Hamburg. Seit knapp zwei Jahren sitzt er als Vertreter des Investors im HSV-Aufsichtsrat. Doch wer ist dieser Mann, der öffentlich nie auftritt?
Die Frage, wann und wie man sich in diesen HSV verliebt hat, musste wahrscheinlich jeder Fan schon einmal beantworten. Beim einen war es die Meisterschaft 1960, als Uwe Seeler und Co in offenen Cabrios durch Hamburg fuhren. Beim anderen war es der Triumph von Athen 1983, als Felix Magath und Co den HSV an die Spitze Europas schossen. Und bei Jüngeren ist es oft dieses wahnsinnige 4:4 in der Champions League gegen Juventus Turin, als sich das gerade umgebaute Volksparkstadion in ein Tollhaus verwandelte. Bei Markus Frömming war es ein 0:0 gegen Bayer Uerdingen an einem regnerischen Freitagabend Mitte der 90er.
25 Jahre ist dieses Spiel bereits her. Die Helden von einst hießen Marijan Kovacevic, Jürgen Hartmann und Andreas Fischer. Man muss schon hartgesotten sein, um dem HSV von damals mit den Spielern von damals irgendetwas abzugewinnen. Doch Frömming, seinerzeit ein Teenager, der erstmals mit seinen Freunden in dieses große Stadion tief im Westen von Hamburg durfte, war begeistert. Der Stellinger Bahnhof, der Weg durch den Tunnel, die Fanrufe, die Rituale. All das hat den gebürtigen Schleswig-Holsteiner tief beeindruckt und geprägt.
Kühne: Frömming trägt zum Teamwork in der Führung bei
Ein Vierteljahrhundert später steht der 40-Jährige nicht mehr in der Westkurve. Und auch nicht auf der Nordtribüne. Bei Heimspielen sitzt er in der HSV-Loge neben den anderen Entscheidungsträgern des Clubs. Neben den Vorständen Jonas Boldt und Frank Wettstein und den Aufsichtsräten um Chefkontrolleur Marcell Jansen. Der Bayer-Uerdingen-Westkurven-Stellinger-Bahnhof-Teenie von einst ist heute einer der wichtigsten und mächtigsten HSV-Macher, über den aber eine Frage bislang unbeantwortet ist: Wer ist eigentlich dieser Markus Frömming? Knapp zwei Jahre ist es her, dass der geschäftsführende Gesellschafter der Hamburger Agentur Brands Alive auf Empfehlung von HSV-Anteilseigner Klaus-Michael Kühne für den AG-Aufsichtsrat vorgeschlagen wurde.
„Markus Frömming ist ein aufgeweckter, marketingorientierter, fußballenthusiastischer Jungunternehmer, der in 2015 das 125-jährige Kühne-und-Nagel-Jubiläum großartig vorbereitet und gemanagt hat, und dessen Begeisterung für den HSV mir erst später bewusst wurde“, beschreibt Kühne auf Abendblatt-Nachfrage seinen Vertreter im HSV-Aufsichtsrat. „Ich habe ihn für den Aufsichtsrat empfohlen, wo er eine wichtige Rolle einnimmt und unter anderem zum Teamwork in den Führungszirkeln maßgeblich beiträgt.“
Frömming hält sich lieber im Hintergrund
Anders als Kühne, der früher gerne mal öffentlich seine Meinung zum Besten gab, hält sich Frömming lieber im Hintergrund auf. Interviews zum HSV hat der Marketingexperte noch nie gegeben – dabei hat sein Wort innerhalb der Führungsgremien durchaus Gewicht. „Wir stehen in einem regelmäßigen Austausch, aber Markus Frömming nimmt seine Aufgabe beim HSV sehr selbstständig und unabhängig wahr – und das ist auch gut so“, sagt Kühne. Wer mehr über diesen selbstständigen und unabhängigen Geist wissen will, der muss sich auf eine Zeitreise in die schleswig-holsteinische Provinz der 80er und 90er machen.
Geboren in Bad Oldesloe, aufgewachsen in Grönwohld im Osten des Kreises Stormarn. In Eichede, im gerade einmal elf Kilometer entfernten Nachbarsort, hat Frömming das Fußball-Einmaleins erlernt. „Markus ist einer, auf den man sich immer und überall verlassen kann“, sagt einer, der schon da mals in Eichede war und noch heute da ist. Olaf Gehrken war Fußball-Obmann, als der lange Lulatsch als B-Jugendlicher kam, Führungsspieler wurde, Kapitän – und später sogar mit den Herren bis in die Oberliga aufstieg. „Wir haben über die Jahre immer Kontakt gehalten“, sagt Gehrken, der mittlerweile Vorsitzender des SV Eichede ist. „Markus hat nie vergessen, wo er herkommt.“ Auch nicht, als es den Jungunternehmer später ins große Hamburg zog.
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Internationale Top-Marken sind unter seinen Kunden
Wer in seinem Büro an der Alster war, der ist schnell beeindruckt. Doch der Blick auf die Außenalster soll den Sinn für das Wesentliche nicht beeinflussen. Das erste Faxgerät habe er sich einst leasen müssen, erzählt Frömming gerne. Gehrken ist dennoch beeindruckt: „Markus ist einen tollen Weg gegangen.“ Nach seinem Studium in Düsseldorf hat sich Frömming vor ein paar Jahren mit seiner Marken- und Strategieberatung selbstständig gemacht.
Und die Kundenliste der 20-Mann-Agentur liest sich mittlerweile wie ein Who-is-who der internationalen Top-Marken: Chanel, BMW, Mini, Rolls Royce, Philips. Frömming war es auch, der die Edelmarke Chanel auf Festivals positionierte. Geht nicht, gibt’s nicht. Das musste auch Ex-Vorstandschef Bernd Hoffmann im vergangenen März erfahren. Als Frömmings und Jansens Daumen gesenkt wurden, war das Schicksal Hoffmanns besiegelt. Dabei erzählt Frömming Vertrauten gerne, dass er schon auf der Mitgliederversammlung vor drei Jahren seine Vorbehalte gegen den streitbaren Hoffmann hatte. Dieser setzte sich mit einem Vorsprung von nur 15 Stimmen gegen Jens Meier durch – und verstärkte bei Frömming das Gefühl, dass der HSV nun ein geteilter Club sei.
Frömming denkt gerne antizyklisch
Es wirkt fast wie ein Treppenwitz, dass ausgerechnet der Kühne-Mann im Aufsichtsrat diesen geteilten Club wieder einen wollte. „Bei vielen Themen haben wir schnell gemerkt, dass wir in eine Richtung denken. Wir haben uns direkt gut verstanden“, sagt Marcell Jansen, der gemeinsam mit Frömming im Aufsichtsrat den Ton angeben soll. „Ich finde es sehr nachvollziehbar, dass Herr Kühne als Geldgeber auch einen Vertreter im Aufsichtsrat haben möchte“, sagt Jansen. „Aber ich habe vor allem deshalb ein gutes Gefühl, weil ich auch inhaltlich von Markus Frömming überzeugt bin.“
Gemeinsam mit Jansen setzte sich Frömming auch unmittelbar nach der Pokalpleite gegen Dynamo Dresden mit Sportvorstand Jonas Boldt zusammen. Nicht zum Krisengespräch. Sondern zum ersten Vertragsverlängerungsgespräch. Frömming denkt gerne antizyklisch. Deswegen war es für ihn auch nur logisch, dass er und Jansen sich wenig später mit rund zehn Anhängern aus der aktiven Fanszene zusammensetzten. Supporterschef Tim-Oliver Horn war dabei, Tankstellen-Talkmaster Jan Walter Möller und sogar der eine oder andere Ultra. Gesprächsteilnehmer berichten von einem guten und konstruktiven Austausch.
Der HSV soll sich stabilisieren
Der Kühne-Mann und der Ultra an einem Tisch – ein herrliches Bild, das Frömming aber auf keinen Fall in der Zeitung wiedersehen wollte. Genauso wenig wie die Umstände, wie er und Kühne sich wirklich kennenlernten. Es war bereits 2013, dass sich die beiden erstmals über den Weg liefen. Frömming, der auch CEOs berät, war schnell von Kühnes Lebenswerk angetan. Wenig begeistert war er dagegen, was Kühne und Co nach der Ausgliederung 2014 mit der historischen Chance, den HSV zu alter Stärke zurückzuführen, anstellten. Der HSV-Bayer-Uerdingen-Westkurven-Fan zögerte nicht lange und teilte Kühne in einem langen Brief seine Gedanken mit.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: 2016 flog Frömming erstmals zu Kühne nach Mallorca, wurde zunächst „nur“ sein HSV-Vertrauter, später sein Mann im Aufsichtsrat. Seitdem gibt es keine E-Mail Kühnes, die nicht im CC über Frömmings Schreibtisch geht. Auch am Deal mit der Stadt bezüglich des Stadion-Grundstücks soll er beteiligt gewesen sein. Doch Frömming ist mehr als „nur“ der Kühne-Mann.
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Der Wahl-Hamburger hat zum Saisonbeginn das Gespräch mit Trainer Daniel Thioune gesucht, er sprach mit Nachwuchschef Horst Hrubesch über alte Zeiten, und er trifft sich regelmäßig mit Boldt. Frömming träumt nicht von längst vergessenen Europapokalzeiten. Sein Ziel: Der HSV soll sich stabilisieren. Ein hässliches 0:0 an einem regnerischen Freitagabend kann auch Spaß machen. Nur die Bundesliga, die soll es dann für seinen HSV schon sein. Einer der Sätze, die Frömming am meisten beeindrucken, hat er von Uwe Seeler: „Du musst auf das Tor schießen, wenn Du ein Tor erzielen willst.“