Hamburg. Die Fan-Abteilung erarbeitet für ihre 65.000 Mitglieder ein Alternativprogramm zur Endrunde im Wüstenstaat. Die Pläne.

In der Sporthalle Wandsbek könnte es eng werden, wenn am 20. November das Stadtderby im Futsal zwischen den HSV-Panthers und dem FC St. Pauli ausgetragen wird. Es ist der Nachmittag, an dem um 17 Uhr deutscher Ortszeit im Al-Bayt Stadium von Al-Khor die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador beginnt.

Ein Public Viewing ist in der Sporthalle Wandsbek nicht geplant. Und trotzdem könnten die 2400 Plätze alle besetzt sein. Der Grund: Der Supporters Club des HSV ruft gemeinsam mit dem Förderkreis Nordtribüne dazu auf, die WM in Katar zu boykottieren. Stattdessen planen die Organisatoren des Protests ein Alternativprogramm, unter anderem beim Futsal in Wandsbek.

Die Boykott-Aktion beginnt bereits eine Woche vor dem WM-Start am 13. November im Rahmen des Regionalliga-Nordderbys der HSV-Frauen gegen Hannover 96 (14 Uhr). Das gab der Supporters Club am späten Mittwochnachmittag bekannt. Drei Tage später wollen die Fans dann zum Rollstuhlbasketball des Hamburger Bundesligisten BG Baskets gegen Hannover United (19 Uhr) in die Wilhelmsburger edel-optics.de Arena strömen, während parallel im Oman die DFB-Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick ihr letztes WM-Testspiel bestreitet.

HSV-Supporters planen besonderen Boykott der Katar-WM

Die Idee dieses etwas anderen Katar-Boykotts hatte Simon Philipps. Der 33-Jährige ist Teil der fünfköpfigen Führung des Supporters Clubs, der die Interessen von 65.000 Mitgliedern im HSV e. V. vertritt. Als vor wenigen Monaten der Spielplan der HSV-Fußballer in der Zweiten Liga veröffentlicht wurde und Simon die lange Winterpause von Mitte November bis Ende Januar auffiel, kam der spontane Einfall. Gleichzeitig hatten die HSV-Fans gerade mit einem Aufruf für einen ungewöhnlich großen Support der HSV-Frauen während der Aufstiegsspiele in die Zweite Bundesliga gesorgt.

Hinzu kam die allgemeine Abneigung gegen die WM in Katar. So entstand die Idee des Alternativprogramms. „Ein einfacher Boykott ist uns zu leicht. Dagegen sein kann jeder. Wir wollen für etwas sein“, sagte Philipps am Mittwoch im Gespräch mit dem Abendblatt. „Wir wollen Alternativen schaffen. Der Breitensport ist das Gegenteil von dem, was in Katar passiert. Das ist ein cooles Zeichen. Gleichzeitig hoffen wir, die Fans mit den Aktionen für unsere anderen Abteilungen zu begeistern.“

Boykott-Idee stößt auf große Zustimmung

In der Fanszene des HSV, insbesondere bei den Ultras, stieß Philipps mit seiner Idee auf große Zustimmung. Die meisten von ihnen wollen die Spiele in Katar nicht gucken. Sondern stattdessen ihren Verein unterstützen, um trotzdem gemeinsam Sport zu schauen. Simon Philipps ist einer von ihnen. „Ich nehme es mir vor, gar keine Spiele zu gucken. Auch wenn es nicht einfach wird, wenn Deutschland im Halbfinale gegen England spielen sollte“, sagt der Kommunikationsberater, der am liebsten ins Volksparkstadion geht, um den HSV zu sehen.

Die Leitung des HSV Supporters Clubs: Pascal Hargens (v. l.), Sven Freese, Simon Philipps, Christian Bieberstein und Kimi Barcelona.
Die Leitung des HSV Supporters Clubs: Pascal Hargens (v. l.), Sven Freese, Simon Philipps, Christian Bieberstein und Kimi Barcelona. © Supporters Club

Während die deutsche Nationalmannschaft um die Gunst ihrer Zuschauer kämpfen muss, erlebt der HSV aktuell einen großen Fanzuspruch. Für das Spiel gegen Jahn Regensburg am Sonntag (13.30 Uhr) sind bereits 45.000 Karten verkauft, sechs Tage später sind es für das Sandhausen-Heimspiel schon 44.000 Tickets – mehr als beim bislang letzten Heimspiel der DFB-Auswahl in Leipzig gegen Ungarn (39.513). „Mein Interesse an der Nationalmannschaft hat ohnehin abgenommen“, sagt Philipps.

„Die WM in Katar ist aus so vielen Gründen falsch“

Entscheidend für den Katar-Protest sei aber hauptsächlich die politische Situation im Land des WM-Gastgebers. „Die WM in Katar ist aus so vielen Gründen falsch, insbesondere aufgrund der Menschenrechtssituation und des Baus der Stadien. Katar ist ein Land, in dem Homosexuelle verfolgt werden und Frauen nicht die Rechte haben, die ihnen zustehen“, sagt Philipps. Gemeinsam mit Vertretern des Förderkreises Nordtribüne, zu dem auch die aktive Fanszene gehört, haben HSV-Supporter in den vergangenen Wochen an der Idee gefeilt.

Für das Alternativprogramm, zu dem bislang neben den Spielen der HSV-Frauen, Futsaler und den Rollstuhlbasketballern auch ein Spiel des HSV III gegen den FC Süderelbe (9. Dezember) und die Partie der HSV-Eishockeymannschaft gegen den ERC Wunstorf (23. Dezember) gehören, wird es eine Dauerkarte geben, die 18,87 Euro kostet. Das ist zwar teurer, als wenn sich die Fans einzelne Tickets für alle Veranstaltungen kaufen, doch die Einnahmen der Dauerkarten-Verkäufe sollen direkt in die Abteilungen gehen. Zudem sind Spendenaktionen rund um die Veranstaltungen geplant – aber eben auch politische Statements.

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HSV-Fans: WM in Katar „wie ein Brennglas“

Der Boykott ist gleichzeitig ein weiterer Schritt hin zu einer klaren Haltung der HSV-Fans bei politischen Themen. In den vergangenen Jahren hat sich die aktive Fanszene des HSV verstärkt für gesellschaftspolitische Themen eingesetzt. Insbesondere die Ultras sprechen sich klar gegen Rassismus und Homophobie aus, aber auch gegen die Kommerzialisierung des Fußballs.

„Es gibt bei vielen Menschen großen Frust über den Profifußball. Katar ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Es entlädt sich vieles, was sich an anderen Stellen aufgebaut hat. Die WM ist wie ein Brennglas“, sagt Philipps.

Der HSV-Fan weiß, dass auch sein Club sich den Zwängen des Fußballgeschäfts nicht entziehen kann. Schließlich sucht auch der HSV immer wieder nach neuen Geldgebern und Investoren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Als Fan ist man in einem dauerhaften Konflikt. Man ist Teil des Systems, auch der HSV.“ Im Fall Katar, da sind sich die meisten Fans einig, ist die Grenze dieses Systems aber überschritten.