Hamburg. Kiels Trainer spricht vor dem Zweitliga-Topspiel über Anfragen aus Hamburg, einen „Tatort“-Nachtjob und Rasenmähen in Australien.

Ole Werner kann sich noch sehr gut an sein erstes Spiel für die erste Mannschaft von Holstein Kiel erinnern. Sogar die genaue Einwechslung hat er 13 Jahre später noch nicht vergessen, als ihn das Abendblatt im Podcast „HSV – wir müssen reden“ nach seinem größten Spiel seiner aktiven Karriere befragt. „Ich müsste für Michél-Mazingu Dinzey gekommen sein“, erzählt der Trainer von Holstein Kiel, als er sich in seinem Büro via Zoom zuschaltet.

Werner spricht über das 0:5 in der ersten Runde des DFB-Pokals am 5. August 2007. Der Gegner damals: der HSV. „Die Stimmung ist hängen geblieben. Ich erinnere mich auch noch, wie Hauke Brückner unseren Trainer Peter Vollmann so richtig auf die Palme gebracht hat, weil er am eigenen Strafraum versucht hat, Rafael van der Vaart zu tunneln. Auch die Geschwindigkeit von Romeo Castelen habe ich noch im Kopf. Auf diesem Niveau habe ich so ein Tempo bei einem Gegenspieler erstmals leidvoll erfahren.“

HSV wartet seit 2007 auf einen Sieg gegen Holstein Kiel

Werners Erinnerungen sind nur leicht verblasst. Van der Vaart war gerade ausgewechselt, als er ins Spiel kam. Brückner scheiterte mit dem Tunnel letztlich an David Jarolim. Dass Castelen noch das Tor zum 0:5 erzielte, ist Werner aber richtigerweise im Gedächtnis geblieben. Es sollte zudem sein einziges Spiel für die Ligamannschaft der „Störche“ bleiben. Wegen einer Hüftproblematik musste Werner seine Karriere schon mit Anfang 20 beenden.

Was viele nicht mehr wissen dürften: Das 5:0 war der bis heute letzte Sieg des HSV in einem Pflichtspiel gegen Holstein Kiel. Seitdem gab es zwar nur noch vier Spiele, doch in all diesen Zweitligapartien blieben die Schleswig-Holsteiner gegen die Hamburger ungeschlagen. Auch weil Ole Werner den HSV in der vergangenen Saison zweimal ärgerte. 1:1 und 3:3 hieß es in den beiden Nordderbys. Vor allem der Ausgleich in der Nachspielzeit im Rückspiel sollte dem HSV im Nachhinein den Aufstieg kosten.

Werner hatte zwei HSV-Angebote

Am Montag (20.30 Uhr/Sky) will Werner dem noch ungeschlagenen Tabellenführer HSV erneut ein Bein stellen. „Es ist eine große Herausforderung, aber solche Aufgaben kitzeln. Wir wollen die erste Mannschaft sein, die den HSV schlägt“, sagt Werner, der grundsätzlich aber Sympathien für die Hamburger hat. „Der HSV gehört in die Erste Liga, er kann gerne aufsteigen. Dafür drücke ich die Daumen. Aber am Montag sollen die Punkte in Kiel bleiben.“

Werner ist in Kiel verwurzelt. Er wuchs an der Förde auf und wurde nur im benachbarten Preetz geboren, weil in keinem Kieler Krankenhaus ein Platz frei war. Dennoch hat er auch zu Hamburg ein starke Verbindung. Seine Mutter ist in der Hansestadt geboren, seine Oma lebte in Hamburg, und hin und wieder „verirrte“ sich Werner in jungen Jahren auch mal im Hamburger Nachtleben.

HSV-Check vor dem Spiel in Kiel:

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Es fehlte nicht viel, und das frühere Mittelfeldtalent hätte in der A-Jugend nicht mit Kiel gegen den HSV um Maxim Choupo-Moting gespielt, sondern mit dem heutigen Bayern-Stürmer in einem Team. „Es gab zweimal die Möglichkeit, zum HSV zu gehen“, verrät Werner 15 Jahre danach. Beim Turnier der Landesauswahlen in Duisburg fiel der Kieler Nachwuchsspieler aber nicht nur dem HSV auf.

Werner brach Zeit im Hertha-Internat wieder ab

Auch Hertha BSC mit dem damaligen Jugendtrainer Dirk Kunert und Jugendkoordinator Frank Vogel wollte Werner haben – und bekam ihn auch. Mit 17 zog der Kieler in das Hertha-Internat nach Berlin. Es begann eine Zeit, die ihn nachhaltig prägte. „Als Mensch hat mich Hertha total voran gebracht, aber es war eine schwierige Zeit, die mich belastet hat“, sagt Werner rückblickend. Die strikten Regeln, die Entfernung zu seiner Familie – „ich habe mich im Internatsalltag nicht wohlgefühlt.“

Nach nur wenigen Monaten brach er seine Zeit in Berlin ab und zog zurück. Dabei ließ er seine zweite Chance verstreichen, zum HSV zu gehen. „Ich konnte mir nicht vorstellen, noch einmal in ein Internat zu ziehen, und war froh, wieder zu Hause zu sein“, sagt Werner, der zurück in Kiel dann gegen den HSV bei den Herren debütierte.

Doch die Karriere war schon vorbei, ehe sie richtig losging. Die Hüfte machte nicht mehr mit. Werner musste einen anderen Weg einschlagen. In Kiel bewarb er sich für ein Lehramtsstudium, machte dabei aber einen formalen Fehler. Als er aus dem Urlaub zurückkehrte, war die Frist verstrichen. Was nun? Er nahm sein Erspartes zusammen und buchte einen Flug nach Australien. Die Idee: Ein Jahr Work and Travel.

Werner bildete Fahrgemeinschaft mit HSV-Kollege Rahn

Doch das Geld reichte in Sydney nur für sechs Tage, die Jobsuche blieb zunächst erfolglos. „Ich hatte schon meinen Rückflug rausgesucht, als ich einen Anruf von einer Gartenbaufirma bekam“, erinnert sich Werner. Er lernte, mit Rasenmäher und Heckenschere umzugehen, verdiente sich seinen Lebensunterhalt und wohnte direkt an der Harbour Bridge. „Die Wohnung sah aus wie ein Stall, aber die Lage zählte“, sagt Werner und lacht.

Ole Werner über das Spiel gegen den HSV:

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Es ist eine von vielen Geschichten, die zeigt, wie der heutige Cheftrainer von Holstein Kiel tickt. Ein Mann, der sich nie zu schade war, auch einfache Jobs zu machen. Während seine Trainerkarriere im Nachwuchs von Holstein Kiel zunächst langsam begann, verdiente sich Werner mit diversen Nebentätigkeiten sein Studium und sein tägliches Leben. „An Kreativität und an der Bereitschaft, neue Dinge auszuprobieren, hat es bei mir nicht gemangelt.“ Er jobbte weiter im Gartenbau oder auch als Nachtwächter im Kieler TV-„Tatort“. Während der Dreharbeiten passte er auf, dass die Trucks oder die teure Beleuchtung nicht geklaut wurden. „Das war ein gut bezahlter Job, auch wenn er oft mit schlaflosen Nächten verbunden war.“

Sein Studium hat Werner bis heute nicht beendet, weil er schließlich sein Glück als Trainer in Kiel finden sollte. Im September vor einem Jahr übernahm er die Nachfolge von André Schubert und stabilisierte das Team. Nebenbei machte er in Hennef den DFB-Fußballlehrerlehrgang. Eine Zeit, die nicht spurlos an ihm vorbeiging. „Es war sehr stressig. Ich bin froh, dass ich nicht mehr so oft in meinem Golf neben Christian Rahn auf der A 1 sitze“, sagt Werner, der mit dem Co-Trainer des HSV II regelmäßige Fahrgemeinschaften bildete.

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Der 32-Jährige ist heute der jüngste Trainer im deutschen Profifußball und hat Spaß daran, die junge Kieler Mannschaft weiterzuentwickeln. Sein Blick auf den Alltag in den Nachwuchsleistungszentren hat sich verändert. „Heute sitze ich auf der anderen Seite des Tisches und verstehe manche Dinge anders. Es wird sogar noch mehr gefordert als damals.“ Bei seinen Spielern trifft Werner in jedem Fall den richtigen Nerv. Dass er im Sommer auch beim HSV ein Kandidat gewesen sein soll, hat er nur gelesen. Mehr aber auch nicht. „Ich weiß, wo mein Platz ist“, sagt Werner. Sein Platz ist Kiel. Und soll das noch lange bleiben.