Hamburg. HSV-Vorstand Frank Wettstein veröffentlicht einen Fehlbetrag von „nur“ 4,7 Millionen Euro – dank staatlicher Hilfen.
Tim Walter und seine Mannschaft gaben einen aus. Einen Tag nach seinem 46. Geburtstag lud der HSV-Trainer gemeinsam mit dem Team die gesamte Geschäftsstelle am Dienstagnachmittag zum Essen ein – auf Kosten der Mannschaftskasse. Frank Wettstein dürfte das gefallen haben.
Zwar präsentierte der Finanzvorstand am Dienstag ein deutlich besseres Bilanzergebnis des abgelaufenen Geschäftsjahres als zwischenzeitlich befürchtet. Doch angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie bleibt die finanzielle Lage der HSV Fußball AG angespannt.
HSV und das 4,7-Millionen-Minus
Der Club veröffentlichte für das Geschäftsjahr 2020/21 ein Minus von 4,7 Millionen Euro. Es ist der elfte Jahresfehlbetrag in Folge und für Wettstein das siebte Minus in seiner 2022 endenden Amtszeit.
Anders als in den Jahren zuvor war der 48-Jährige mit dem Zahlenwerk aber durchaus zufrieden. Nachdem noch im Frühjahr intern damit gerechnet wurde, dass das bisherige Rekordminus von 2014/15 in Höhe von 16,9 Millionen Euro übertroffen werden könnte, lag das Ergebnis am Ende sogar unter dem Fehlbetrag des Vorjahres (6,7 Mio.).
Zum Vergleich: Der FC St. Pauli erwartet für das abgelaufene Geschäftsjahr ein Corona-bedingtes Minus von sechs Millionen Euro. Zugleich konnte der HSV seine Verbindlichkeiten um fünf Millionen Euro auf nun 69,4 Millionen Euro verringern.
HSV rettet Bilanz mit staatlichem Geld
Grund für das vermeintlich gute HSV-Ergebnis waren die staatlichen Hilfen. Neben dem Verkauf des Stadiongrundstücks an die Stadt Hamburg in Höhe von 23,5 Millionen Euro, was einen bilanziellen Gewinn von 14 Millionen Euro bedeutete, waren es vor allem die Corona-Hilfen des Staates in Höhe von zehn Millionen Euro, die dem HSV aus der Not halfen.
„Ohne Frage sind diese beiden Maßnahmen neben der durchgeführten Kapitalerhöhung elementar für die Krisenbewältigung gewesen, gerade auch im Hinblick auf die zukünftigen Herausforderungen“, sagte Wettstein. Das für die Liquidität wichtige Eigenkapital bleibt bei 32 Millionen Euro bestehen.
Corona beutelt die HSV-Finanzen
Den HSV hatten insbesondere die fehlenden Zuschauereinnahmen durch die Geisterspiele hart getroffen. Der Erlös aus dem Spielbetrieb brach von 22,1 Millionen Euro in der bereits von Corona beeinträchtigten vergangenen Saison auf nur noch 567.000 Euro ein. Weitere 3,7 Millionen Euro fehlen, weil der Stadionname nicht vermarktet wurde, und rund 5,2 Millionen Euro, weil das Stadion nicht für andere Veranstaltungen vermietet und keine Auswärtsreisen angeboten wurden.
Insgesamt ging der Umsatz so um fast 40 Millionen auf nur noch 55,8 Millionen Euro zurück. Verglichen mit der letzten vorpandemischen Saison 2018/19 sind sogar mehr als 70 Millionen Euro Erlöse weggebrochen.
HSV senkt Etat auf 21 Millionen
Seine sportlichen Investitionen kann der Club aber weitestgehend aufrechterhalten. Nach Abendblatt-Informationen hat der HSV den Etat für den Lizenzspielerkader in der laufenden Saison auf 21 Millionen Euro gesenkt. In der vergangenen Saison waren es noch 23 Millionen Euro. Die Zahl der Angestellten stieg sogar von 292 auf 306.
Der befürchtete Personalabbau hätte vor allem das Nachwuchsleistungszentrum betroffen. Für den Jugendbereich investiert der HSV nach wie vor rund acht Millionen Euro pro Jahr. Durch die vielen Jungprofis aus dem eigenen Nachwuchs wie Jonas David (21), Anssi Suhonen (20) oder Faride Alidou (20) sieht sich der HSV auf diesem Weg bestätigt.
Zwischenzeitlich stand ein Verkauf von Eigengewächs Josha Vagnoman (20) im Raum. Stattdessen verkaufte der HSV den erst ein Jahr zuvor ablösefrei verpflichteten Amadou Onana (19) für sieben Millionen Euro an den französischen Meister OSC Lille. Hätte der Verkauf fünf Wochen zuvor stattgefunden, hätte der HSV sogar erstmals wieder ein positives Jahresergebnis erzielen können. Doch der Transfer fällt in das laufende Geschäftsjahr.
Ist Wettstein verärgert über Veränderungen im HSV-Aufsichtsrat?
Für die aktuelle Saison sei trotz der Onana-Millionen mit weiteren Einbußen zu rechnen. Wettstein hoffe aber, „dass sich der nächste Jahresrückblick mit sportlichen Erfolgen und nicht mit der Pandemie beschäftigen muss“. Immerhin darf der Club wieder eine Umsatzsteigerung um 40 Prozent erwarten.
Weitere HSV-Berichte:
- Dieser Ex-HSV-Profi wird Nationaltrainer von Hongkong
- Rassismus-Eklat gegen Narey: DFB brummt HSV eine Strafe auf
- Leiht der HSV Tommy Doyle noch ein weiteres Jahr aus?
In das laufende Geschäftsjahr fällt auch das letzte Jahresgehalt für den Finanzvorstand. Wettstein wird den HSV nach der Saison verlassen, sein Vertrag läuft aus. „Ich denke, nach über sieben Jahren im Vorstand des HSV und mit dem absehbaren Ende der größten Krise in der Nachkriegszeit ist ein geeigneter Zeitpunkt gefunden, an dem beide Seiten neue Wege gehen können“, sagte Wettstein, dessen Nachfolge noch offen ist.
Auch im Aufsichtsrat der HSV Fußball AG wird es zu Veränderungen im Bereich Finanzen kommen. Neben Felix Goedhart legt auch Michael Krall sein Mandat nieder. Somit muss der Finanzausschuss neu besetzt werden. Wettstein soll mit dieser angestrebten Veränderung im Kontrollgremium alles andere als glücklich gewesen sein – anders als mit der Essenseinladung am Dienstag.