Hamburg. Nach der 2:3-Derbyniederlage beim FC St. Pauli spricht HSV-Trainer Walter die Probleme offen an. Jeremy Dudziak wechselt nach Fürth.

Es war eine kurze Nacht für Tim Walter. Die Enttäuschung über die 2:3-Niederlage im Stadtderby beim FC St. Pauli hatte den Trainer des HSV noch lange wach gehalten. „Ich habe sehr wenig geschlafen. Ich finde nicht so leicht zur Ruhe. Es tat mir leid für unsere Fans und unsere Farben“, sagte Walter am Vormittag danach.

Schon am Morgen hatte der Hamburger Chefcoach seine Mannschaft im Volksparkstadion zur Videoanalyse versammelt – und seine Spieler nicht verschont mit den vielen Fehlern, die sie sich am Freitagabend am Millerntor geleistet hatten. Walter sprach Tacheles und nahm dabei auch die etablierteren Spieler nicht aus. „Ich bin schon ein Mann der offenen Worte. Es ist wichtig, dass man lernt, mit Kritik umzugehen“, sagte Walter.

HSV verliert gegen FC St. Pauli: Walters erste Niederlage

Im dritten Ligaspiel kassierte Walter seine erste Niederlage mit dem HSV. Ausgerechnet im prestigeträchtigen Hamburger Stadtderby, in dem der Club aus dem Volkspark in den vergangenen zwei Jahren seine Fans schon so häufig leiden ließ. Nun also die nächste Niederlage, die nachwirken wird. Auch wenn Walter von einem frühen Schlüsselerlebnis in der Saison noch nichts wissen will. „Wir sind am dritten Spieltag und noch in der Findungsphase", sagte der Trainer.

Das Spiel gegen über weite Strecken überlegene St. Paulianer sollte dem HSV aber bereits früh die Augen öffnen. Schließlich war es vor allem die Art und Weise, die Trainer Walter zu denken geben dürfte. Insbesondere in der ersten Halbzeit hatte der HSV dem Dauerdruck des Kiezclubs nichts entgegenzusetzen und ließ sich von einem leidenschaftlichen FC St. Pauli phasenweise überrollen. Walter sparte daher auch nicht mit Kritik. „Wir haben Phasen in unserem Spiel, mit denen ich nicht zufrieden bin, in denen wir nicht die absolute Bereitschaft haben, gegen den Ball zu arbeiten und kompromisslos zu verteidigen.“

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Derbyniederlage – neue Erkenntnisse für HSV-Trainer Walter

Neben individuellen Fehlern ärgerte sich Walter vor allem über die fehlende Galligkeit in den Zweikämpfen. Ein Problem, das die sportliche Leitung um Sportdirektor Michael Mutzel in der vergangenen Saison vor allem in den typischen Zweitligaspielen erkannt hatte, aber eben auch in den Derbys. Walter ist allerdings noch in der Kennenlernphase und dürfte nach der erneuten Derbyenttäuschung, seiner ersten als HSV-Trainer, einige Erkenntnisse gewonnen haben, auf wen er sich künftig in diesen speziellen Spielen verlassen kann.

Dudziak verlässt den HSV

Mit Jeremy Dudziak wird den HSV ein Spieler verlassen, der in den vergangenen zwei Jahren genau in diesen Partien zu oft untergetaucht war. Der 25-Jährige wird zum Bundesligisten Greuther Fürth wechseln und dort wieder mit seinem Kumpel Gideon Jung zusammenspielen. Der HSV bekommt laut „Bild“ eine Ablöse von 800.000 Euro. Dudziak ist nach Amadou Onana und Klaus Gjasula der dritte zentrale Mittelfeldspieler innerhalb von zwei Wochen, der den HSV verlässt.

Vor der Saison wurde bereits Aaron Hunt verabschiedet. Auch wenn Anssi Suhonen (20) nach seiner Einwechslung für Belebung sorgte, wurde die fehlende Qualität im zentralen Mittelfeld gegen St. Pauli offensichtlich. Zumal Neuzugang Ludovit Reis (21) noch zu viele Ausreißer in seinem Spiel hat und David Kinsombi auch im dritten HSV-Jahr zu oft abtaucht, wenn es drauf ankommt. Warum ein zweikampfstarker Spieler wie Moritz Heyer im Derby gar nicht zum Einsatz kam, ist Walters Geheimnis.

Derby HSV – FC St. Pauli: Walter spricht die Fehler klar an

Der Trainer dürfte aber erkannt haben, dass er Heyer brauchen wird. Und möglicherweise noch einen Neuzugang? „Wir haben noch bis zum 31. August Zeit und sondieren immer den Markt“, sagte Walter, der öffentlich aber noch nicht nach Verstärkungen schreien will. „Wir wollen uns jetzt erst einmal entwickeln. Da haben wir noch viel zu tun, darum sind unsere Ziele ganz klein. Wir wollen das nächste Spiel gewinnen“, sagte der sonst so selbstbewusste Walter ungewohnt kleinlaut. Nach dem guten Saisonstart habe der HSV „einen vor den Latz geknallt bekommen“, so der 45-Jährige. „Wir müssen uns schütteln und dann weitermachen.“

Walter sprach die Fehler vom Derby klar an, nahm seine Spieler aber auch in Schutz. Beispiel Jonas David. Der 21-Jährige, der in der Vorbereitung den Platz des bisherigen Abwehrchefs Toni Leistner erobert hatte, zahlte gegen St. Pauli erstmals Lehrgeld. Beim 1:2 ließ er sich von Simon Makienok viel zu einfach abkochen. „Wir haben uns in der Verteidigung im Eins-gegen-eins dämlich angestellt. Das muss man klar sagen“, sagte Walter in Bezug auf David. Aber: „Jonas ist ein junger Kerl, er hat in allen Spielen seinen Wert unter Beweis gestellt. Ich kann damit leben, wenn er mal einen Fehler macht. Er weiß es ja.“

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Jatta wurde in der 53. Minute gefoult

Walter weiß aber auch, dass er sich angreifbar macht, wenn er mit Leistner den wohl zweikampfstärksten Verteidiger weiter auf der Bank schmoren lässt. Der 30-Jährige schritt am Sonnabend wortlos auf den Platz, als ein Fan ihm zurief: „Gegen den Langen von St. Pauli hättest du deinen Spaß gehabt.“ Wie lange Leistner intern ruhig bleibt, ist wohl nur eine Frage der Ergebnisse.

Wenig Raum für Entschuldigungen gab Walter am Tag nach dem Derby der strittigen Szene um Bakery Jatta. Der Gambier wurde in der 53. Minute beim Stand von 1:1, der besten Phase des HSV, klar gefoult. Doch nicht einmal Videoschiedsrichter Günter Perl griff ein. Walter ärgerte sich auch über den Assistenten. „Der Linienrichter hatte freie Sicht. Es war unstrittig, dass das ein Elfmeter war. Ich finde es zweifelhaft, dass man sich das nicht noch einmal anguckt“, sagte Walter. Dabei wollte er es aber belassen. „Das soll nicht als Ausrede dienen. Ich suche die Fehler woanders. Gerade die Art, wie wir die Tore kassiert haben, war zu einfach. Da hatten wir ein schlechtes Zweikampfverhalten.“

HSV: Nach dem Derby ist vor dem Derby

Der HSV steht nun unter Druck, sein nächstes Heimspiel gegen Darmstadt zu gewinnen. Mit möglichen Spuren, die das Derby hinterlassen könnte, will sich der Trainer nicht lange aufhalten. „Ich versuche, dass unsere Derbybilanz in der Rückrunde besser wird. Und wir haben ja noch andere Derbys in der Vorrunde.“ Zum Beispiel in fünf Wochen. Dann muss der HSV zum Nordderby nach Bremen.