County bekamen sie alle Freikarten geschenkt. Die Hamburger versuchen sich in Irvine so fannah wie möglich zu geben. Das macht Trainer Tim Walter mit seiner Mannschaft auch in Hamburg so. Geheimtraining gibt es beim HSV nicht. Nach dem Spiel in Irvine gab es ein gemeinsames Gruppenfoto mit allen Fans. Am Sonnabend ist ein Fanabend am Huntington Brach geplant. In dieser Offenheit sieht der Club auch einen der Gründe, warum er aktuell einen so großen Zuschauerzuspruch hat. „Was der HSV hier alles macht für die Mitgereisten, ist schon toll“, sagt René Preuss.

Der Rheinländer war früher großer Fan von Franz Beckenbauer. Als dieser dann 1980 nach Hamburg wechselte, war es um Preuß und den HSV geschehen. „Dann ist es ausgeartet“, sagt Preuß. Seine Frau Kerstin begleitet ihn auf vielen Reisen, aber nicht bei jedem Auswärtsspiel. „Sie duldet das“, sagt Preuß und lacht. Einen eigenen Florida-Fanclub haben die beiden noch nicht gegründet.

Möglicherweise könnten in Zukunft ein paar Schüler aus San Diego den ersten Fanclub in Kalifornien gründen. An der deutschen Grundschule waren die Kinder begeistert, als Bakery Jatta und Moritz Heyer am Montag zusammen mit Maskottchen Dino Hermann vorbeikamen und neben einer Lesestunde noch eine kleine Tanzeinlage des Dinos auf dem Programm stand.

Deutscher Generalkonsul aus San Francisco schaute beim HSV vorbei

500 Kilometer weiter nördlich gehen auch die Kinder von Oliver Schramm zur Schule. Der 58-Jährige ist der deutsche Generalkonsul in San Francisco und schaute am Dienstagabend mit seinen drei Söhnen beim HSV-Spiel in Irvine vorbei. Alle vier sind glühende HSV-Fans. Schramm ist in Langenhorn aufgewachsen und verliebte sich Ende der 70er Jahre in die Rothosen um Kevin Keegan. Er ist überzeugt, dass der HSV in Kalifornien viel Potenzial hat, neue Fans zu gewinnen. „Die Amerikaner sind sehr offen. Es hilft, wenn der HSV kommt und hier Spiele macht“, sagt Schramm.

Seine Söhne stellen sich nachts den Wecker, um die Spiele über das HSV-Netradio zu hören. Den HSV live im Fernsehen oder im Onlinestream zu sehen, ist kaum möglich. Das ist ein Problem. Dazn und ESPN+ haben zwar das Spiel gegen Orange County übertragen, doch die deutschen Zweitligaspiele werden in den USA nicht gezeigt. Um regelmäßig auch in Nordamerika gesehen zu werden, muss der HSV am besten in die Bundesliga zurückkehren.

USA-Reise: St. Pauli hat es dem HSV vorgemacht, wie man Fans in Amerika begeistert

Dass es auch als Zweitligist möglich ist, neue Fanclubs in den USA zu generieren, hat der FC St. Pauli bewiesen. Der Stadtrivale reiste 2018 (Detroit, Portland) und 2019 (New York) in die Staaten. Es sollte sich lohnen. Der Kiezclub erhöhte dort sowohl die Zahl der Fans als auch die Erlöse aus dem Merchandising um 20 Prozent. Auch neue Fanclubs wurden gegründet.

Ähnliches erhofft sich nun der HSV. Und auch René Preuß wünscht sich, dass er in Fort Myers künftig nicht mehr vier Stunden mit dem Auto fahren muss, um mit seinem Kumpel zusammen HSV zu gucken. Aber mit langen Strecken kennt er sich als Allesfahrer aus. Und auch sein Auto wird in den USA allmählich bekannter. Das besondere Kennzeichen, wie sollte es anders sein: HSV 1887.