Hamburg. Der Zweitligaclub kehrt heute von seiner neuntägigen Reise durch Nordamerika zurück. Neuzugang Knoll unterschreibt bis 2022.

Leicht dezimiert wird an diesem Donnerstag gegen 14.15 Uhr die Delegation des FC St. Pauli auf dem Flughafen Fuhlsbüttel landen. Leicht dezimiert deshalb, weil einige Spieler wie Torwart Robin Himmelmann und Innenverteidiger Philipp Ziereis die Chance der nun beendeten USA-Reise nutzen, ihren jetzt beginnenden Sommerurlaub in Nordamerika zu verbringen. Sie sind deshalb nicht erst wieder nach Europa zurückgeflogen.

Derweil hat der Club den ersten Neuzugang für die kommende Spielzeit in der Zweiten Liga verpflichtet. Innenverteidiger Marvin Knoll wechselt für rund 200.000 Euro Ablöse vom Ligakonkurrenten Jahn Regensburg ans Millerntor, wo er einen Vertrag bis zum Sommer 2022 unterschrieb. „St. Pauli steht für Herzblut, Leidenschaft, Kampf und Teamgeist. Das sind Werte und Tugenden, mit denen ich mich voll identifizieren kann. Ich freue mich auf die Mannschaft, die Fans und die einzigartige Atmosphäre am Millerntor“, sagt Knoll, der den zum 1. FC Köln gewechselten Abwehrchef Lasse Sobiech ersetzen soll. „Wir freuen uns, dass wir Marvin verpflichten konnten. Er ist ein gefährlicher Freistoßschütze, der neben Torgefahr zudem noch Zweikampfstärke und Führungsqualitäten mitbringt“, sagt Sportchef Uwe Stöver.

Jeder Tag vollgepackt mit Terminen

Während sich der Neue einleben muss, werden die Mitglieder der Reisegruppe in den kommenden Tagen erst einmal die Erlebnisse der vergangenen neun Tage sortieren. Washington, Baltimore, Detroit und Portland lauteten die Stationen – vier Städte, drei Hotels und jeder Tag vollgepackt mit Terminen. Verantwortlich dafür waren Christian Prüß aus der Abteilung CSR des FC St. Pauli sowie Merchandising-Chef Bernd von Geldern, die beide mehr als ein Jahr lang den Trip akribisch vorbereitet hatten. „Sie haben großartige Arbeit geleistet. Es war sehr schade für Christian Prüß, dass er kurzfristig nicht mitreisen konnte, weil er krank geworden war“, sagt Vereinspräsident Oke Göttlich.

Für Bernd von Geldern stellte die Reise den bisherigen Höhepunkt seiner Tätigkeit dar. Als Delegationsleiter und Organisationschef war er allerdings auch ­jeden Tag extrem gefordert, weil trotz detaillierter Planung immer wieder unvorhergesehene Dinge geschahen: wie ein plötzlich von anderen Sportlern belegter Trainingsplatz oder ein heftiger Regen, der einen geplanten Spaziergang in Washington unmöglich machte.

Harte Überzeugungsarbeit

Im Gespräch mit dem Abendblatt berichtete von Geldern zum Abschluss des USA-Trips, dass er vereinsintern zunächst harte Überzeugungsarbeit hatte leisten müssen, um das Vorhaben überhaupt durchzusetzen. „Als wir das vor einem Jahr zum ersten Mal im Kollegenkreis diskutiert haben, war die überwiegende Meinung, dass es eine absurde Idee ist“, erzählt er. Die entscheidende Wende seien dann das Signal der Deutschen Fußball Liga (DFL) gewesen, dass sich St. Pauli in den USA präsentieren solle, und die Einladung des Detroit City FC.

„Wir haben danach an vielen kleinen Rädern gedreht, um das große zu starten“, sagt von Geldern und meint die Herausforderung, die verschiedenen Veranstaltungen mit den gastgebenden Clubs, den verschiedenen Fanclubs und schließlich den US-amerikanischen Partnern Under Armour (Ausrüster) und Levi’s (Sponsor) zu koordinieren sowie gleichzeitig eine vertretbare Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Vielschichtige Interessen

Die Kosten für den gesamten Trip beliefen sich auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag, von dem allein die DFL rund die Hälfte übernahm. Auch Under Armour trug noch etwas über sein ohnehin vertraglich vereinbartes Engagement zur Reise bei. Von Geldern ist wichtig zu betonen, dass die Tour vielschichtige Interessen verfolgt hat. „Mich hat es geärgert, dass vorher von einer Kommerzreise oder Promo-Tour die Rede war. Wir haben bewiesen, dass es nicht so war. Wir sind nicht wegen Under Armour hierhergekommen. Vielmehr haben wir erst, als die Reise bereits geplant war, Under Armour gefragt, ob sie dabei sein möchten“, konkretisiert er den Unterschied. „Wir wollten hier eine Geschichte erzählen und unsere hier ansässigen Fans abholen.“ Auch politische Zeichen wurden gesetzt wie die Präsentation der Regenbogenfahne vor dem Weißen Haus in Washington oder der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte in Portland.

Angesichts der in vielen nordamerikanischen Städten seit Längerem existierenden Fanclubs war der FC St. Pauli wohl der einzige deutsche Zweitligist, für den ein USA-Aufenthalt Sinn ergibt. „Es war beeindruckend zu erleben, wie rund 400 Anhänger aus ganz Nordamerika nach Detroit gekommen sind und sich gefreut habe, live unser Team zu erleben, mit dem sie sonst nur aus weiter Ferne mitfiebern“, sagt von Geldern.

Spezielle Herausforderungen

Dabei lobt er ausdrücklich, dass auch die 19 mitgekommenen Spieler voll mitgezogen und sich auf die speziellen Herausforderungen bei dieser Reise eingelassen haben. Das ging konkret sogar so weit, dass Torwart Philipp Heerwagen in der zweiten Halbzeit des Spiels in Detroit, als er seinem Kollegen Robin Himmelmann das Tor überlassen hatte, sich in den Block der Fans mischte. „Diese Anfassbarkeit steht uns ungeheuer gut. Die ist in Deutschland manchmal gar nicht möglich. Aber hier können wir richtig St. Pauli sein“, sagt von Geldern.

Die in Detroit generierten Bilder, die über verschiedenste Kanäle verbreitet wurden, hätten die Verantwortlichen der DFL beeindruckt. Auch in Portland gab es zum Abschluss einen regen Austausch zwischen den Vertretern St. Paulis und dem angestammten Fanclub Timbers Army. „Wir müssen das natürlich alles noch aufarbeiten. Aber wir haben hier ein Pflänzchen gesät, das auch nicht umgepustet wird, wenn wir ein halbes Jahr nicht da sind. Die Basis war schon da, die haben wir gestärkt.“

Als Nächstes Kalifornien bereisen

Persönlich nahm auch van Geldern bleibende Eindrücke mit. „Ich hatte einige Situationen, in denen ich richtig froh war. So ein ganz spezieller Abend war das Konzert von Rise Against in Detroit. Schade, dass es vorbei ist.“

Eine einmalige Aktion soll diese USA-Reise nicht bleiben. „Ich habe felsenfest vor, wiederzukommen. Am besten schon im nächsten Jahr zur selben Zeit. Vielleicht kommt Kalifornien dazu“, sagt von Geldern voller Euphorie, stellt aber klar, dass für St. Pauli kaum andere Länder als die USA für einen derartigen Besuch in Betracht kommen. „Für den Zielmarkt Indonesien etwa fehlt mir die Idee, wie wir uns dort vergleichbar präsentieren könnten.“

In Sachen Merchandising sieht er St. Pauli in den USA bereits an dritter Stelle von allen deutschen Fußballclubs hinter Bayern München und Borussia Dortmund. Der Umsatz liegt aber noch im sechsstelligen Bereich. Insgesamt hat der FC St. Pauli im vergangenen Geschäftsjahr mehr als acht Millionen Euro mit Fanartikeln umgesetzt. Es war das erste volle Jahr, in dem der Club diesen Bereich wieder in Eigenregie betreibt. Gleiches soll von 2019 an im Bereich des Marketings vollzogen werden. Und auch hier könnten US-Firmen eine Rolle für das angestrebte weitere Wachstum spielen. „Durch unsere Reise werden künftige Gespräche mit Sponsoren auf jeden Fall anders als vorher“, sagt von Geldern voraus. Noch mehr Potenzial für den FC St. Pauli.