DüsseldorfHamburg. Toni Leistner und Stephan Ambrosius sind die Türsteher, mit denen nicht einmal beim HSV jemand gerechnet hat.
Viel Schlaf war es nicht, über den sich Michael Mutzel in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch freuen durfte. Der Sportdirektor des HSV fuhr mit der Mannschaft aus Düsseldorf zurück, kam um kurz vor 4 Uhr am Volkspark an – und um 8 Uhr morgens stand schon wieder Homeschooling auf dem Plan. Gleich drei Kinder (5, 6 und 9) freuten sich auf Lehrer Mutzel, der den beiden Kleineren am Mittwochvormittag den Buchstaben „B“ beibringen musste. B – wie Bollwerk.
Am Mittag nach dem Vormittagsunterricht stand der Papalehrer dann wieder frisch geduscht im Volkspark – und lobte nach dem 0:0 gegen Düsseldorf vom Vorabend vor allem das Abwehrbollwerk seines HSV: „Gegen die Fortuna passte das ganz gut bei uns in der Defensive.“ Dass nach dem Spitzenspiel vor allem die Abwehrreihen beider Clubs im Fokus stehen würden, war vor der Partie nicht erwartet worden.
Ambrosius und die Lust am Zerstören
So hatte noch am Spieltag eine Boulevardzeitung ganzseitig eine „Tor-Garantie“ für das Topspiel ausgesprochen. Die naheliegenden Gründe: Der HSV und die Fortuna seien zum einen die treffsichersten Teams der Zweiten Liga. Zum anderen habe es seit 46 Jahren kein 0:0 mehr bei dieser Partie gegeben. Der Haken an dieser bestechenden Kausalkette: Der Faktor Bollwerk wurde nicht berücksichtigt.
Tatsächlich sind Hamburgs Innenverteidiger Stephan Ambrosius (22) und Toni Leistner (30) die wohl kompromisslosesten Türsteher der Zweiten Liga. Ambrosius, nur 1,82 Meter groß, dafür gefühlt auch 1,82 Meter breit, hat eine derartige Lust am Zerstören, dass er in dieser Saison aus seinem Metier eine neue Kunstform entwickelt hat. Und Leistner, 1,90 Meter groß, 90 Kilo schwer und Schultern so breit, dass nur die eigene Brust noch mithalten kann. „Zweifel habe ich eigentlich nie“, sagte er am Wochenende im NDR-„Sportclub“, nachdem ihm beim 4:2-Sieg in Braunschweig ein kapitaler Klops unterlaufen war.
Klopslose Leistung gegen Düsseldorf
Gegen Düsseldorf, seit neun Partien ohne Niederlage, blieben Leistner und Ambrosius klopslos. „Das, was wir wegverteidigt haben, war richtig gut“, lobte auch Trainer Daniel Thioune. „Stephan und Toni haben es richtig gut gemacht, sie haben sich in alles reingehauen.“
HSV verpasst Sieg in Düsseldorf:
Keine Tore im Spitzenspiel: HSV verpasst Sieg in Düsseldorf
Dass Leistner und Ambrosius ihre Gegner förmlich auffressen, ist nichts Neues. Allerdings zeigten die beiden Zerstörer aus Leidenschaft in Düsseldorf, dass sie auch mit dem Ball etwas anzufangen wissen. Mit 125 (Leistner) und 108 (Ambrosius) hatte das dynamische Duo die mit Abstand meisten Ballkontakte aller Spieler auf dem Rasen. Zum Vergleich: Düsseldorfs hochgelobte Abfangjäger Kevin Danso (43 Ballkontakte) und Andre Hoffmann (35 Ballkontakte) hatten gerade mal ein Bruchteil dessen zu bieten. Zudem überzeugten Ambrosius (91 Prozent) und Leistner (89 Prozent) mit beeindruckenden Passquoten. „Wir haben Düsseldorfs Offensive komplett kontrolliert“, lobte Thioune.
Ambrosius wurden Defizite im Spielaufbau attestiert
Die Freude über Hamburgs Spielverderber ist verständlich, da noch im Sommer nicht viele den beiden eine derart starke Saisonperformance zugetraut hatten – auch nicht im eigenen Club. Besonders Ambrosius, der in der vergangenen Spielzeit gerade einmal 45 Saisonminuten zum Einsatz kam, sahen die Verantwortlichen kritisch. Während Leistner von Anfang an als Säulenspieler eingeplant war, musste Ambrosius innerhalb des eigenen Clubs Überzeugungsarbeit leisten.
Vor der Vorbereitung hatte sogar das spielstarke Eigengewächs Jonas David die Nase vorn, da Ambrosius zu große Defizite im Spielaufbau attestiert wurden. Ein halbes Jahr später kommt David auf eine Saisonminute, Ambrosius auf 1348 Minuten. „Mit seinen Leistungen kann Stephan mit einer breiten Brust auf den Platz gehen“, lobt Leistner seinen acht Jahre jüngeren „Partner in crime“. „Er kann Kommandos geben, muss sich definitiv nicht verstecken.“
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Das sieht auch Sportdirektor Mutzel so. „Stephan hat sich richtig gut entwickelt – auch mit Ball. Er ist mutig im Andribbeln, übernimmt Verantwortung.“ Ob er seinem Abwehrpärchen auch eine ordentliche Rolle nach einem möglichen Aufstieg zutrauen würde, wollte Mutzel noch nicht beantworten. „Die nächste Stufe ist natürlich noch einmal eine Steigerung“, sagte Mutzel. Und über den Aufstieg will man beim HSV ja ohnehin noch nicht reden. Auch wenn es dann endlich wieder hieße: B – wie Bundesliga.
Präsidium tagt:
- MV: An diesem Donnerstag steht eine Präsidiumssitzung beim HSV e. V. auf der Tagesordnung. Diese wird mit Spannung erwartet, weil das untereinander zerstrittene Präsidium die Durchführung der digitalen, außerordentlichen Mitgliederversammlung abstimmen muss. Immerhin: Das Präsidium muss nicht bei null anfangen.
- Nach Abendblatt-Informationen wird wegen der Corona-Krise bereits seit Monaten die Möglichkeit einer digitalen „MV“ überprüft, Dienstleister und Anbieter werden verglichen. Spätestens Anfang März soll dann digital über den Antrag auf Abwahl von Vize Thomas Schulz abgestimmt werden.