Hamburg. Sky-Experte Mattuschka spricht über die neue Saison, Toni Leistner, Simon Terodde und sortiert die 2. Liga für den HSV.

Vor wenigen Tagen erhielt Torsten Mattuschka eine SMS von Timo Schultz. Den Inhalt dieser Nachricht könnte man wie folgt zusammenfassen: Schultz, Trainer des FC St. Pauli, fragte Mattuschka, Experte beim Pay-TV-Sender Sky, ob dieser möglicherweise ein Bier zu viel getrunken habe, als er am vergangenen Donnerstag bei Sky in der Zweitliga-Kickoff-Sendung saß und St. Pauli als potenziellen Anwärter auf den dritten Platz ins Spiel brachte.

Vier Tage später sitzt Mattuschka zu Hause in Berlin vor dem iPad seiner Frau Susanne und ist dem Abendblatt per Zoom zugeschaltet. Im Podcast HSV – wir müssen reden spricht der 40-Jährige über die „mit Abstand beste Zweite Liga der Geschichte“, seine Favoriten, die Hamburger Clubs und das Topspiel zum Auftakt am Freitag zwischen Schalke 04 und dem HSV. „Wenn man das hört, Schalke gegen den HSV, dann fragt man sich schon, was hier falsch läuft“, sagt Mattuschka, den alle nur „Tusche“ nennen.

So schätzt Mattuschka die 2. Liga mit dem HSV ein

Am Freitagabend (20.30 Uhr) wird der langjährige Kapitän von Union Berlin in der Veltins-Arena dabei sein, wenn die Zweite Liga mit dem Duell der Traditionsclubs Schalke 04 gegen den HSV startet. Am Sonnabend geht es mit seinem Kollegen Stefan Hempel gleich weiter nach Bremen, wo Mattuschka das Topspiel zwischen Werder und Hannover analysieren darf. Seine Vorfreude ist riesig. „Man hat ja schon oft von der besten Zweiten Liga gesprochen, aber in diesem Jahr ist es wirklich so. Mehr Tradition geht nicht. Krass, was es da Woche für Woche für Spiele gibt. Vor allem im Norden. Diese Zweite Liga ist der blanke Wahnsinn“, sagt Mattuschka.

Von St. Paulis Timo Schultz, dem er schon als Spieler in der Zweiten Liga oft begegnet ist, könnte er in dieser Woche noch eine weitere Nachricht bekommen, denn auch gegenüber dem Abendblatt wiederholt Mattuschka seine Prognose. „Ich habe St. Pauli auf Platz drei gesetzt, weil das Team ein tolle Rückrunde gespielt hat. Der Verein ist ruhig geblieben und hat Schulle vertraut. Bei vielen anderen Vereinen wäre der Trainer geflogen“, begründet Mattuschka seine Einschätzung. „St. Pauli hat richtig guten Fußball gespielt. Ich weiß aber auch, dass mit Zalazar und Marmoush zwei wichtige Spieler weg sind. Das habe ich Schulle auch geschrieben.“

Beim HSV sieht Mattuschka Gefahren

Den HSV sieht Mattuschka dagegen erst hinter Schalke, Werder und St. Pauli auf Platz vier. Zum vierten Mal in Folge? „Für den HSV wird es mit dem neuen Trainer Tim Walter extrem wichtig sein, einen guten Start zu erwischen. Ansonsten kann es schnell sehr unruhig werden.“ Mattuschka sieht als Gefahren beim HSV atmosphärische Störungen, vor allem durch die Personalie Toni Leistner (30). Der bisherige Vizekapitän wurde von Walter aus dem Mannschaftsrat gestrichen, auch seinen Stammplatz scheint er an den jungen Jonas David (21) verloren zu haben.

Für Mattuschka, der Leistner aus gemeinsamen Berliner Zeiten auch persönlich gut kennt, aus der Ferne nur schwer nachvollziehbar. „Toni ist einer, der mit seiner Mentalität heraussticht. Wenn man die Spiele mit und ohne ihn sieht, spricht vieles für ihn. Wenn es nicht läuft, könnte das Thema aufgebauscht werden. Ich bin gespannt, wie die Mannschaft damit umgeht.“

Von Leistner selbst erwartet Mattuschka einen professionellen Umgang. „So wie ich Toni kenne, gibt er Vollgas. Der HSV ist ihm ans Herz gewachsen. Er will alles für den Club geben. Die Situation ist gerade nicht befriedigend. Aber er wird versuchen, sich ins Team zu kämpfen.“ Mattuschka kennt solche Situationen. In seinem letzten Jahr bei Union 2014/15 hatte der neue Trainer Norbert Düwel den Publikumsliebling entmachtet und kaum noch eingesetzt. Mattuschka versuchte sportlich zu antworten. „Ich war immer ein Jetzt-erst-recht-Typ. Und das ist Toni auch.“

HSV: Mattuschka zweifelt an Walter-Methoden

Gespannt wird Mattuschka auch beobachten, ob Trainer Walter die Mannschaft dauerhaft auf seine Seite bekommt. Die vielen Bestrafungen im Training sieht er kritisch. „Wenn es gut läuft, macht er es richtig. Aber gerade nach Niederlagen können Bestrafungen schnell dazu führen, dass du als Trainer die Kabine verlierst. Früher bei Ede Geyer ging das. Heute ist das anders. Wir arbeiten als Trainer mit Belohnung.“

Unter Geyer hatte Mattuschka 2004 für Energie Cottbus sein Bundesligadebüt gegeben – gegen den HSV. Heute ist er selbst als Trainer tätig. Seit drei Jahren arbeitet der frühere Mittelfeldspieler als Co-Trainer beim Berliner Regionalligisten VSG Altglienicke, aktuell an der Seite von Karsten Heine. Gar nicht so leicht, den Job mit seiner Tätigkeit bei Sky zu vereinbaren. Künftig ist Mattuschka noch mehr unterwegs, weil die Topspiele am späten Sonnabend immer auch aus dem Stadion übertragen werden. Für ihn kein Problem. Im Gegenteil „Das ist das, wofür wir leben. Man saugt die Emotionen im Stadion ganz anders auf. Und die Fans wollen doch Gefühle.“

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Mattuschka freut sich mit Jan Löhmannsröben (30/Hansa Rostock) und Stefan Kutschke (32/FC Ingolstadt) auf zwei Typen, wie er selbst einer war. Fußballerisch erwartet er viel von HSV-Neuzugang Ludovit Reis (21), aber auch von Hannovers Sebastian Kerk (27). Und natürlich wird er wieder auf Simon Terodde achten. Mit dem ehemaligen HSV-Stürmer, der jetzt für Schalke 04 seine Tore schießt, ist Mattuschka seit Jahren befreundet. „Simons Abgang tut dem HSV weh. Aber auch Robert Glatzel kann zweistellig treffen.“

Mattuschka: Ex-HSV-Stürmer Terodde schießt 20 Tore

Schalke habe mit Terodde den richtigen Stürmer gefunden, um direkt wieder aufzusteigen. „Simon wird wieder seine 15 bis 20 Tore machen. Er hat in der Box einfach ein unfassbares Näschen. Den kannst du kaum verteidigen.“ Nur mit Terodde allein wird es aber auch auf Schalke nicht funktionieren, meint Mattuschka. Das habe das Jahr beim HSV gezeigt. „Wenn Simon ausgeschaltet wird, müssen links und rechts die Spieler funktionieren. Das ist beim HSV in der Endphase nicht mehr der Fall gewesen.“

Der große Favorit sei Schalke in jedem Fall, noch vor Werder Bremen. „Schalke hat sich sehr schlau verstärkt. Sie haben jetzt eine sehr erfahrene Achse und viele talentierte Spieler, die stolz sein werden, das königsblaue Trikot zu tragen. Aber auf Schalke ist eben auch vom ersten Tag an Druck ohne Ende.“

Am Wochenende wird sich erstmals zeigen, ob der Sky-Experte mit seinen Einschätzungen richtig liegt. „Tusches“ Schlusswort: „Diese Liga richtig vorherzusagen, ist schier unmöglich.“