Hamburg. Toni Leistner soll Walter bei Instagram scharf kritisiert haben – will es aber gar nicht gewesen sein. Ein Wechsel wird forciert.

Auf die drei Ausrufezeichen folgte am Dienstagmorgen beim HSV zunächst ein großes Fragezeichen: Hat Toni Leistner das wirklich geschrieben? Bevor irgendjemand irgendetwas zu dem, was da in Leistners Namen am Vorabend bei Instagram die Runde machte, sagen wollte, bemühten sich die HSV-Verantwortlichen erst einmal um Aufklärung. Und wenig später folgte die Richtigstellung: Angeblich alles nur ein Fake! So hat der 31 Jahre alte Abwehrmann bekräftigt, nie einen Post verschickt zu haben, mit dem er den HSV und Trainer Tim Walter scharf kritisiert haben soll.

Also alles nur ein großes Missverständnis? Oder wurde Toni Leistner sogar reingelegt? Tatsächlich waren es nur drei Sätze, garniert mit drei Ausrufezeichen, die am Vorabend in einer Direktnachricht von Leistners mutmaßlichen Account an einen Fan geschickt wurden – von denen wenig später ein Screenshot die Runde machte. Auf die Frage des Anhängers, ob ein „Bild“-Bericht wirklich stimmen würde, laut dem der Abgang Leistners noch in dieser Transferperiode beschlossene Sache sei, antwortete der angebliche Leistner: „Stimmt leider! Ich kann es auch noch nicht glauben! Aber so ist das, wenn der Verein sich einen Plan von einem Trainer aufschwatzen lässt und keinen eigenen Plan verfolgt!“

HSV: Leistner zofft sich mit Walter

Schlimme Worte? Oder ein schlimmer Fake? Leistners Berater Branko Panic beantwortete diese Frage gegenüber dem Abendblatt mit einem klaren Ja. Beim HSV will man – trotz Leistners Dementis – an diesem Mittwoch erst einmal das Gespräch mit dem Innenverteidiger suchen. Denn unabhängig von der Richtigkeit des Screenshots scheint das Verhältnis zwischen dem Angestellten und seinem Arbeitgeber irreparabel gestört.

Schon seit Wochen ärgern sich die Verantwortlichen über Leistners Reaktion auf Walters Entscheidung, zunächst Jonas David und Sebastian Schonlau in der Innenverteidigung das Vertrauen zu schenken. So soll Leistner in der Kabine seine schlechte Laune zur Show gestellt, sich hängen gelassen haben und sogar mehrfach (beim Derby und auch am vergangenen Wochenende gegen Darmstadt) mit Walter aneinandergeraten sein.

Walter braucht Leistner beim HSV nicht

Hintergrund von Leistners Frust: Nachdem er im vergangenen Sommer als „Säulenspieler“ verpflichtet und von Trainer Daniel Thioune zum Vize-Kapitän ernannt wurde, kann Nachfolger Walter nur wenig mit dem zwar zweikampfstarken, aber fußballerisch limitierten Innenverteidiger anfangen. Für seine Idee von Fußball braucht der Neu-Trainer spielstarke Verteidiger – zu denen Leistner nicht zählt.

„Toni hat eine wichtige Rolle in der vergangenen Saison gehabt. Ich schätze ihn als Mensch und Spieler. Aktuell setzt der Trainer auf Sebastian Schonlau und Jonas David”, sagte Sportvorstand Jonas Boldt am späten Montagabend im „Zweitliga-Doppelpass“ auf Sport1 fast gleichzeitig, als die Fundamentalkritik von Leistner oder einem aufwendig gefälschten Fake-Leistner viral verbreitet wurde.

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Unabhängig von Leistners Bekräftigung, die Nachricht nie selbst geschrieben zu haben, blieb von der Wertschätzung für den Menschen und Spieler Leistner am Dienstagmorgen zunächst einmal wenig übrig. Der Ärger darüber, erneut in den Schlagzeilen mit einer derartigen Geschichte zu sein, überwog.

Mattuschka ahnte Leistner-Zoff beim HSV

Dabei hätte sich der HSV den Ärger möglicherweise sparen können, wenn man vor fünf Wochen in den Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ mit Leistner-Kumpel Torsten Mattuschka reingehört hätte. Der Sky-Experte, der seit der gemeinsamen Zeit bei Union Berlin mit Leistner befreundet ist, hatte die Unruhe rund um den kantigen Abwehrmann schon damals prognostiziert. „Toni ist einer, der mit seiner Mentalität heraussticht. Wenn man die Spiele mit und ohne ihn sieht, spricht vieles für ihn. Wenn es nicht läuft, könnte das Thema aufgebauscht werden. Ich bin gespannt, wie die Mannschaft damit umgeht.“

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HSV steckt in der Leistner-Sackgasse

Als hätte es Mattuschka geahnt. Sportlich läuft es nicht rund – und nun auch noch dieses Thema. Und tatsächlich ist die Frage, wie das Team auf die Debatte reagiert. So haben die Profis am Sonntag im Spiel gegen Darmstadt (2:2) genau registriert, dass Publikumsliebling Leistner von den Fans mit Sprechchören beim Warmmachen gefeiert wurde, während Leistner-Konkurrent David nach zwei Rückpässen ausgepfiffen wurde. „Für den HSV wird es mit dem neuen Trainer Tim Walter extrem wichtig sein, einen guten Start zu erwischen“, hatte Mattuschka orakelt. „Ansonsten kann es schnell sehr unruhig werden.“

Der Start war nicht gut, es ist unruhig – und dem HSV droht eine Leistner-Sackgasse. Offenbar einziger Ausweg: eine Trennung. Bis kommenden Dienstag ist das Transferfenster noch offen. Allerdings gehört Leistner zu den Topverdienern beim HSV, will bei einem möglichen Wechsel dem Vernehmen nach auch nicht auf Geld verzichten. Der HSV wiederum will ungern das Narrativ bedienen, erneut einen Profi mit einer Abfindung abzugeben. Zumal im Falle einer tatsächlichen Trennung auch noch Ersatz her müsste. Ein Notfallplan muss her – im Zweifelsfall sogar einer, der vom Trainer aufgeschwatzt wird.