Hamburg. Wenn die Hamburger bei den Franken antreten, ist es auch das Duell zweier Übungsleiter, die eine ganz besondere Spielidee verfolgen.

Tim Walter setzte sich am Dienstagmittag in eine Zeitmaschine zurück ins Jahr 1993. „Endlich 18“, sagte der HSV-Trainer, als ihm ein paar Fans beim Abschlusstraining vor dem Spiel bei Greuther Fürth am Mittwoch (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) zum 47. Geburtstag gratulierten.

An der Seite der vielen Youngster wie William Mikelbrencis (18), Bent Andresen (18), Tom Sanne (18), Omar Megeed (17) und erstmals auch Jesse Kilo (18) fühlte sich Walter offenbar gut aufgehoben, um seinen Ehrentag zu verbringen. Einen Grund zum Feiern hat das Geburtstagskind auch an diesem Mittwoch. Walter bestreitet sein 50. Ligaspiel als HSV-Trainer. Dieses Jubiläum gab es zuletzt vor neun Jahren, als Torsten Fink den Club betreute.

HSV in Fürth: Auch Zorniger liebt offensiven Fußball

Auch Alexander Zorniger dürfte sich am Mittwochabend wie auf einer Zeitreise fühlen. Der neue Trainer der SpVgg Greuther Fürth traf zuletzt im Jahr 2015 auf den HSV. Im Volksparkstadion verlor Zorniger damals mit dem VfB Stuttgart in einem spektakulären Spiel mit 2:3. Ähnlich erging es dem heute 55-Jährigen in den Wochen darauf. Stuttgart spielte furios, aber verlor fast immer. Nach nur zehn Spielen war schon Schluss. Zorniger wurde beim VfB entlassen.

Für den Fußballlehrer begann daraufhin eine Reise im Ausland. Drei Jahre lang trainierte er zunächst den dänischen Erstligisten Brøndby IF. Zuletzt wurde er Meister auf Zypern mit Apollon Limassol, wo er nach der verpassten Qualifikation für die Champions League aber wieder gehen musste. Nach sieben Jahren ist Zorniger jetzt zurück im deutschen Profifußball. Sein Start hätte mit zwei 1:0-Siegen gegen Arminia Bielefeld und bei Eintracht Braunschweig kaum besser laufen können.

Nun kommt es in Fürth nicht nur zum Duell zweier Clubs, die vor der Saison beide als Aufstiegskandidaten gehandelt wurden. Auch das Treffen der Trainer verspricht Spannung. Zorniger und Walter sind zwei selbstbewusste Trainer mit einer ganz eigenen Handschrift. „Wie viel Alexander Zorniger steckt in Tim Walter?“, fragte daher auch die „Stuttgarter Zeitung“ nach der Amtsübernahme des aktuellen HSV-Trainers vor drei Jahren beim VfB. „Alexander Zorniger versuchte den Spielstil des VfB zu revolutionieren, setzte auf spektakulären Fußball“, schrieb die Zeitung über Zorniger vier Jahre nach seinem Aus in Stuttgart aufgrund von „krachenden Niederlagen“.

Was Guardiola und Klopp mit dem HSV und Fürth zu tun haben

Revolutionär und spektakulär – so könnte man auch den Fußball von Tim Walter bezeichnen. Insbesondere bei seinen ersten Profistationen in Kiel und Stuttgart ließ der Badener seinen ungewohnten Ballbesitzfußball mit den vielen Positionswechseln und dem mitspielenden Torwart in Extremform spielen. Auch beim HSV begann Walter vor einem Jahr mit ziemlich wildem Fußball und seiner komplexen Spielidee, die der Trainer mit der Zeit aber anpasste und ihr ein wenig Radikalität und Risiko nahm. Trotzdem steht Walters Fußball nach wie vor für Spektakel.

Parallelen zwischen Walter und Zorniger gibt es allerdings ausschließlich in ihren offensiven Denkweisen. Während Walters Ansätze eher mit Pep Guardiola zu vergleichen sind, hat Zorniger seinen Stil bei Jürgen Klopp abgeschaut. Bei Walter geht es um Lösungen im Ballbesitz, Zornigers Philosophie basiert auf der Arbeit gegen den Ball. „Wir werden gegen den Ball spielen“, sagte Zorniger auch bei seiner Vorstellung in Fürth. „Gegen den Ball heißt aber nicht, dass wir defensiv spielen. Wer meinen Weg verfolgt hat, der weiß, dass auf dem Platz etwas los ist. Und das wollen wir jetzt wieder machen.“

Geprägt wurde Zorniger als Trainer in seiner Zeit bei RB Leipzig, als er unter Sportdirektor Ralf Rangnick die Philosophie des überfallartigen Umschaltfußballs verinnerlichte. Nach Zornigers Abgang in Leipzig 2015 perfektionierte RB unter Rangnick sein Gegenpressing-System. In Dänemark entwickelte Zorniger seine Idee wiederum weiter.

Seine Grundprinzipien sind bis heute aber gleich. „Wir brauchen ein hohes Maß an Grundaggressivität und eine gewisse Schwarmintelligenz. Wir wollen den Ball nicht nur zur Selbstbeweihräucherung, sondern er soll dahin, wo er dem Gegner auch wehtut“, sagte Zorniger. Die beiden 1:0-Siege zum Auftakt zeugen davon, dass Zorniger auf seiner Zeitreise gelernt hat.

In Stuttgart scheiterte er 2015 an seinem Spektakel-Fußball. Gleich sein erstes Spiel als VfB-Trainer war eine Blaupause für seine Zeit. 28:9 Torschüsse waren es zu Hause gegen den 1. FC Köln, 1:3 lautete das Endergebnis. 15:6 Torschüsse waren es im zweiten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt, 1:4 lautete der Endstand.

Ehemaliger HSV-Reporter ist Co-Trainer von Zorniger

Heute guckt Zorniger nicht mehr nur auf sein System, sondern auch auf den Gegner. Unterstützt wird er dabei seit einem Jahr vom Hamburger Jurek Rohrberg, der als Sky-Reporter viele Jahre aus dem Volkspark berichtete und auch mit Walter mehrfach Interviews führte.

Aber auch ohne Rohrbergs Ratschläge weiß Zorniger: „Das Risiko im Aufbauspiel ist ein Schlüssel, um dem HSV wehzutun, definitiv“, sagte Zorniger am Dienstag. Sein Ansatz: „Wir können nicht nur sagen: Wir verteidigen wieder alles weg. Es gibt sicherlich auch die Möglichkeit, das Ganze wie auch schon gegen Braunschweig mit ein paar ganz guten Aktionen im hohen Pressing anzugehen. Da müssen wir eine gute Balance finden.“

Das Potenzial für seinen schnellen Umschaltfußball ist in Fürth in jedem Fall gegeben. Und genau das wird der Trainer am Dienstagabend auch versuchen. Zorniger weiß, dass der HSV bei Kontern grundsätzlich anfällig ist. Das bringt der Fußball von Tim Walter einfach mit sich. Der neue Chefcoach der Fürther weiß aber auch, dass nicht nur eine riskante, sondern vor allem auch eine „attraktive Spielweise, viel Geschwindigkeit und fußballerische Qualität“ auf ihn und Fürth zukommt. Oder mit anderen Worten: Spaß und Spektakel.

Fürth: Linde – Griesbeck, Michalski, Haddadi – Meyerhöfer, Christiansen, Raschl, John – Hrgota – Ache, Sieb.

  • HSV: Heuer Fer­nandes – Königsdörffer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Benes – Kittel, Glatzel, Dompé.

  • HSV-Profi Anssi Suhonen (21) wurde am Dienstag wie erwartet erstmals für die finnische Nationalmannschaft nominiert.