Hamburg. Erstmals flogen drei Hamburger in einem Spiel vom Platz – besonders die Folgen schmerzen. Schiedsrichter kritisieren Verhalten schwer.

An diesem Montag erwartet den HSV Post. Gleich dreifach. Der DFB-Kontrollausschuss dürfte die Hamburger drei Tage nach der 1:2-Niederlage gegen Darmstadt mit erstmals in der Club-Geschichte drei HSV-Platzverweisen darüber informieren, wie lange die Sündenböcke Aaron Opoku, Ransford Königsdörffer und Jonas Boldt gesperrt werden. Gemutmaßt wird, dass Sportvorstand Boldt nach seinem Acht-Sekunden-Platzsturm wohl beim nächsten Spiel in Nürnberg den Innenraum des Max-Morlock-Stadions weder vor, während noch kurz nach dem Spiel betreten darf.

Königsdörffer muss nach seinem Gesichtswischer mit der Mindeststrafe für Tätlichkeiten rechnen, also mit einer Sperre von zwei Partien. Am schlimmsten wird es aber sicherlich Opoku treffen, der den am Boden liegenden Darmstädter Fabian Holland getreten hatte. Hier rechnen Experten mit mindestens acht Spielen Zwangspause.

HSV als schlechter Verlierer – DFB im Fokus

Aller schlechten Dinge sind drei? Nicht ganz. Denn nach Abendblatt-Informationen sollen die DFB-Regelhüter über die Verkündung des Strafmaßes für die drei Übeltäter hinaus noch Gesprächsbedarf haben. Denn auch das HSV-Nachspiel könnte noch ein Nachspiel haben.

So ist in Frankfurt am Main über das Wochenende angekommen, dass die Emotionen auch nach dem Schlusspfiff am Freitag in Hamburg nicht runterkochen wollten. Erst war es HSV-Trainer Tim Walter, der erneut im Vorbeigehen von „der schlechtesten Schiedsrichterleistung aller Zeiten“ und von „einer bodenlosen Frechheit“ sprach – und damit fast die gleichen Worte wählte, die er schon Schiedsrichter Deniz Aytekin nach dem Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC (0:2) ins Gesicht gesagt hatte.

Dann war es der ansonsten meist besonnene Jonas Meffert, der deutliche Worte fand: „Was der Schiedsrichter heute gemacht hat, war für mich eine absolute Frechheit. Dabei geht es gar nicht nur um seine Entscheidungen. Ich habe nicht alles gesehen, aber ich habe gehört, wie er mit unseren Spielern geredet hat. Das ist unfassbar und war unter der Gürtellinie.“ Laut Meffert musste sich besonders Opoku nach seinem Tritt und der folgerichtigen Roten Karte von Schiedsrichter Robert Schröder Worte anhören, die einem Unparteiischen so nicht zustehen.

Rote Karte Nummer eins für den HSV: Aaron Opoku (l.) will nicht glauben, dass Schiedsrichter Robert Schröder ihn vom Platz schickt.
Rote Karte Nummer eins für den HSV: Aaron Opoku (l.) will nicht glauben, dass Schiedsrichter Robert Schröder ihn vom Platz schickt. © WITTERS | FrankPeters

Schiedsrichter wehrt sich gegen HSV-Vorwürfe

Stellt sich nur die Frage: Stimmen die schweren Vorwürfe überhaupt? Vom Abendblatt mit den Behauptungen konfrontiert, dementierte Referee Schröder energisch, dass er einen Spieler beleidigt habe.

„Ich habe den Spielern klar gesagt, dass wir hier jetzt nicht zu diskutieren brauchen. Die Spieler, die dann die Rote Karte bekommen haben, haben von mir die klare Ansage bekommen, das Spielfeld zu verlassen. Ich habe da aber kein Fehlverhalten von meiner Seite feststellen können“, sagte Schröder, der daran erinnerte, dass die gesamte Kommunikation mit den Spielern ohnehin durch das Headset übertragen und auch aufgezeichnet wurde. „Ich habe niemanden beleidigt!“

HSV hat beim DFB ein Rüpelimage

Genau diese Aufzeichnung, von der Schröder sprach, kann nun, mehrere Tage nach dem 1:2 des HSV gegen Darmstadt, noch einmal aktuell werden. Denn beim DFB erwartet man nun, dass die schweren Vorwürfe, die auch von weiteren HSV-Profis geteilt wurden, konkretisiert werden.

Dabei spielt auch eine Rolle, dass sich der HSV beim DFB längst ein Rüpel­image aufgebaut hat, das bei der aktuellen Thematik wenig hilfreich ist. „Was vor allem die HSV-Spieler und die Verantwortlichen da abgezogen haben, war unter aller Sau“, schreibt der frühere Fifa-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer (54) beispielsweise in der „Bild am Sonntag“.

Rote Karte Nummer zwei: Auch Ransford Königsdörffer (l.) wurde kurz vor Schluss nach einem Gesichtswischer zum Duschen geschickt.
Rote Karte Nummer zwei: Auch Ransford Königsdörffer (l.) wurde kurz vor Schluss nach einem Gesichtswischer zum Duschen geschickt. © WITTERS | FrankPeters

Vor allem die Rote Karte gegen Aaron Opoku nach seiner Tätlichkeit sei die „berechtigtste aller Zeiten“ gewesen. Umso weniger konnte Kinhöfer Opokus Verwunderung über Schröders Entscheidung verstehen. „Da fällt mir nichts mehr ein. Allein dafür müsste er eigentlich noch mal drei Spiele Sperre extra kriegen.“ Auch dass HSV-Sportvorstand Boldt nach der Hinausstellung von Ransford Königsdörffer aufs Spielfeld gestürmt und Schröder angeschrien habe, sei laut Kolumnist Kinhöfer „ein absolutes No-Go“.

Schiedsrichter sehen Walther und Boldt kritisch

Der frühere Top-Referee ist mit seiner Einschätzung nicht alleine. Ähnlich äußerten sich auch die Schiedsrichter-Experten von „Collinas Erben“ im Netz. Und auch dem Abendblatt wurde bestätigt, dass mehrere Schiedsrichter allgemein schwer genervt vom HSV-Verhalten seien. Besonders Trainer Walter würde ab der ersten Minute an reklamieren, schimpfen, provozieren und abwinken – und auch Gelb-Rot-Sünder Boldt ist bei den Unparteiischen als „Dauermeckerer“ bekannt.

Rote HSV-Karte Nummer drei: Sportvorstand Jonas Boldt (nicht mehr im Bild) wird mit zwei Gelben Karten in acht Sekunden gemaßregelt.
Rote HSV-Karte Nummer drei: Sportvorstand Jonas Boldt (nicht mehr im Bild) wird mit zwei Gelben Karten in acht Sekunden gemaßregelt. © WITTERS | FrankPeters

Immerhin: Nach seinem Platzverweis am Freitag räumte Boldt sein Fehlverhalten ein: „Das Betreten des Feldes in so einer Situation ist nicht regelkonform.“ Er halte Schröder sogar für einen „sehr guten Schiedsrichter. Aber auch er hatte heute nicht seinen besten Tag. Ich sage bewusst ‚auch er‘, weil ich nicht derjenige bin, der die Schuld auf ihn schiebt.“

HSV-Frust gegen Opoku – Wechsel?

Dass die Schuld an der emotionalen Schlussphase später aber vor allem auf „Kickboxer“ Opoku geschoben wurde, hat sich dieser wohl selbst zuzuschreiben. „So etwas darf ihm nicht noch mal passieren“, sagte auch Boldt, der einem Wechsel des HSV-Eigengewächses nicht abgeneigt sein soll. Gleich mehrere Clubs hatten sich nach den Modalitäten informiert – am hartnäckigsten soll Rapid Wien gewesen sein. Allerdings dürfte sowohl die Aktion an sich als auch eine Sperre eventuelle Interessenten verschreckt haben.

Opoku selbst ging am Wochenende auf Tauchstation – möglicherweise auch aufgrund der „sozialen Medien“. Denn im Gegensatz zu den angeblichen Beleidigungen von Schiedsrichter Schröder wurde Opoku im Netz tatsächlich und mehrfach beschimpft. Der HSV-Profi schaltete bei Instagram seine Kommentarfunktion aus und nahm sein Profilbild raus. Nur den analogen Briefkasten konnte Opoku dummerweise nicht so einfach abstellen.