Hamburg. Der Trainer schwärmt von seinem ersten Stadtderby, spürt das Fieber und hat einen Auftrag an die 700 HSV-Fans.
Als Tim Walter am Mittwoch auf dem Podium in der 1. Etage des Volksparkstadions Platz nahm, war ein Leuchten in seinen Augen zu erkennen. Zwei Tage vor dem brisanten Stadtduell beim FC St. Pauli (Freitag, 18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) befindet sich der Trainer des HSV schon im Derby-Fieber. „Freitagabend. Das Flutlicht geht an. Du siehst den Dom im Hintergrund. Darum spielen wir Fußball“, schwärmt Walter. „Das ist ein wunderschönes Gefühl, das umso schöner wird, wenn wir drei Punkte einfahren.“
Unterstützt wird seine Derby-Euphorie von der Entscheidung des Gesundheitsamts Hamburg-Mitte, erstmals in dieser Saison Gästefans zuzulassen. 700 Anhänger des HSV werden im Millerntor-Stadion mit dabei sein – und versuchen, den klaren Auftrag von Tim Walter umzusetzen: „Wir hoffen, dass diese 700 die anderen 10.000 übertünchen“, sagt der gut gelaunte 45-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht.
Zur Belohnung will der HSV-Coach die Fans mit einem Auswärtssieg beim ungeliebten Stadtrivalen glücklich machen. Wie dieses Ziel gelingen soll, hat er im Kopf bereits durchgespielt – mithilfe seiner inzwischen auch in Hamburg bekannten Fußball-Vokabeln. „Wir wollen mutig sein, Bereitschaft zeigen und intensiv spielen. Darauf wird es am Freitagabend ankommen. Wer da keinen Mut an den Tag legt, der wird den Kürzeren ziehen.“
HSV-Coach Walter mit Derby-Versprechen
Mut ist also mal wieder das Stichwort. Was für Walter eine Grundvoraussetzung im Fußball ist, stellte für den HSV in der Vergangenheit jedoch immer wieder Probleme dar. Allzu oft ließen die Hanseaten gerade in solchen Spielen, in denen es auf Leidenschaft, Wille und Kampfbereitschaft ankommt, wichtige Punkte liegen, die am Ende für den Aufstieg fehlten. Unter dem neuen Trainer soll sich der Club nun anders auf dem Platz präsentieren.
„In solchen Partien spielen oftmals Kleinigkeiten eine Rolle“, weiß Walter. „Wir werden versuchen, alles reinzuhauen und Leidenschaft an den Tag zu legen. Diese Grundtugenden können wir versprechen, um das Spiel auf unsere Seite zu ziehen.“
Walter erklärt Braunschweig-Kritik
Doch auch Walter musste bereits feststellen, dass der HSV gerne einen Gang zurückschaltet, wenn er sich zu sicher fühlt. So geschehen beim jüngsten Auftritt im DFB-Pokal in Braunschweig, als die Hamburger nach der eigenen Führung rund eine komplette Halbzeitlänge aufhörten, dem Plan des Trainers zu folgen. Anschließend hatte Walter scharfe Kritik geäußert. Er sprach unter anderem davon, dass das Gegentor „eine Frechheit“ gewesen sei und Tim Leibold (ohne namentlich erwähnt zu werden) seinen „Job verfehlt“ hätte, weil er sich bei einem Einwurf düpieren ließ.
Drei Tage danach haben sich die Emotionen inzwischen wieder etwas gelegt. „Kritik ist gut und dafür da, den Jungs bewusst zu machen, was nicht ganz so gepasst hat“, erklärt Walter die Psychologie seines Vergehens. „Das bezieht sich aber immer auf die gesamte Mannschaft, auch auf mich. Es bezieht sich nie auf Einzelne. Ich denke, dass die Jungs das so verstanden haben.“
Walter rechnet mit HSV-Bruch auf St. Pauli
Wie gut der Lerneffekt der Spieler tatsächlich ist, wird sich bereits am Freitag im Millerntor-Stadion zeigen. Auch beim Derby rechnet Walter offenbar damit, dass das HSV-Spiel einen Bruch haben wird. Entscheidend sei für ihn aber der Umgang mit einer solchen Situation. „Es kann immer Brüche im Spiel geben. Wir müssen diese Phasen nur gering halten und wachsam sein. Es geht um Sequenzen, teilweise Sekunden. Aufmerksamkeit ist schon sehr wichtig.“
Das Doppel-Interview zum Derby:
Klar ist, eine solche, vor allem länger andauernde und mit Leichtsinnigkeiten versehene Phase, wie in Braunschweig, will Walter nicht noch einmal sehen. Es gehört aber auch zu seinem Naturell, fest daran zu glauben, dass sich der HSV auf St. Pauli anders – nämlich besser – präsentieren wird. „Im Fußball gibt es nichts Schöneres als ein Derby“, sagt Walter, womit er aber nicht ganz recht hat. Denn noch schöner für alle Fans wäre ein Sieg im Derby.
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