Hamburg. Dänen lügen nicht: Das Doppel-Dänen-Derby-Interview mit St. Paulis Simon Makienok und HSV-Stürmer Mikkel Kaufmann.

Mikkel Kaufmann (20) ist zu spät. Viel zu spät. Kein Wunder, dass Simon Makienok (30) ungeduldig wird. Er habe langsam Hunger, sagt St. Paulis Däne, der zuvor noch nie mit seinem Landsmann vom HSV gesprochen hatte. Doch nach einer Dreiviertelstunde ist der Neu-Hamburger plötzlich da. „Sorry“, sagt Kaufmann auf Englisch. Er habe noch Behandlung gehabt. Zur „Belohnung“ darf er den dänisch-hamburgischen Sturmgipfel vor dem Derby am Freitag (18.30 Uhr) starten.

Hamburger Abendblatt: Herr Kaufmann, haben Sie im Sommer die Doku „99% forelsket“ (auf Deutsch: Zu 99 Prozent verliebt) auf dem dänischen Sender DR3 gesehen?

Kaufmann: Ich habe es nicht gesehen. Worum geht es?

Es ist eine Doku über Ihren Landsmann vom FC St. Pauli. Herr Makienok, was hat Mikkel bei der Doku-Soap verpasst?

Makienok: (lacht) Naja, es geht nicht wirklich um Fußball, deswegen hat Mikkel da vielleicht auch gar nicht so viel verpasst. Es ist eher eine persönliche Doku. Wir haben die sechs Episoden aufgezeichnet, als ich vor einem Jahr im Sommer vertraglos war. In diesem Jahr wurden sie dann ausgestrahlt.

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Herr Kaufmann, was wissen Sie auch ohne TV-Studium über Ihren St.-Pauli-Kollegen?

Kaufmann: Ich weiß, dass er ein gefähr­licher Stürmer ist. Aus dem Fernsehen kenne ich Simon – allerdings aus den Fußball-Zusammenfassungen. Als ich noch jung war habe ich ihn beispielsweise bei Bröndby verfolgt.

Makienok: Was Kaufmann verpasst hat

Simon hat bei Bröndby gespielt, Sie beim FC Kopenhagen. Also Derbyerfahrungen haben Sie beide. Haben Sie auch am Sonntag das dänische Derby zwischen Bröndby und dem FC verfolgen können?

Makienok: Klar habe ich das Spiel gesehen. Da war ja einiges los. Es waren 40.000 Zuschauer im Stadion und am Ende hat der FC 4:2 gewonnen. Es war ein verrücktes Spiel.

Kaufmann: Ich konnte vor der Abfahrt zu unserem Spiel in Braunschweig die erste Halbzeit anschauen und habe mir dann nach unserer Partie noch die restlichen Tore in der Zusammenfassung angeguckt. Simon hat recht: Es war ein tolles Spiel! Und natürlich habe ich mich gefreut, dass der FC Kopenhagen gewonnen hat. Ich selbst war ja auch bei Derbys dabei – aber wegen Corona hatten wir leider nie Zuschauer.

Makienok: Da hast du einiges verpasst. Das Duell der beiden Kopenhagen-Clubs ist das prestigereichste Spiel in Dänemark. Und die Zuschauer sind natürlich enthusiastisch. Es ist das Spiel des Jahres. Ich habe diese Derbys geliebt.

Ist das Prestigeduell in Ihrer Heimat vergleichbar mit dem Hamburg-Derby?

Makienok: Für mich ist das schwer vergleichbar, weil ich das Hamburger-Derby bislang nur unter Corona-Bedingungen erlebt habe. Natürlich sprechen wir auch in der Mannschaft über die Bedeutung des Spiels – und die Jungs, die schon länger bei St. Pauli dabei sind, haben schon von dem einen oder anderen Derbymoment berichtet. Aber ich freue mich extrem darauf, dass am Freitag wieder ein Derby mit vielen Zuschauern stattfindet. Das wird sicherlich fantastisch.

Sie haben sowohl in Kopenhagen als auch in Hamburg Ihre Derbys gewonnen. Welche Derby-Partys waren besser?

Makienok: Wenn ich ehrlich bin, dann waren die Feiern in Kopenhagen schon einen Tick besser, weil wir nach unserem letzten Derbysieg am Millerntor nicht wirklich was machen konnten. Es war ja noch Lockdown.

Kaufmann: Die Feier am Sonntag in Kopenhagen muss wohl auch gut gewesen sein. Ich habe schon viele Nachrichten bekommen und ich habe gehört, dass sogar HSV-Fans im Stadion waren.

Derby für HSV-Fans wichtiger als Aufstieg

Für Teile der HSV-Fans ist das Stadt-Derby noch wichtiger als der Aufstieg …

Kaufmann: Vor der Spielzeit waren Fans bei uns und haben uns auf die Saison eingeschworen. Und da haben sie auch sehr deutlich gemacht, dass Derbysiege für sie wichtig sind. Spiele, in denen sie von uns Einsatz, Leidenschaft und Punkte erwarten. Sie haben zwar nur auf Deutsch gesprochen, aber die Message habe ich durchaus verstanden.

Makienok: Und wir würden den Stadtmeister-Titel auch sehr gerne zu Hause verteidigen. In der Mannschaft spürt man dieses Gefühl, dass wir schon seit ein paar Spielen ohne Derby-Niederlage gegen den HSV sind.

Sie haben beim 2:2 im Volksparkstadion vor einem Jahr getroffen. Erklären Sie mal Ihrem Landsmann, welche Bedeutung so ein Derbytreffer hat!

Makienok: Für mich hatte dieser Treffer eine doppelt große Bedeutung. Es war ein Tor im Derby – und es war mein erster Treffer für St. Pauli. Mehr geht eigentlich nicht. Es war nur extrem ärgerlich, dass wir in dem Spiel noch sehr spät den Ausgleich zum 2:2 kassierten. Und was wirklich schade war: Es waren gerade einmal 1000 Zuschauer dabei. Die Fans sind aber diejenigen, die diese Spiele so besonders machen. Deswegen freue ich mich so sehr auf Freitag. Meine Freundin und ein paar Freunde werden auch im Stadion sein.

Kaufmann: Wohnungsangebot auf St. Pauli

Sie haben schon in Dänemark, England, Italien, den Niederlanden und Deutschland gespielt. Was ist das bedeutendste Derby in Europa?

Makienok: Puh, schwierige Frage. Jede Liga hat ihr eigenes Derby. Für mich persönlich war schon das Kopenhagen-Derby das bedeutendste. Aber jedes Derby hat seinen Reiz. Ich habe ja auch in Dresden gespielt. Und die Duelle mit Erzgebirge Aue waren auch extrem intensiv. So ein Spiel hat man vielleicht im europäischen Vergleich gar nicht auf dem Zettel.

Herr Kaufmann, von welchem Derby haben Sie als Kind geträumt?

Kaufmann: Als Kind war ich immer Barcelona-Fan. Ich habe also vom Clásico zwischen Barça und Real Madrid geträumt.

Makienok: Mit Messi und Ronaldo waren das ja auch die unglaublichsten Spiele. Wenn mich heute jemand zu einem Derby in Europa einladen würde, dann würde ich aber wahrscheinlich eher eines in England aussuchen. Vielleicht das Manchester-Derby zwischen United und City.

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Den Clásico oder das Manchester-Derby kann man natürlich auf der ganzen Welt verfolgen. Wie ist es mit dem Hamburger Zweitliga-Derby? Wird das eigentlich in Dänemark übertragen?

Makienok: Warum auch immer wird in Dänemark ziemlich viel HSV gezeigt, aber leider viel zu wenig St. Pauli. Ich weiß gar nicht, ob das Derby gezeigt wird. (Makienok schaut direkt ins Handy rein). Doch, tatsächlich: Das Derby kann man bei einem dänischen Streamingdienst verfolgen.

Herr Kaufmann, Sie sind erst ein paar Wochen in Hamburg. Waren Sie überhaupt schon auf St. Pauli?

Kaufmann: Ich bin mal durchgefahren, habe aber nicht viel gesehen. Lustigerweise wurde mir auch eine Wohnung auf St. Pauli angeboten. Ich habe mir dann aber gedacht, dass das als HSV-Profi vielleicht nicht die beste Idee ist… (lacht) Es gibt ja viele schöne Viertel in Hamburg.