Hamburg. Im Nachholspiel der 2. Bundesliga geht es immer noch um die Tabellenführung. Doch die Voraussetzungen sind jetzt ganz andere.

Es war stockdunkel, als die HSV-Profis am Dienstagabend den Trainingsplatz verließen. Die wenigen Trainingszuschauer, die zuvor im Halbdunkeln versucht hatten, im Hinblick auf das Nachholspiel der 2. Bundesliga an diesem Mittwoch (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei Abendblatt.de) gegen den FC Erzgebirge Aue neue Erkenntnisse zu gewinnen, wurden enttäuscht.

Allzu viel scheint sich im Vergleich zum ursprünglichen Spieltermin vor zweieinhalb Wochen, der aufgrund zweier positiver Corona-Fälle ausfiel, ohnehin nicht geändert zu haben: Der Sieger des Spitzenspielchen 2.0 wird offizieller Tabellenführer und inoffizielles Überraschungsteam des Saisonstarts. Mit einem Spitzenreiter Aue hätten nach vier Spielen genauso wenige gerechnet wie mit einem Vierfachsieger HSV, dem dieses Kunststück in seiner langen Bundesliga- und kurzen Zweitligageschichte noch nie gelungen ist.

Trainer Daniel Thioune machte vor der Neuansetzung gegen Aue allerdings ziemlich deutlich, dass ihm das „schon lange her“ deutlich weniger als das „gerade erst her“ interessiere. Statistiken aus der HSV-Vergangenheit von anno dazumal hätten für ihn keine Relevanz, sagte Thioune, der seine knapp drei Wochen alten Planungen vor dem kurzfristig abgesagten Spiel gegen Aue dagegen gerne noch einmal aus der Schublade holte. „Es hat sich an meiner Einschätzung gegenüber Aue in der Zwischenzeit nicht so viel geändert“, sagte Thioune.

Daniel Thioune über den HSV-Traumstart und das Aue-Spiel
Daniel Thioune über den HSV-Traumstart und das Aue-Spiel

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    HSV-Trainer Thioune beklagt vor Spiel gegen Aue Ausfälle

    An seiner Einschätzung möglicherweise nicht, an seinen zur Verfügung stehenden Einsatzkräften dagegen sehr wohl. Josha Vagnoman (Bänderriss) hätte genau wie der bereits vor 17 Tagen gesperrte Toni Leistner gefehlt, allerdings sind im HSV-Lazarett in der Zwischenzeit auch noch Jeremy Dudziak (Schulterverletzung) und Tim Leibold (Adduktorenzerrung) hinzugekommen. Alle vier trainierten am Dienstag separat.

    Aber: Der nur wenige Stunden vor dem ursprünglichen Spieltermin verpflichtete Torhüter Sven Ulreich, der am 4. Oktober noch nicht spielberechtigt war, darf nun sein Volksparkdebüt als HSV-Profi feiern. Resthoffnungen auf einen Einsatz hat David Kinsombi, der wegen eines Muskelfaserrisses am 4. Oktober gefehlt hätte.

    Exakt drei Wochen ist es nun schon her, dass Trainer Thioune sich um 8 Uhr morgens mit sämtlichen Analysten im Volkspark traf, um einen Plan auszuhecken, wie man „den typischen Zweitligisten Aue“ mit seiner Riesendefensive rund um ihre „drei Hightower mit einer Körpergröße von jeweils mehr als 1,90 Metern“ knacken könnte. Nicht zu vergessen: den „Wandspieler“ Pascal Testroet im Sturm, der sich „in jeden Ball mit seinem Körper reinrammen“ würde.

    Personeller Engpass beim HSV

    Nun gut. Thiounes Fazit vor dem ersten Aue-Versuch: Er habe einen Plan gefunden. Thiounes Fazit vor dem zweiten Aue-Versuch: „Natürlich habe ich die Pläne nicht weggeschmissen, aber wir überprüfen die Pläne noch mal.“ Damit angefangen hat der Fußballlehrer bereits am Montag, als er sich das 2:1 Aues gegen Heidenheim in aller Ausführlichkeit zu Gemüte führte. „Besonders bei Standardsituationen müssen wir sehr wachsam sein“, schlussfolgerte Thioune, dem Aues Kopfballstärke genauso auffiel wie die brandgefährlichen Angreifer Testroet und Florian Krüger.

    Einen extrem überraschenden Taktik-Plan brauchen die 1000 Zuschauer, die durch die erhöhten Inzidenzwerte nur noch zugelassen sind, allerdings nicht zu erwarten. „Wahrscheinlich entscheidet jetzt auch das Personal über unsere taktische Variante“, sagte Trainer Thioune, der offen zugab: „Wir nehmen alle mit, die spielfähig sind.“

    Thiounes personeller Engpass macht auch das Spekulieren über eine mutmaßliche Startelf schwieriger als sonst. Im Vorfeld der Partie wollte der 46-Jährige nur verraten, dass „der eine oder andere auf einer Position spielen wird, auf der er nicht ausgebildet wurde“. Gemeint sein dürfte Moritz Heyer, der beim hart erkämpften 1:0 bei der SpVgg Greuther Fürth gleich auf drei Positionen eingesetzt wurde.

    Die genaue Formation bleibt also vorerst unklar. Ziemlich klar ist dagegen, dass die Gäste aus dem Erzgebirge keineswegs vor Ehrfurcht erzittern. „Es ist ein frühes Spitzenspiel in dieser Saison, und wir sind nicht chancenlos“, sagt Aues Krüger vor dem Duell zwischen dem Zweiten und Dritten. Und weiter: „Wir fahren nach Hamburg, um zu gewinnen und Tabellenführer zu werden.“

    Gut gebrüllt, kleiner Löwe. Doch Krügers überbordendes Selbstbewusstsein ist keinesfalls ein Einzelfall bei den gut gestarteten Sachsen. Auch Krügers Sturmpartner Testroet kann vor dem Duell im Volkspark mit hanseatischer Zurückhaltung nur wenig anfangen: „Wir fahren mit ganz breiter Brust zum HSV und wollen auch dort punkten.“

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    Damit geht das Vorgeplänkel mit 2:0 an Aue. Das Fußballduell wird aber doch erst an diesem Abend entschieden. Immerhin: Anders als vor zweieinhalb Wochen, als am Vorabend zwei positive Aue-Tests im Lindner-Hotel für helle Aufregung sorgten, blieb es an diesem Montagabend beim FC Erzgebirge ruhig. Das soll sich heute ändern. Anpfiff ist um 18.30 Uhr. Es ist angerichtet.