Berlin. Im Relegationshinspiel gelang Reis der Siegtreffer. Am Montag kann der HSV den Aufstieg im Volksparkstadion perfekt machen.

Felix Magath saß fast regungslos auf seiner Bank. Der Trainer von Hertha BSC konnte kaum noch hinsehen. Rund 100 Meter von ihm entfernt feierten die HSV-Anhänger im Berliner Olympiastadion. Nach dem 1:0 (0:0)-Sieg der Hamburger im Hinspiel der Relegation fehlt dem HSV 1472 Tage nach dem erstmaligen Abstieg nur noch ein Schritt, um wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Dem 68 Jahre alten Magath droht dagegen der erste Abstieg seiner Trainerkarriere.

Am Montagabend könnte es so weit sein, wenn im Rückspiel im Volksparkstadion (20.30 Uhr) die Entscheidung fällt. Und der Abend in Berlin lieferte einen Vorgeschmack, was dann in Hamburg los sein könnte. „Unsere Fans waren beeindruckend. Ich wusste zwischenzeitlich nicht, ob wir doch in Hamburg spielen“, sagte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau später.

HSV in der Relegation: Überragende Stimmung im Stadion

Tatsächlich hatte die Stimmung im mit 75.500 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion etwas vom vorweggenommenen Pokalfinale, das allerdings erst am Sonnabend zwischen Leipzig und Freiburg angepfiffen wird und das der HSV durch die Halbfinalniederlage gegen den SC verpasst hatte. Dafür bekamen die Hamburger am Donnerstag ihr erstes von zwei „Pokalspielen“.

Entsetzt: Felix Magath mochte gar nicht mehr hinschauen.
Entsetzt: Felix Magath mochte gar nicht mehr hinschauen. © imago/Matthias Koch | IMAGO/Sebastian Räppold / Matthias Koch

Die Partie hatte zunächst aber nicht viel von einem Pokalduell. Hertha begann bemerkenswert passiv und überließ dem HSV den Spielaufbau. „Wir haben von Beginn an das Spiel gemacht“, sagte nach dem Abpfiff Ludovit Reis, der glückliche Torschütze des goldenen Treffers. Und wirklich: Anders als viele Zweitligisten verzichtete der Bundesligist aus Berlin nahezu komplett auf ein Angriffspressing. Magaths Idee: Sicher stehen mit zwei Viererketten und auf Umschaltmomente warten. Aber die ergaben sich nicht – weil das Gegenpressing der Hamburger funktionierte.

Tim Walter hatte mit seiner Aufstellung für eine Überraschung gesorgt. Erst zum zweiten Mal in diesem Jahr brachte der Trainer Maximilian Rohr in die Startelf. Der 26-Jährige spielte im zentralen Mittelfeld. Sonny Kittel rückte nach links, Josha Vagnoman auf die Bank.

Magath watscht Führungsspieler Boateng vor dem Spiel ab

Auch Magath überraschte. Der erfahrene Trainer setzte auf den völlig unerfahrenen Luca Wollschläger im Sturm. Der 19-Jährige aus der A-Jugend machte sein erstes Profispiel überhaupt von Beginn an. Dafür saß Kevin-Prince Boateng draußen. „Er ist konditionell nicht in der Verfassung, wie das andere Spieler sind“, sagte Magath, dem eine Vorliebe zu konditionsstarken Spielern nachgesagt wird.

Doch das Tempo, das Hertha in der ersten Halbzeit an den Tag legte, hätte auch Boateng noch gehen können. Die Berliner blieben lange ohne Torchance. Der HSV dagegen näherte sich mit zunehmender Spielzeit dem Tor von Oliver Christensen, der ebenfalls das erste Mal von Beginn an spielte, weil Stammtorwart Marcel Lotka nicht rechtzeitig fit wurde. Die beste HSV-Chance hatte Robert Glatzel, dessen Linksschuss von Peter Pekarik unabsichtlich mit dem Arm berührt wurde. Nach der aktuellen Regelauslegung hätte Schiedsrichter Harm Osmers durchaus auf Elfmeter für den HSV entscheiden können. In der Review-Area schaute sich Osmers die Szene lange an – und sah dann auch, dass auch Rohr vorher mit der Hand am Ball war. Das Spiel lief weiter.

Stattdessen traf Hertha auf der anderen Seite mit dem ersten Torschuss. Ishak Belfodil köpfte eine Flanke von Marvin Plattenhardt in die rechte Ecke. Daniel Heuer Fernandes war geschlagen, doch Assistent Thorben Siewer hob die Fahne. Es war eine Zentimeter-Entscheidung, doch Siewer hatte es richtig gesehen. Dann war Halbzeit. Und der HSV konnte zufrieden sein. Das sah auch der frühere HSV- und Hertha-Profi Änis Ben-Hatira bei Sky so. „Ich bin überrascht von Hertha, ich hätte mehr Ballbesitz von ihnen als Bundesligist erwartet. Hamburg hat leichte Vorteile, ist einen Tick gefährlicher“, sagte der 33-Jährige, der mittlerweile beim Berliner AK in der Regionalliga spielt.

HSV belohnte sich für ein richtig gutes Spiel in Berlin

Auch nach der Pause wurde Hertha trotz der Einwechslung des besten Torschützen Stevan Jovetic nur unwesentlich besser. Der HSV dagegen belohnte sich für seinen Aufwand – auch wenn viel Glück dabei war. Ludovit Reis spielte mit Muheim Doppelpass und wollte mit seinem schwächeren linken Fuß offensichtlich in die Mitte flanken. Doch der Ball wurde länger und länger und senkte sich über Christensen hinweg ins Netz (57.). „Wie man das Tor macht, ist in Spielen wie diesem völlig egal“, sagte Reis später bei Sat.1. Und spätestens mit dem 1:0 war das Olympiastadion fest in HSV-Hand. „Ohne Hamburg wär hier gar nichts los“, sangen die HSV-Fans.

Die Antwort der Hertha? Sie blieb aus. Der Berliner schafften es überhaupt nicht, den HSV unter Druck zu setzen. Es blieb beim 1:0-Auswärtssieg.

Das Schlusswort im besten Denglisch gebührte dem Torschützen Reis: „On Monday geht’s weiter!“

Hertha BSC: Christensen – Pekarik, Boyata, Kempf, Plattenhardt – Serdar (70. Richter), Stark (70. Gechter), Tousart, Mittelstädt – Wollschläger 46. Jovetic), Belfodil (80. Maolida). HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Rohr (58. Vagnoman), Meffert, Reis– Jatta (74. Kaufmann), Glatzel, Kittel (90.+1 Gyamerah). Tor: 0:1 Reis (57.). Schiedsrichter: Osmers (Hannover). Zuschauer: 75.500 (ausverkauft). Gelb: Boyata, Stark, Tousart.