Heidenheim. Der neue HSV-Torhüter manövriert seine Mannschaft bei der 2:3-Niederlage mit einem Megapatzer kurz vor dem Spielende in die Krise.
Lukas Hinterseer kam als Erster. Es folgten die anderen Ersatzspieler, dann Torwarttrainer Kai Rabe. Und schließlich führte auch der Weg von Trainer Daniel Thioune zu Sven Ulreich, um den HSV-Torhüter zu trösten.
Der 32-Jährige stand in der Heidenheimer Voith-Arena kurz vor dem Strafraum auf dem Rasen und hätte sich vermutlich am liebsten in das Grün vergraben. Sein folgenschwerer Fehler war gerade erst drei Minuten alt. Doch Ulreich wusste natürlich sofort, was dieser für den HSV bedeutet.
In der letzten Minute hatte er dem 1. FC Heidenheim den 3:2 (2:2)-Sieg geschenkt und seine Hamburger damit endgültig in die nächste Krise manövriert. „Sven hat von uns schon einiges an Zuspruch bekommen“, sagte Thioune eine halbe Stunde später. „Im Moment ist er gerne den Augenblick alleine. Er wird etwas Zeit brauchen.“
Ulreichs folgenschwerer HSV-Patzer
Es lief die 90. Minute, alles sah nach einer Punkteteilung aus, mit der der HSV angesichts des Spielverlaufs gut hätte leben können, als Ulreich einen Abstoß ausführte. Er hätte vieles machen können in dieser Situation. Er hätte zum Beispiel den Ball auf die Schwäbische Ostalb schießen können. Oder auf gut Glück einfach mal Richtung gegnerischen Strafraum.
Doch Ulreich entschied sich zu einem Kurzpass auf Innenverteidiger Toni Leistner, obwohl Heidenheim bereits das Pressing andeutete.
Der Ball kam zurück zu Ulreich, wieder die Chance, den Ball auf die Tribüne zu schießen. Wieder nicht. Stattdessen ein Stockfehler bei der Annahme. Christian Kühlwetter nutzte ihn zu seinem dritten Treffer – dem Siegtreffer. Ende, Aus, Nikolaus. Ein vorweihnachtliches Geschenk, das dem HSV nach drei sieglosen Spielen gerade noch gefehlt hat. Advent, Advent, der … ach, genug der Weihnachtsworte.
Thioune spricht über die HSV-Krise
Krise ist das Wort, das den HSV nun erreicht hat. Das versuchte auch Thioune gar nicht erst zu negieren. „Wenn man zwei Spiele hintereinander verliert und davor zweimal Unentschieden spielt, ist es eine Krise“, stellte der Trainer fest. Und die hat den HSV nun schon nach dem neunten Spieltag erwischt. Auch die Tabellenführung ist weg. Innerhalb von fünf Spielen hat Greuther Fürth aus einem Neun-Punkte-Rückstand einen Ein-Punkte-Vorsprung gemacht.
Dabei hatte es verheißungsvoll begonnen. Der HSV zeigte eine Woche nach dem trostlosen 1:3 gegen Bochum eine gute Reaktion, hielt gegen die heimstarken Heidenheimer vor allem körperlich dagegen und belohnte sich. Zunächst vollendete Sonny Kittel eine schnelle Kombination über Moritz Heyer und Manuel Wintzheimer zum 1:0 (16.).
Acht Minuten später legte Wintzheimer nach einer Ecke und einer handspielverdächtigen Ballannahme erneut auf, diesmal war es Leistner, der aus zehn Metern traf (24.). Ein Traumstart.
Doch wer Heidenheim kennt, der weiß, dass ein 0:2 nichts bedeutet. Und wer den HSV kennt, der weiß ebenso, dass ein 2:0 selten ein Grund ist, entspannt zum Kühlschrank zu gehen, um sich den Rest des Spiels in Bierruhe anzuschauen.
Denkt der HSV zu sehr an die Vergangenheit?
So war es auch diesmal. Heidenheims Kühlwetter war es, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt den HSV innerhalb von 17 Minuten wieder in eine Kaltstarre versetzte. Zunächst traf er per Kopf (27.), dann per Fuß (44.). In beiden Situationen lief Jan Gyamerah nur neben- und hinterher, beim 2:2 hob er das Abseits auf, als er an der Seitenlinie ganz gemächlich nach vorne trabte.
Der wechselfreudige Thioune hatte sich diesmal für eine Viererkette entschieden, doch aktuell ist es beim HSV fast egal, in welchem System er spielt. Die Spieler wirken zunehmend verunsicherter, je länger die Begegnungen dauern. Holt den HSV die Vergangenheit schon so früh in der Saison wieder ein? Wie in Kiel brachten sich die Hamburger kurz vor Schluss um Zählbares.
HSV verspielt eine 2:0-Führung in Heidenheim
„Wir haben von Beginn an gezeigt, dass wir die Vergangenheit vergessen machen wollten“, sagte Thioune hinterher. Was dann folgte, war ein Spiel zum Vergessen und die Erkenntnis, dass die traumatischen Erlebnisse der Vergangenheit noch immer eine bessere Zukunft verhindern. Anders ist es kaum zu erklären, dass ein so erfahrener Torwart wie Ulreich, der bei Bayern München viele Titel sammelte, in der Schlussminute einen derart jugendlichen Fehler begeht.
Daniel Thioune gab sich trotz allem kämpferisch: „Wir müssen den Turnaround hinbekommen. Dann meistern wir auch diese Krise.“ Die nächste Chance gibt es am Sonnabend gegen Hannover. Die tröstende Nachricht: Auch die Niedersachsen haben die Krise. Sie verloren zu Hause 0:3 gegen Holstein Kiel und sind ebenfalls seit vier Spielen sieglos.