Hamburg. Fehlende Zuschauer-Einnahmen machen dem Club zu schaffen. Welche Rolle der Stadion-Deal mit der Stadt Hamburg spielt.

Für den einen oder anderen HSV-Mitarbeiter bietet sich nach dem Zweitliga-Spitzenspiel bei Holstein Kiel am Montag (20.30 Uhr/Sky) die Gelegenheit, ein wenig Urlaub zu nehmen. Dann stehen die bereits dritten Länderspieltermine der noch jungen Saison an. Frank Wettstein allerdings wird als einer von wenigen Mitarbeitern in der Geschäftsstelle sitzen. Der Finanzvorstand des HSV wird die Präsentation der neuen Jahresbilanz vorbereiten. In Kürze will Wettstein die Zahlen des Geschäftsjahres 2019/20 veröffentlichen. Und die werden geprägt sein von der seit März anhaltenden Corona-Krise.

Ursprünglich wollte der Finanzchef erstmals in seiner fünfjährigen Amtszeit ein ausgeglichenes Ergebnis präsentieren. Doch die fehlenden Zuschauereinnahmen in den letzten fünf Heimspielen der vergangenen Saison summierten sich zu einem Verlust von acht Millionen Euro. In dieser Größenordnung dürfte entsprechend auch das neue Minus liegen. Es wird das zehnte Minus in Folge für den HSV. Sorgen bereitet der Clubführung diese Zahl isoliert betrachtet aber nicht. „Die Steuerungsgröße für das Überleben ist nicht das Jahresergebnis, sondern die Liquidität“, sagte Wettstein vor wenigen Wochen im Abendblatt.

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    Weit mehr Sorgen bereitet der HSV Fußball AG dagegen die aktuelle Entwicklung der Corona-Pandemie und damit einhergehend die weiterhin fehlenden Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Insbesondere die fehlenden Erlöse aus dem Bereich der VIP-Karten schmerzen den HSV. Zwar konnte der Club zuletzt wieder auf der Osttribüne vereinzelt Karten an die sogenannten Hospitality-Kunden verkaufen, doch die lukrativen VIP-Logen blieben dicht und werden es wohl auch bis auf Weiteres bleiben.

    Corona-Krise: Zwei Szenarien beim HSV

    Der HSV plant daher für die laufende Saison mit zwei Szenarien. Das eine sieht vor, die Heimspiele in der zweiten Saisonhälfte wieder vor einer größeren Kulisse auszutragen. Das zweite und aktuell wahrscheinlichere Szenario ist, gänzlich ohne Zuschauereinnahmen zu planen.

    Aktuell gibt es allerdings kein Szenario, bei dem der HSV im laufenden Geschäftsjahr in eine existenzgefährdende Lage geraten könnte. Die Sicherheit hat dem Club die Vereinbarung mit der Stadt Hamburg verschafft. Vor sieben Wochen hatten der HSV und der Senat eine gemeinsame Absichtserklärung unterschrieben. Der „Letter of Intent“ sieht vor, dass die Stadt dem HSV ein 75.961 Quadratmeter großes Grundstück für 23,5 Millionen Euro abkauft. Mit diesem Geld soll der HSV die Kosten für die Sanierung des Volksparkstadions bezahlen, um es für die Europameisterschaft 2024 vorgabegemäß zu sanieren. Der HSV zahlt zudem bis 2087 einen jährlichen Erbbauzins von 1,8 Prozent.

    Weitere HSV-Angestellte in Kurzarbeit?

    Bis das Geld auf dem Konto des Zweitligisten ankommt, werden allerdings Monate vergehen. Zuvor muss noch die Bürgerschaft zustimmen und der Vertrag finalisiert werden. Beim HSV zweifelt aber niemand mehr daran, dass der Vertrag zustande kommt.

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    Dem HSV verschafft dieser Deal die nötige Liquidität, um die Krise zu durchstehen. Auch wenn die Vereinbarung vorsieht, dass der HSV das Geld für die Stadionsanierung ausgibt, ist nicht ausgeschlossen, dass es je nach Lage zunächst anderweitig verwendet wird. Auch der Stadt Hamburg ist klar, dass der Vertrag vor dem Hintergrund der Existenzgefahr geschlossen wurde, sollte der HSV über die Saison hinaus ohne Zuschauereinnahmen auskommen müssen.

    Möglich ist zudem, dass der Club weitere Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt, sollte etwa der Trainingsbetrieb im Nachwuchs wieder ruhen. Einen erneuten Gehaltsverzicht soll es aber nicht geben. Auch die Aufnahme eines Darlehens bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), so wie beim FC St. Pauli, ist nicht geplant. Im Hintergrund laufen beim HSV ohnehin schon Tilgungsprozesse. Das Schuldscheindarlehen in Höhe von 40 Millionen Euro, das der Club 2016 platziert hat, wird planmäßig bis 2026 getilgt. Aktuell liegt es noch bei 24 Millionen Euro. Auch die im vergangenen März aufgelegte Fan-Anleihe in Höhe von 17,5 Millionen Euro soll bis 2026 zurückgezahlt sein.

    Im Vergleich zu anderen Proficlubs plagen den HSV daher auch derzeit keine Existenzängste. Trotzdem sucht der Club perspektivisch nach neuen Einnahmemöglichkeiten. Ein Anteilsverkauf über die 24,9-Prozent-Grenze bleibt im Hintergrund ein großes Thema. Dass darüber schon bei der nächsten Mitgliederversammlung abgestimmt wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Aktuell ist noch nicht mal absehbar, ob die geplante Versammlung Anfang des Jahres überhaupt stattfinden kann. Die Worte von Wettstein aus dem August bleiben daher bestehen: „Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Wir müssen lernen, mit der Un­sicherheit zu leben.“