Hamburg. Das 110. Nordderby zwischen dem HSV und Werder Bremen weckt Erinnerungen. An Hoffmann, bessere Zeiten und Europa.

Es gab großen Jubel und Applaus im Congress Center Hamburg, als Bernd Hoffmann auf der Mitgliederversammlung 2005 seine Vision verkündete. „Wir wollen in fünf Jahren in die Top 20 von Europa“, rief der damalige HSV-Chef auf der großen Bühne in das Mikro. „Der HSV gehört dahin, wo heute Real Madrid ist“, war ein weiterer Satz, mit dem Hoffmann für Aufmerksamkeit sorgte.

Es sollte nicht mal fünf Jahre dauern, ehe der HSV tatsächlich in die Top 20 von Europa vorstoßen konnte. Es war die Zeit im Mai 2009, als der HSV im Halbfinale des Uefa-Pokals gegen Werder Bremen spielte. Und im DFB-Pokal-Halbfinale – auch gegen Bremen. Werder hatte erst eine Saison zuvor in der Champions League gegen Real Madrid gewonnen. Mit dabei: Aaron Hunt als Torschütze, Frank Baumann und Clemens Fritz in der Defensive der Bremer.

HSV und Bremen stehen vor Novum

Am Sonntag werden die drei wieder mit dabei sein. Hunt, der unter der Woche seine aktive Karriere beendete, wird bei Sky als TV-Experte zugeschaltet. Und Baumann und Fritz sind als sportliche Verantwortliche von Werder Bremen im Stadion zu Gast. Mit der Champions League und den europäischen Top Ten wird das 110. Nordderby der beiden Traditionsclubs nicht mehr viel zu tun haben.

Erstmals treffen sich die beiden Rivalen im Volksparkstadion als Zweitligisten. Und doch kommt es am Sonntag (13.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) zu einem echten Spitzenspiel, das es in dieser Konstellation zum letzten Mal 1983 gab, als der HSV vor Werder Bremen deutscher Meister wurde. Es trifft der aktuelle Zweitliga-Spitzenreiter Bremen auf den Zweiten aus Hamburg. Und bei genauerem Hingucken hat das Nordderby auch wieder etwas mit Real Madrid und Manchester City zu tun.

HSV gleichauf mit Liverpool und Real Madrid

Da wäre zunächst der HSV, der in dieser Saison in 23 Spielen erst zweimal verloren hat. Das ist in den ersten zwei Profiligen der europäischen Top Five – England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland – nur dem FC Liverpool, Real Madrid und FC Sevilla, Paris St. Germain sowie dem französischen Zweitligisten FC Toulouse gelungen. Im eigenen Stadion haben die Hamburger sogar noch gar kein Spiel verloren.

Sogar vor Real Madrid liegt der HSV in der europäischen Formtabelle der vergangenen zehn Spiele. Das Ranking wird angeführt vom englischen Meister Manchester City (25 Punkte), dahinter liegt der deutsche Rekordmeister Bayern München (24). Noch vor dem HSV steht Werder Bremen als Sechster (24). Die Hamburger liegen auf Rang 14 (21), punktgleich vor Real Madrid. Werder und der HSV in Europas Top 20 – eine Liste, die auch Bernd Hoffmann gut gefallen hätte.

HSV nutzt Motivationstrick gegen Bremen

Vom Glanz früherer Tage ist das Nordderby heute zwar weit entfernt, trotzdem birgt das Duell am Sonntag sportliche Brisanz. „Für unsere Region ist es das wichtigste Spiel in dieser Saison“, sagt Bremens Clemens Fritz, der heutige Leiter Profifußball, der 2009 noch als Spieler auf dem Platz stand.

Genau wie der heutige HSV-Präsident Marcell Jansen, der 2009 im Halbfinale des DFB-Pokals gegen Werder noch einen Elfmeter verschoss. Wenige Monate später machte es Jansen besser, als er im Bundesliga-Duell gegen Werder im Volksparkstadion das vorentscheidende 2:0 erzielte.

Diese Szene lief am Donnerstag zufällig auch auf dem Fernseher in der HSV-Kabine. „Man fühlt in diesen Momenten, was in beiden Städten abgeht. Wir freuen uns, das wieder zu erleben. Weil es ein großes Spiel ist. Wir wissen, was es für unsere Fans und die beiden Städte bedeutet“, sagte HSV-Trainer Tim Walter, der sich die Szene mit Jansen noch einmal genau angeschaut hat.

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HSV vs. Bremen: Darauf können sich Fans freuen

Walter selbst bescherte den HSV-Fans bereits im Hinspiel einen bedeutsamen Derbysieg, als die Hamburger erstmals seit 2015 wieder an der Weser gewinnen konnten. Mit dem neuen Trainer Ole Werner hat sich der Wind in Bremen gedreht. Der 33-Jährige, der vor der Saison auch beim HSV ein Kandidat auf den Cheftrainerposten war, ehe sich Sportvorstand Jonas Boldt auf Walter festlegte, ist seit seinem Amtsantritt noch unbesiegt. Sieben Siege und zuletzt ein Unentschieden gelangen dem Schleswig-Holsteiner, der mit dieser Bilanz auch europaweit weit vorne liegt.

Sonnabend, 20.30 Uhr, Flutlicht: Es war zwar kein europäisches Duell zwischen Werder Bremen und dem HSV in der Hinrunde, doch der Rahmen im Weserstadion war eines Europokalspiels würdig. Hier köpft  Moritz Heyer kurz vor der Halbzeit das 2:0 für den HSV. Bremens Torwart Michael Zetterer und Verteidiger Lars Lukas Mai können das Tor nicht verhindern.
Sonnabend, 20.30 Uhr, Flutlicht: Es war zwar kein europäisches Duell zwischen Werder Bremen und dem HSV in der Hinrunde, doch der Rahmen im Weserstadion war eines Europokalspiels würdig. Hier köpft Moritz Heyer kurz vor der Halbzeit das 2:0 für den HSV. Bremens Torwart Michael Zetterer und Verteidiger Lars Lukas Mai können das Tor nicht verhindern. © WITTERS | TimGroothuis

Nun kommt es zum direkten Duell zwischen Walter und Werner, die bei Holstein Kiel in der Saison 2018/19 zusammengearbeitet haben. Walter bei den Profis, Werner in der U 23. Nun steht Werner aktuell vor Walter – und gibt sich entsprechend selbstbewusst. „Wir sind Werder Bremen, wir sind Tabellenführer, und so wollen wir auch auftreten“, sagt Werner am Freitag.

Werders Trainer erwartet vor allem ein taktisch spannendes Match. „Die Art, wie wir Fußball spielen und wie wir mit einer Mannschaft arbeiten, ist sehr unterschiedlich. Und das wird interessant sein: Der HSV spielt in einer Art und Weise Fußball, die in der Herangehensweise ein Stück weit einzigartig ist“, sagte Werner über Walter und den HSV.

Stürmt der HSV dieses Jahr nach Europa?

Die Konstellation mit Werder als Tabellenführer vor dem HSV gab es in der Geschichte des Nordderbys im Übrigen erst ein einziges Mal. In der Saison 1964/65 lagen die Bremer nach dem dritten Spieltag als Spitzenreiter einen Platz vor den Hamburgern. Am Ende der Saison wurde Werder deutscher Meister.

Beim HSV erinnert man sich lieber an die goldenen Zeiten in den 80er-Jahren, als Hrubesch und Co. da standen, wo Bernd Hoffmann später wieder hinwollte: vor Real Madrid. Unvergessen, wie der HSV die „Königlichen“ 1980 im Halbfinale des Landesmeistercups mit 5:1 besiegte. Bremen sollte das 2007 in der Gruppenphase der Champions League gelingen. Damals gewann Werder gegen Real mit 3:2. Torschütze zum zwischenzeitlichen 3:1: Aaron Hunt.

Auch ohne Hunt und Hrubesch träumt manch ein HSV-Fan nicht nur vom Derbysieg, sondern auch von der Rückkehr nach Europa in diesem Jahr. Dafür müssten die Hamburger aber noch drei Spiele im DFB-Pokal gewinnen. Angefangen am kommenden Mittwoch im Viertelfinale gegen den Karlsruher SC. Ein bisschen träumen sollte erlaubt sein.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Kittel – Jatta, Glatzel, Alidou.
  • Werder: Pavlenka – Veljkovic, Toprak, Friedl – Weiser, Groß, Jung – Bittencourt, Schmid – Füllkrug, Ducksch.