Osnabrück. Auch Hrubesch kann den HSV nicht retten. Die Hamburger gehen in ihr viertes Jahr Zweite Liga. Ein unruhiger Sommer steht bevor.

Als HSV-Sportvorstand Jonas Boldt 20 Minuten nach dem in Stein gemeißelten Nicht-Aufstiegs-Triple seinen Interviewmarathon begann, starteten die Profis des VfL Osnabrück ihren Partymarathon. Aus der Kabine dröhnte Madonnas Evergreen „La Isla Bonita“ bis auf den Rasen, wo der 39-Jährige gerade bei Sky das aus Hamburger Sicht Unerklärliche erklärte.

„Das Spiel war ein Sinnbild für die ganze Saison“, sagte der gefasste Boldt, der sich auch durch die laute Partymusik nicht aus der Ruhe bringen lassen wollte. Zumindest für diesen Sonntag durften sich die Osnabrücker nach ihrem 3:2-Sieg gegen den HSV auf ihrer ganz persönlichen La Isla der Glückseligkeit fühlen, während der HSV wieder einmal in einem Ozean aus Schmerz, Trauer und Pein zu ertrinken drohte.

HSV hat den Aufstieg verspielt

Die Fakten in Kurzform: Der HSV rutschte durch die Pleite beim Abstiegskandidaten Osnabrück, der zuvor den inoffiziellen Weltrekord mit 13 Heimpleiten in Folge aufgestellt hatte, auf den fünften Platz ab und hat nun keine Chance mehr auf das Erreichen des Relegationsplatzes. Der VfL darf dagegen nach dem Sieg und der gleichzeitigen Niederlage von Konkurrent Braunschweig wieder an den Klassenerhalt glauben.

Der Fußballgott hatte am Sonntagnachmittag tatsächlich an der Bremer Brücke vorbeigeschaut – den HSV bei seinem Kurzbesuch aber ein weiteres Mal mit Nichtachtung gestraft.

Hrubesch prangert HSV-Profis an

„Eines muss man klar sagen: Wir haben es auch nicht verdient“, sagte Interimstrainer Horst Hrubesch, der nur wenige Meter von Boldt entfernt auf dem Rasen stand und deutliche Worte für den erneuten Tiefschlag fand. „Am Ende müssen wir uns selbst hinterfragen, warum das so ist. Ich bin da auch noch nicht schlau. Was mir fehlte, ist dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollten. Das habe ich mein Leben lang gemacht. Jeder muss sich hinterfragen, ob er das gemacht hat.“

Horst Hrubesch war enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft in Osnabrück.
Horst Hrubesch war enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft in Osnabrück. © Witters | Unbekannt

Dabei schien es zwischenzeitlich gar nicht mal so schlecht für den HSV zu laufen. Zwar passierte in Osnabrück zunächst nur wenig, doch im Fernduell mit Fürth durfte sich die HSV-Bank schon früh über ein Eigentor Paul Jaeckels in Paderborn freuen. Das Problem an der ganzen Sache: Die eigenen Hausaufgaben konnte nicht der SC Paderborn für den HSV übernehmen. Und so kam es, wie es kommen musste: Fehlpass Sonny Kittel, schlechte Zweikampfführung Amadou Onana und verlorenes Kopfballduell Toni Leistner. 0:1 durch Santos (34).

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Immerhin: Die Reaktion stimmte. Der tiefschlagerfahrene HSV schüttelte sich nur kurz und kam bereits drei Minuten später durch Youngster Robin Meißner zum Ausgleich. 1:1 – so stand es auch nach 45 Minuten. Und weil es auch im Parallelspiel in Paderborn nach weiteren drei Toren mit einem 2:2-Unentschieden in die Pause ging, schien im zweiten Durchgang noch alles möglich.

HSV zerbricht an den Erwartungen

Von wegen! Es folgte, was in den vergangenen Jahren immer folgte, wenn beim HSV Courage, Mut, Einsatz und ein kühler Kopf gefragt sind. Die Mannschaft zerbrach an sich und den Erwartungen. Zunächst war es Maurice Multhaup, der nach einer guten Stunde die erneute Osnabrücker Führung erzielte (61.). Und nachdem durch Tim Leibolds Ausgleichstreffer zehn Minuten vor Schluss noch einmal Hoffnung aufkam, war es schließlich der eingewechselte Marc Heider, der dem HSV mit seinem Tor zum 3:2-Endstand (84.) den Rest besorgte.

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Ob er schon eine Erklärung für den Einbruch habe, fragte das Abendblatt Hrubesch kurz nach dem Spiel. „Nein, eine Erklärung habe ich nicht“, antwortete der sichtlich geknickte Interimsnachfolger von Daniel Thioune, und gab zu: „Ich war auch ein bisschen geschockt.“

Kapitän Tim Leibold traf zum 2:2, ging  aber trotzdem mit unter.
Kapitän Tim Leibold traf zum 2:2, ging aber trotzdem mit unter. © Getty Images | Martin Rose

Trotz des Debakels und des nun feststehenden Nicht-Aufstiegs wolle er die Saison nun zunächst einmal ordentlich zu Ende bringen, sagte Hrubesch, der auch daran dachte, dass er und sein HSV im letzten Saisonspiel gegen Osnabrück-Konkurrent Braunschweig noch einmal gefragt werden würden. Erst danach sei die Zeit gekommen, um einen fetten Strich unter diese magere Spielzeit zu ziehen und das Passierte zu analysieren. „Wir werden uns dann hinsetzen und schauen, wohin wir wollen.“

Boldt geht von HSV-Verbleib aus

Genau diese Frage muss vor allem Sportvorstand Boldt beantworten. „Wir werden definitiv Luft holen und einen erneuten Anlauf nehmen, das ist ganz klar“, sagte er am Sonntag bei Sky – und versicherte auch, dass er selbst keine persönlichen Konsequenzen ziehen wolle. „Ich bin der Verantwortliche, dem stelle ich mich. Dass es Leute gibt, die jetzt wieder Köpfe fordern, gehört dazu. Aber aus meiner Sicht gibt es da keine Anzeichen.“

Ob Boldt recht oder unrecht mit seiner Einschätzung hat, dürfte sich bereits in den kommenden zwei Wochen entscheiden. Nach Abendblatt-Informationen ist für Anfang Juni eine Hauptversammlung der Anteilseigner terminiert, auf der Finanzvorstand Frank Wettstein die finanziellen Pläne und Sportvorstand Boldt die sportlichen Pläne für die kommende Saison in der Zweiten Liga präsentieren müssen.

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Boldt: HSV hat zu sehr vom Aufstieg geträumt

„Wir haben sehr viel von Entwicklung gesprochen und waren auf einem guten Weg, aber vielleicht haben wir uns auf dem Weg ein Stück weit verloren und gedacht, dass die Dinge von alleine laufen. Die Gefahr ist in Hamburg größer als woanders.“ Der HSV müsse im Verlauf einer Saison vor allem bei sich selbst bleiben. „Wir dürften nicht abheben und vom Aufstieg träumen.“

Der Anfang vom Ende: Santos überwindet Ulreich zum 1:0.
Der Anfang vom Ende: Santos überwindet Ulreich zum 1:0. © WITTERS | TimGroothuis

In dieser Saison ist dieser Traum ohnehin ausgeträumt. Und für die neue Saison muss Boldt zunächst einen neuen Trainer finden, neue Spieler und eine neue Überzeugung, dass der HSV mit ihm an der Spitze Anlauf Nummer vier in der Zweiten Liga nehmen sollte. „Es ist ein steiniger Weg und diesen Weg wollen wir weitergehen“, sagte Boldt. Sein Versprechen ganz zum Schluss: „Ich werde da definitiv voran gehen.“

Die Statistik:

  • Osnabrück: Kühn – Ajdini, Beermann, Trapp, Wolze – Multhaup (77., Engel), Reis, Taffertshofer, Amenyido (69., Heider) – Santos (88., Hennnig), Kerk (88., Blacha). – Trainer: Feldhoff 
  • HSV: Ulreich – Gyamerah (69. Dudziak), Leistner (79. Kwarteng), Heyer, Leibold – Kinsombi (69, Wintzheimer), Onana (50., Jung) – Jatta (46., Narey), Kittel - Terodde, Meißner. – Trainer: Hrubesch
  • Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
  • Tore: 1:0 (34.) Santos, 1:1 (37.) Meißner, 2:1 (61.) Multhaup, 2:2 (81.) Leibold, 3:2 (84.) Haider.
  • Gelbe Karten: Wolze (7), Taffertshofer (5) –

Aufstieg ade! HSV enttäuscht auf ganzer Ebene in Osnabrück

HSV-Torhüter Sven Ulreich hatte wenig Arbeit in der ersten Hälfte von Osnabrück. Der erste Schuss, der auf den Kasten kam, war sofort drin.
HSV-Torhüter Sven Ulreich hatte wenig Arbeit in der ersten Hälfte von Osnabrück. Der erste Schuss, der auf den Kasten kam, war sofort drin. © Witters | Unbekannt
Osnabrücks Torhüter Philipp Kühn (r.) rettete mehrmals gut gegen den HSV.
Osnabrücks Torhüter Philipp Kühn (r.) rettete mehrmals gut gegen den HSV. © dpa | Unbekannt
Nichts geht mehr: Sven Ulreich (r.) und Toni Leistner konnten mit dem HSV den Aufstieg mal wieder nicht erreichen.
Nichts geht mehr: Sven Ulreich (r.) und Toni Leistner konnten mit dem HSV den Aufstieg mal wieder nicht erreichen. © Imago | Unbekannt
Simon Terodde konnte gar nicht mehr hingucken. Der Torjäger blieb blass in Osnabrück und war sichtlich enttäuscht von sich und seiner Mannschaft.
Simon Terodde konnte gar nicht mehr hingucken. Der Torjäger blieb blass in Osnabrück und war sichtlich enttäuscht von sich und seiner Mannschaft. © Unbekannt | Unbekannt
Die Blicke von Moritz Heyer (l.) und Tim Leibold sprechen Bände. Der HSV bleibt auch in der neuen Saison ein Zweitligist.
Die Blicke von Moritz Heyer (l.) und Tim Leibold sprechen Bände. Der HSV bleibt auch in der neuen Saison ein Zweitligist. © Witters | Unbekannt
Marc Heider (r.) sorgte für den K.-o für den HSV und neue Hoffnung im Abstiegskampf für Osnabrück.
Marc Heider (r.) sorgte für den K.-o für den HSV und neue Hoffnung im Abstiegskampf für Osnabrück. © Unbekannt | Unbekannt
Kapitän Tim Leibold sorgte mit seinem Tor zum 2:2 kurzfristig für Hoffnung. Lange sollte sie aber nicht währen.
Kapitän Tim Leibold sorgte mit seinem Tor zum 2:2 kurzfristig für Hoffnung. Lange sollte sie aber nicht währen. © Witters | Unbekannt
Maurice Multhaup düpiert HSV-Verteidiger Moritz Heyer beim 1:2. Ein Bild mit Symbolcharakter.
Maurice Multhaup düpiert HSV-Verteidiger Moritz Heyer beim 1:2. Ein Bild mit Symbolcharakter. © dpa | Unbekannt
Amadou Onana musste kurz nach der Pause mit einer Adduktorenverletzung den Platz verlassen.
Amadou Onana musste kurz nach der Pause mit einer Adduktorenverletzung den Platz verlassen. © Witters | Unbekannt
Robin Meißner bejubelt sein zweites Profitor für den HSV. Der Youngster zeigte eine gute Leistung.
Robin Meißner bejubelt sein zweites Profitor für den HSV. Der Youngster zeigte eine gute Leistung. © Witters | Unbekannt
Horst Hrubesch war nur bedingt zufrieden mit der Anfangsphase seiner Jungs.
Horst Hrubesch war nur bedingt zufrieden mit der Anfangsphase seiner Jungs. © Witters | Unbekannt
Jan Gyamerah (l.) kam beim HSV für den verletzten Josha Vagnoman in die Startformation
Jan Gyamerah (l.) kam beim HSV für den verletzten Josha Vagnoman in die Startformation © Unbekannt | Unbekannt
Die passende Antwort des HSV. Robin Meißner traf sehenswert aus 17 Metern zum Ausgleich. Bereits gegen Nürnberg hatte der Youngster getroffen.
Die passende Antwort des HSV. Robin Meißner traf sehenswert aus 17 Metern zum Ausgleich. Bereits gegen Nürnberg hatte der Youngster getroffen. © Witters | Unbekannt
Christian Santos ließ HSV-Keeper Sven Ulreich aus kurzer Distanz keine Abwehrchance. Das 1:0 für Osnabrück
Christian Santos ließ HSV-Keeper Sven Ulreich aus kurzer Distanz keine Abwehrchance. Das 1:0 für Osnabrück © Witters | Unbekannt
Christian Santos (2.v.r.) brachte Osnabrück in der 34. Minute in Führung. Ganz zur Freude des Abstiegskandidaten.
Christian Santos (2.v.r.) brachte Osnabrück in der 34. Minute in Führung. Ganz zur Freude des Abstiegskandidaten. © dpa | Unbekannt
Simon Terodde vergab in der 23. Minute die Riesenchance zur Führung, als er frei an Philipp Kühn scheiterte.
Simon Terodde vergab in der 23. Minute die Riesenchance zur Führung, als er frei an Philipp Kühn scheiterte. © dpa | Unbekannt
Shootingstar Robin Meißner (l.) war im Sturm deutlich auffälliger als sein Nebenmann Simon Terodde.
Shootingstar Robin Meißner (l.) war im Sturm deutlich auffälliger als sein Nebenmann Simon Terodde. © Witters | Unbekannt
Bakery Jatta (l.) und Amadou Onana versuchten, dem HSV-Offensivspiel Impulse zu verleihen.
Bakery Jatta (l.) und Amadou Onana versuchten, dem HSV-Offensivspiel Impulse zu verleihen. © Witters | Unbekannt
Nachwuchsstürmer Robin Meißner (M.) stand beim HSV wieder in der Startformation
Nachwuchsstürmer Robin Meißner (M.) stand beim HSV wieder in der Startformation © Witters | Unbekannt
Sonny Kittel (v.) und die HSV-Profis wirkten vor der Partie in Osnabrück locker, aber konzentriert.
Sonny Kittel (v.) und die HSV-Profis wirkten vor der Partie in Osnabrück locker, aber konzentriert. © Witters | Unbekannt
Vor dem Spiel sorgten die Fans des VfL Osnabrück für eine emotionale Begrüßung vor dem Stadion.
Vor dem Spiel sorgten die Fans des VfL Osnabrück für eine emotionale Begrüßung vor dem Stadion. © dpa | Unbekannt
HSV-Trainer Horst Hrubesch (l.) tauschte sich vor dem Spiel mit Osnabrücks Coach Markus Feldhoff aus. Für beide Trainer stand viel auf dem Spiel.
HSV-Trainer Horst Hrubesch (l.) tauschte sich vor dem Spiel mit Osnabrücks Coach Markus Feldhoff aus. Für beide Trainer stand viel auf dem Spiel. © Witters | Unbekannt
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