Karlsruhe. Die Hamburger bleiben die Remis-Könige der 2. Bundesliga – und können diesmal eher von Glück als von Pech reden.
Wieder eine Führung verspielt – und wieder nicht gewonnen: Der HSV bleibt der Remis-König der 2. Bundesliga. Das 1:1 beim Karlsruher SC am Sonnabend war im 13. Spiel bereits das achte Unentschieden.
Darüber vermag auch die Serie von nun zehn Ligaspielen ohne Niederlage nicht hinwegzutäuschen: Die Hamburger verlieren in der Tabelle immer mehr den Kontakt zu den Aufstiegsplätzen.
Tim Walter blieb nach der Rückkehr an den Startpunkt seiner Trainerkarriere mit gemischten Gefühlen zurück. "Es war ein extrem intensives Spiel. Karlsruhe hat viel mit langen Bällen gearbeitet und versucht, uns in Unordnung zu bringen. Trotzdem finde ich, dass meine Jungs extrem gut verteidigt haben", sagte der HSV-Coach bei Sport1.
Über den Angriff wird allerdings noch zu reden sein.
Johansson auch in Karlsruhe im HSV-Tor
Noch Stunden vor dem Anpfiff war fraglich gewesen, wer in Karlsruhe im HSV-Tor stehen würde. Die Nummer eins Daniel Heuer Fernandes, seit dem Pokalerfolg in Nürnberg von Knieproblemen geplagt, hatte am Freitag am Abschlusstraining teilnehmen können und reiste mit nach Karlsruhe. Mitbewerber Marko Johansson hatte ihn beim 1:1 gegen Holstein Kiel gut vertreten.
So gut, dass HSV-Trainer Tim Walter dem Schweden guten Gewissens erneut das Vertrauen schenken konnte. Denn Heuer Fernandes ist noch nicht vollständig wiederhergestellt. "Wir haben bis zuletzt gehofft, dass es geht. Aber er spürt noch ein bisschen was", sagte Sportvorstand Jonas Boldt vor dem Anpfiff am Sport1-Mikrofon.
A-Jugend-Torwart Böhmker erstmals auf HSV-Bank
Heuer Fernandes sitzt in Karlsruhe noch nicht einmal auf der Bank. Dort darf stattdessen erstmals der gerade 17 Jahre alte A-Jugend-Torwart Finn Böhmker Platz nehmen. Der eigentliche dritte Mann Leo Oppermann war kurzfristig erkrankt.
Zurück in der HSV-Startelf war David Kinsombi, der in der Saison 2016/17 mit den Karlsruhern aus der 2. Bundesliga abgestiegen war. Für ihn musste überraschend der HSV-Aufsteiger der vergangenen Wochen weichen: Faride Alidou.
Maskenpflicht trotz 2G in Karlsruhe
Trotz 2G-Regelung galt auf der Tribüne des Stadions BBBank Wildpark eine Maskenpflicht. Die entsprechende Warnstufe der Corona-Verordnung von Baden-Württemberg war aufgrund der angespannten Pandemielage in Kraft getreten.
Den Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung hatten die Behörden abgelehnt. Die Kapazität war von der neuen Situation nicht betroffen, das Stadion war mit 20.000 Zuschauern ausverkauft.
Allein 550 HSV-Fans waren mit einem Sonderzug angereist, den der Supporters Club erstmals seit Langem wieder organisiert hatte.
Kittels Kunststück zur HSV-Führung
Was sie dann durch den heraufziehenden Nebel von ihren Lieblingen zu sehen bekamen, kann ihnen aber nicht gefallen haben. Mit viel Einsatz versuchten die Karlsruher dem HSV die Lust am Spielen zu nehmen – und mit Erfolg. Und so konnten die Hamburger von Glück reden, dass die Gastgeber eine ganze Serie guter Chancen in der 8. Minute ungenutzt ließen.
HSV-Einzelkritik:
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Stattdessen fiel das Führungstor auf der Gegenseite – durch eine tolle Einzelleistung. Sonny Kittel legte sich den Ball am Strafraumrand auf den rechten Fuß und schlenzte zum 0:1 ins Tor (14. Minuten).
Hamburgs Führung hält nur vier Minuten
Aber wie so oft konnte sich der HSV auch an dieser Führung nicht lange erfreuen. Diesmal waren es ganze vier Minuten, dann stieg KSC-Torjäger Philipp Hofmann höher als Hamburgs Kapitän Sebastian Schonlau. Johansson hatte bei dem Kopfball zwar noch seine Finger im Spiel, konnte aber nicht mehr entscheidend ablenken – 1:1. Walter: "Die Flanke war sensationell, in der Box hast du dann keine Chance mehr."
Für Hofmann war es bereits der siebte Ligatreffer der Saison – und der dritte im vierten Aufeinandertreffen mit dem HSV. Der bemühte sich um eine Antwort.
Wildes Spiel im Wildpark – HSV gewinnt auch beim KSC nicht
Bakery Jatta hatte sie auf dem Fuß, als Karlsruhes Torwart Marius Gersbeck bei einem Ausflug wegrutschte, doch der HSV-Stürmer verzog (23.). In der Folge aber wurde es nur noch vor dem Hamburger Tor gefährlich. Einzig das Bein von Moritz Heyer und eine Menge Glück verhinderten, dass der HSV mit einem Rückstand in die Pause ging.
Walter erhöht das Risiko
So konnte es nicht weitergehen. Walter nahm Ludovit Reis aus dem Spiel, Tommy Doyle sollte für mehr Torgefährlichkeit sorgen. Und die stellte sich schon nach etwa 40 Sekunden ein: Nach einer Jatta-Flanke rauschte erst Heyer knapp vorbei, dann setzte Robert Glatzel vergeblich nach.
Von einer Karlsruher Dominanz konnte nun keine Rede mehr sein – von einer Hamburger allerdings auch nicht. Nach gut einer Stunde erhöhte Walter das Risiko und brachte den gelernten Stürmer Manuel Wintzheimer für Mittelfeldmann David Kinsombi, zudem kam Alidou für Glatzel (62.). Das hätte sich beinahe sofort ausgezahlt, als nach einer Jatta-Flanke Kittel am zweiten Pfosten seinen zweiten Treffer auf dem Fuß hatte (64.).
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Mehr als das stete Bemühen konnte man dem HSV allerdings weiterhin nicht ins Zeugnis schreiben. Denn zu der neuen Harmlosigkeit im Angriff gesellte sich mitunter noch die alte Anfälligkeit in der Abwehr. Ein einfacher Pass reichte den Karlsruhern, um Marvin Wanitzek in halbrechter Position allein Richtung Hamburger Tor zu schicken – seinen Schuss lenkte Johansson irgendwie an den Pfosten (80.).
HSV-Profi Meffert: "Keine Kontrolle im Mittelfeld"
Walter war nun so deutlich hörbar unzufrieden, dass es Schiedsrichter Martin Petersen (Stuttgart) mit einer Gelben Karte ahndete. Bei seinen Spielern lösten Walters Rufe aber keine Wirkung mehr aus.
"Wir hatten in der zweiten Halbzeit Chancen, aber am Ende ist das Unentschieden gerecht", gestand HSV-Profi Jonas Meffert, einst selbst für den KSC aktiv, bei Sport1. "Wir hatten das Mittelfeld nicht unter Kontrolle, das sind wir so nicht gewohnt."
Eichner: "Man tut dem HSV unrecht"
In der Länderspielpause bleibt bis zum nächsten Spiel am 20. November gegen den Tabellenzweiten Regensburg einiges zu tun – und das in aller Ruhe zu tun könnte für Walter schwierig werden. Einen Schwerpunkt hat der Trainer bereits ausgemacht: "Man muss in der Box auch den Ball haben wollen. Daran müssen wir arbeiten."
Sein Kollege Christian Eichner zeigte beinahe Mitleid. "Man tut dem HSV vielleicht auch unrecht", sagte der KSC-Coach nach dem Spiel: "Die Tradition, das Trikot, das ist alles eine Verpflichtung, die Favoritenrolle der HSV nicht loswerden. Aber man darf nicht vergessen, dass er einige junge Spieler neu geholt hat. In der Liga ist es sehr kompliziert. Da wird noch einiges passieren in den nächsten Wochen."
Die Aussage lässt viele Deutungen zu.