Paderborn/Hamburg. Beim HSV freut man sich über ein fantastisches Spiel – und die Erkenntnis, dass man auch mit wildem Walter-Fußball noch gewinnen kann.
Da Hamburg eine selbst ernannte Weltstadt ist, dürfte es nicht weiter verwundern, dass sich die Hanseaten bereits seit Jahren mit der Halloween-Welle, die aus den USA nach Deutschland geschwappt ist, arrangiert haben. So waren die wenigsten Hamburger am späten Montagnachmittag verwundert darüber, dass die Straßen der Hansestadt mit allerlei Vampiren, Hexen und kleinen Geistern bevölkert waren.
Das eine oder andere Kostüm sorgte allerdings doch für ein ungläubiges Augenreiben oder ein Lächeln. Zum Beispiel die beiden Hermine Grangers, die in Eimsbüttel und Lokstedt auf der Suche nach Süßigkeiten um die Häuser zogen. Vor allem aber der 1,93 Meter große Bewacher der beiden kleinen Harry-Potter-Freundinnen zog die Blicke auf sich, weil der doch sehr an HSV-Torschreck Robert Glatzel erinnerte. Und das Beste an dem Glatzel-Kostüm: Es war gar kein Kostüm.
HSV und Paderborn liefern sich Spektakel
„Die Kinder haben sich schon die ganze Woche auf Halloween gefreut“, verriet Papa Glatzel am Vortag, als er noch einmal erklären musste, was gar nicht so einfach zu erklären war. Der HSV hatte gerade das Spitzenspiel des 14. Zweitliga-Spieltags mit 3:2 beim SC Paderborn gewonnen und sich vom dritten auf den zweiten Tabellenplatz vorgeschoben.
Fast genauso wichtig wie der Sieg war allerdings die Erkenntnis, dass nach vier sieglosen Spielen in Serie der HSV eben genauso gewinnen kann, wie er unter Trainer Tim Walter am liebsten gewinnt: mit ordentlich Remmidemmi, ganz viel Spektakel und dem echten Glatzel in Bestform. „Das war ein Charaktertest“, sagte der Beschützer der Harry-Potter-Freundinnen. „Wir haben uns 90 Minuten durchgebissen, mit alle Mann verteidigt und am Ende verdient gewonnen.“
Die Zusammenfassung der Ereignisse ist genauso zutreffend wie überraschend. Denn obwohl sich Walters Mannschaft in Paderborn bravourös gegen das fünfte Spiel in Folge ohne Sieg gestemmt und gemeinsam als Team verteidigt hatte, hätte die Partie in Ostwestfalen auch gut und gerne 5:5 ausgehen können. „Es gab heute zwei Sieger: den HSV und den Fußball in der Zweiten Liga“, sagte deswegen auch Paderborns Trainer Lukas Kwasniok, der sich lediglich darüber ärgern musste, dass die unverrückbaren Regeln des Spiels nicht auch noch seine Mannschaft trotz des 2:3 als dritten Sieger zuließen.
HSV entscheidet Wild-West-Ballerei für sich
Wer das gesamte Spektakel der 94 Minuten in nur einer Minute komprimieren wollte, der brauchte sich eigentlich nur noch einmal die 61 Sekunden vor dem Halbzeitpfiff anzuschauen, die Kwasniok später als „spielentscheidende Szene“ bezeichnete. Es war eine sogenannte Hin-und-her-Szene, die im besten Sinne an eine Wild-West-Ballerei erinnerte. Hüben war es zunächst der bärenstarke Laszlo Benes, der Paderborns Jannik Huth prüfte. Der SC-Torhüter vereitelte auch den Nachschuss von Glatzel, ehe der Befreiungsschlag direkt zur Großchance drüben wurde.
Dort enteilte nämlich Sirlord Conteh Bewacher Mario Vuskovic und zirkelte den Ball schließlich an und nicht unter die Latte. Der HSV im Glück – und die 61 Sekunden waren ja nicht nicht vorbei. Denn wieder hüben bediente der eben noch knapp gescheiterte Benes den formidablen Jean-Luc Dompé, der seine starke Leistung mit dem Treffer zum 2:1-Pausenstand krönte. Was für eine Minute, was für ein Spiel!
„Es war ein wildes, aber auch ein tolles Spiel“, sagte später auch HSV-Coach Walter, der nach Robert Leipertz’ zweitem Treffer zum 2:2 (51.) aufs Ganze ging, Rechtsverteidiger William Mikelbrencis rausnahm und Angreifer Ransford Königsdörffer als stürmenden Außenverteidiger brachte. Die Devise dahinter: Ein Punkt reichte ihm nicht. Und Walters Mut sollte nur wenige Sekunden später belohnt werden, als Mittelfeldlenker Benes sich für sein herausragendes Spiel selbst belohnte und zum 3:2 traf (69.).
HSV-Sonderlob für Benes
„Wir wissen genau, was wir vorhaben. Wir haben ein großes Ziel in dieser Saison“, sagte Benes, der von Mittelfeldkollege Jonas Meffert ein fettes Sonderlob bekam. Nicht für sein entscheidendes Tor. Sondern für seine Defensivarbeit. „Wie er inzwischen das defensive Gefühl hat, ist Wahnsinn. Diese eine Grätsche. Er hat alles für das Team gegeben“, schwärmte Meffert, der mit seiner hohen Meinung über den Slowaken nicht alleine stand.
„Laci hatte am Anfang extreme Probleme mit unserer Philosophie“, erklärte Trainer Walter nach dem 3:2-Spektakel, als er versuchte, trotz allen Tamtams gewohnt nüchtern die Dinge einzuordnen. „Er hat nie gejammert, sondern immer versucht, sich weiterzuentwickeln“, lobte Walter. „Laci bringt eine Menge Energie auf den Platz, das macht uns einfach Spaß.“
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HSV hat Spaß, muss aber gewarnt sein
Und wenn der HSV Spaß hat, so viel kann man nach 14 Spieltagen bereits sagen, ist er nur schwer in dieser Spielzeit zu schlagen. Allerdings zeigte der HSV in dieser Saison auch immer wieder, dass sich die Mannschaft in Spielen, in denen der Spaßfaktor nicht ganz so ausgeprägt ist, auch schwertun kann.
Beim 2:3 gegen Magdeburg zum Beispiel, als die Hamburger die erste Stunde komplett verschliefen und erst in der Schlussphase Spaßfußball boten. Ähnliches sollte in den verbleibenden drei Partien gegen Regensburg, in Fürth und gegen Sandhausen – alles eher Spiele der Kategorie Magdeburg – nicht noch einmal passieren.
Der HSV hat in dieser Saison nichts mehr zu verschenken – im Gegensatz zu den staunenden Türöffnern, die sich am Montagnachmittag über die doppelte Hermine Granger freuen durften. Und über Aufpasser Robert Glatzel.