Hamburg. Spät geholte Talente haben einen schweren Stand unter Walter. Haben solche Leihen Sinn? Und lernt der HSV von Nagelsmann?

Wenn HSV-Trainer Tim Walter an diesem Dienstag seine Profis zum Start der Trainingswoche empfängt, werden Tommy Doyle (20) und Mario Vuskovic (19) nicht dabei sein. Die beiden am letzten Tag der Sommer-Transferperiode verpflichteten Neuzugänge sind bereits am Sonntag zu ihren U-21-Nationalmannschaften gereist, bei der die Youngster auf mehr Spielminuten hoffen als zuletzt beim HSV.

Doyle und Vuskovic beim HSV außen vor

Erst magere 69 von 720 möglichen Minuten kam der englische Mittelfeldspieler Doyle in seinen fünf Einwechslungen für den HSV in der Zweiten Liga zum Einsatz. Der Kroate Vuskovic ist sogar noch weiter weg von der ersten Elf und stand mit 99 Minuten nur etwas länger als Doyle auf dem Platz, weil er Kapitän Sebastian Schonlau wegen dessen Gelb-Rot-Sperre im Heimspiel gegen Nürnberg (2:2) über die volle Distanz vertrat.

Außer dieser Partie, in der Walter gar kein weiterer Innenverteidiger mehr zur Verfügung stand, weil Allrounder Moritz Heyer auf der Acht gebraucht wurde, sammelte Vuskovic nur neun Spielminuten in zwei Kurzeinsätzen.

Normalerweise hätte nun die Länderspielpause dazu dienen können, dass die beiden hoffnungsvollen Talente Walters komplexes System besser adaptieren und sich im Testspiel am Donnerstag gegen den dänischen Erstligisten FC Nordsjaelland beweisen. Doch stattdessen erschwert die Reise zur jeweiligen Nachwuchsauswahl ihrer Heimatländer die Integration beim HSV.

HSV-Plan mit Doyle und Vuskovic geht nicht auf

Diese Problematik war dem Club zum Zeitpunkt der späten Verpflichtungen von Vuskovic und Doyle bekannt. Dennoch entschieden sich die Verantwortlichen für die beiden Leihen, die lange vorbereitet und mit Walter abgesprochen waren.

„Es handelt sich bei diesen beiden um Spieler, die hungrig sind, den HSV als nächsten Karriereschritt für sich sehen und einen möglichst großen Anteil daran haben wollen, mit der Mannschaft sportlich Siege einzufahren“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt wenige Tage nach den Verpflichtungen.

Doch ziemlich genau zwei Monate später hakt der hintere Teil der Aussage an zwei entscheidenden Faktoren. Zum einen ging der HSV erst viermal in 13 Saisonspielen als Sieger vom Platz. Zum anderen hat Vuskovic daran nur einen sehr geringen Anteil, während Doyle die Hamburger zumindest in Paderborn (2:1) kurz nach seiner Einwechslung zum späten Sieg schoss.

Doyle und Vuskovic: Waren HSV-Transfers sinnvoll?

Auch wenn Boldt seinerzeit verständlicherweise betonte, dass alleine der Trainer darüber entscheide, „wann und wie viel sie spielen werden“, wirft der Plan hinter beiden Transfers nach mehr als einem Drittel der Saison Fragen auf.

Für gewöhnlich sind Leihgeschäfte nur dann sinnvoll, wenn die Spieler auch eine Sofortverstärkung darstellen, der Trainer also volles Vertrauen hat. Walter betont zwar immer wieder, Doyle entwickeln zu wollen, doch eigentlich hat er dafür gar nicht die Zeit. Der abschlussstarke Offensivspieler ist nur bis Saisonende von Manchester City ausgeliehen.

HSV will Doyle erneut ausleihen

Auch wenn der HSV keine Kaufoption besitzt, hoffen die Verantwortlichen auf eine Verlängerung des Engagements. Nach Abendblatt-Informationen zieht der Club eine weitere Leihe Doyles in Erwägung, sofern der Profi – wovon auszugehen ist – in der kommenden Saison nicht als Stammkraft beim englischen Meister eingeplant ist. Vor einer Woche war Gareth Whalley, verantwortlich für Citys Leihspieler, beim HSV-Training zu Besuch. Doch Doyles Problem, aus seiner Sicht zu selten zum Einsatz zu kommen, lösen die Pläne noch nicht.

Zu Beginn seiner Zeit beim HSV waren drei Nichtberücksichtigungen in Folge noch nachvollziehbar, weil der Standardspezialist mit der Hypothek zu kämpfen hatte, bei seinem Wechsel nicht topfit gewesen zu sein. Doch zwei Monate später sind diese Probleme längst ausgeräumt, weshalb sich auch Boldt nach Doyles spätem Siegtreffer in Paderborn öffentlich mehr Einsatzzeit für den Youngster gewünscht hatte.

Walter sieht den Engländer allerdings noch nicht bereit für 90 Zweitligaminuten und fordert mehr Robustheit. Hinzu kommt, dass der Coach für seinen kraft- und laufintensiven Fußball in erster Linie nicht Kunstschützen, sondern Arbeiter wie Ludovit Reis, Moritz Heyer oder Anssi Suhonen braucht, die ihre Gegner teilweise im Dauersprint attackieren. Diesbezüglich sieht Walter bei Doyle noch Nachholbedarf.

Weitere HSV-Berichte:

Warum Vuskovic beim HSV nicht spielt

Sogar noch diffiziler verhält sich die Lage bei Vuskovic. Der Kroate kommt kaum zum Zug, weil Jonas David und Kapitän Schonlau im Abwehrzentrum immer besser harmonieren – und weil Walter nicht viel von einem Systemwechsel hin zu einer Dreierkette hält. Immerhin wurde Vuskovic für zwei Jahre ausgeliehen, hat also länger Zeit, sich zu beweisen. Zudem wurde eine Kaufoption in Höhe von 3,5 Millionen Euro vereinbart, die im Fall des Aufstiegs verpflichtend würde. Doch darüber muss sich beim HSV aktuell keiner Gedanken machen.

Weitaus mehr könnten die Köpfe darüber qualmen, wie die Entwicklung von Doyle und Vuskovic auch wirklich eine solche werden kann. Doch noch geben sich die Verantwortlichen entspannt und setzen darauf, dass beide Spieler im Laufe der Saison häufiger als bislang zum Einsatz kommen werden.

HSV kann von Nagelsmann lernen

Eine Liga und sechs Plätze höher hat Julian Nagelsmann zuletzt einen Einblick in seine Planung gegeben, wie er ein absolutes Toptalent fördern will. Der deutsche Nationalspieler Jamal Musiala sei bisher auf 35 Prozent Spielzeit gekommen, rechnete der Trainer von Branchenprimus FC Bayern vor. „Das ist nicht üppig, für einen 18-Jährigen bei Bayern München aber auch nicht so schlecht.“ Sollte sich diese Prozentzahl im letzten Saisondrittel nicht erhöht haben, „dann ist es scheiße von mir“, sagte Nagelsmann. Dann würde man Musiala zu wenig fördern.

Übertragen auf den HSV hieße das, dass Doyle (9,6 Prozent) und Vuskovic (13,75) noch einen gewaltigen Sprung nach vorne machen müssen, um messbar gefördert zu werden. Aber, um es mit Nagelsmanns Worten zu sagen: Es ist ja noch früh in der Saison.